Die Verfassungsbeschwerde im HKÜ-Verfahren

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Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) spielen im Familienrecht eine wachsende Rolle. Die Kanzlei Abamatus ist regelmäßig mit Verfassungsbeschwerden in diesem speziellen Bereich betraut.

Das HKÜ ist ein internationales Abkommen zwischen mittlerweile über 100 Staaten auf der ganzen Welt. Es ist anwendbar, sobald ein Kind von dem Vertragsstaat, in dem es gewöhnlich wohnt (Heimatstaat), in einen anderen verbracht wird und dadurch das Umgangs- oder Sorgerecht gefährdet oder umgangen wird.


Standardfall: Ausreise eines Elternteils mit Kind

Der typische Anwendungsfall ist derjenige, dass ein Elternteil mit dem Kind ohne Absprache mit dem anderen Elternteil ins Ausland reist. Dabei handelt es sich also nicht um eine Entführung im allgemeinen Sprachgebrauch.

In diesem Fall kann der andere Elternteil einen Antrag stellen, dass das Kind nach den Bestimmungen des HKÜ in den Heimatstaat zurückgeführt werden muss, meist zuerst durch den „entführenden“ Elternteil, notfalls aber auch durch staatliche Behörden bis hin zu Gerichtsvollzieher und Polizei.

Dieses Prozedere dient in erster Linie dazu, das Sorgerechtsverfahren dann im Heimatstaat durchführen zu können. Das HKÜ weist also nicht die Elternrechte dem Vater oder der Mutter direkt zu, sondern es ermöglicht die Durchführung eines geordneten Verfahrens und verbietet das Schaffen von Tatsachen, indem man das Kind einfach entzieht.


Zwei zentrale Bestimmungen

Das HKÜ beinhaltet (nur) zwei für die Entscheidung des Gerichts zentrale Bestimmungen:

Art. 12 Abs. 1 HKÜ besagt, dass ein entführtes Kind in den Heimatstaat zurückgeführt werden muss.

Art. 13 HKÜ sieht Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, nämlich

  • wenn der antragstellende Elternteil das Sorgerecht nicht ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 a, erster Fall),
  • wenn der antragstellende Elternteil der Ausreise zugestimmt hat, sodass im Grunde nicht einmal eine Entführung vorliegt (Art. 13 Abs. 1 a, zweiter Fall),
  • wenn die Rückführung eine schwerwiegende Gefahr für das Kindeswohl darstellen würde oder sonst unzumutbar wäre (Art. 13 Abs. 1 b) oder
  • wenn sich das Kind schon einen eigenen Willen dazu bilden kann und sich der Rückführung widersetzt (Art. 13 Abs. 2).

Die für die Praxis bedeutendste Ausnahmeregelung ist diejenige der schwerwiegenden Gefahr für das Kindeswohl. Auf diese Regelung berufen sich die „entführenden“ Elternteile fast immer, weil diese natürlich stets der Ansicht sind, im Sinne des Kindes zu handeln.


Besondere Bedeutung des Kindeswohls

Die Verfassungsbeschwerde wird sich also häufig, ähnlich wie bei Verfassungsbeschwerden gegen Sorgerechtsentscheidungen, darum drehen, ob das Familiengericht die Aspekte des Kindeswohls korrekt gewichtet hat.

Dabei ist jedoch Folgendes zu beachten:

  • Es geht nur um die Elternrechte (vor allem aus Art. 6 GG), nicht um Grundrechte des Kindes. Diese können die Eltern in dieser Konstellation nicht wahrnehmen, da sie aufgrund des Elternkonflikts befangen sind.
  • Die Rückführung nach dem HKÜ dient nach dem Willen des Gesetzgebers dem Kindeswohl, es muss also ganz gewichtige Gründe geben, warum das Kindeswohl ausnahmsweise etwas anderes erfordert.
  • Die Kernfrage ist nicht, welcher Elternteil der „bessere“ für das Kind ist. Das muss die Sorgerechtsentscheidung im Heimatstaat klären.

Hier besteht also eine gewisse Wechselwirkung zwischen den Rechten des Kindes und denen des Elternteils, die dann wiederum eine rein objektive Frage, nämlich in welchem Land die Entscheidung zu treffen ist, beeinflussen.


Prozessuale Konstellationen

Für die Verfassungsbeschwerde gibt es zwei prozessuale Konstellationen:

  • Die Rückführung wurde angeordnet, der „entführende“ Elternteil will sich dagegen wehren und macht geltend, dass einer der Ausnahmetatbestände erfüllt ist.
  • Die Rückführung wurde abgelehnt, der „nicht-entführende“ Elternteil will diese aber weiter durchsetzen und argumentiert, dass keiner der Ausnahmetatbestände erfüllt ist.

Über den HKÜ-Antrag entscheidet zunächst das Amtsgericht (Abteilung Familiengericht), in der Beschwerde hiergegen das Oberlandesgericht (sog. Familiensenat). Ein weiteres Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist in HKÜ-Fällen ausgeschlossen (§ 40 Abs. 2 Satz 4 IntFamRVG).


Eingeschränkter Prüfungsmaßstab

In beiden Konstellationen wird eine intensive Diskussion hinsichtlich der Frage des Kindeswohls erforderlich sein. Dies ist in aller Regel bereits im familiengerichtlichen Verfahren vorgebracht worden.

Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde wird hier keine neue Beweisaufnahme durchgeführt. Das Bundesverfassungsgericht korrigiert keine falschen Urteile, sondern prüft nur spezifische Grundgesetzverletzungen. Daher wird man meist nur gehört werden, wenn dargelegt wird, dass das Oberlandesgericht

  • die Bedeutung des Kindeswohls nicht beachtet hat,
  • die Bedeutung des Elterngrundrechts nicht beachtet hat,
  • ein Beweismittel ganz ignoriert hat,
  • ein Gutachten hätte einholen müssen oder
  • die verschiedenen Interessen völlig falsch gewichtet hat.


Erhebung der Verfassungsbeschwerde

Rechtsanwalt Thomas Hummel und seine Kanzlei können Ihren HKÜ-Fall prüfen und möglicherweise eine Verfassungsbeschwerde gegen den familiengerichtlichen Beschluss erheben.

Häufig wird auch an einen Eilantrag zu denken sein, um – wenn Sie sich gegen die Anordnung der Rückführung wehren wollen – diese aufzuhalten.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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