Mitarbeiterbeteiligung - echte vs. virtuelle Anteile

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1. Incentivierung der MitarbeiterInnen

Start-ups können ihren MitarbeiterInnen anfänglich noch kein attraktives Gehalt zahlen. Um dennoch einen wirtschaftlichen Anreiz zu schaffen und die MitarbeiterInnen im Hinblick auf Ihr Commitment zu incentivieren, können Start-ups ihre MitarbeiterInnen am künftigen Erfolg des Business beteiligen

Gewachsene Unternehmen haben häufig ein Interesse daran, Führungskräften und Nachfolgern ein Incentive für exzellente Leistungen zu setzen und einen Interessengleichlauf mit den (geschäftsführenden) Gesellschaftern herzustellen. Nicht selten werden Manager und Nachfolger auch im Hinblick auf einen geplanten Exit bzw. eine Nachfolge bereits am Unternehmen beteiligt.

Hierbei kann den MitarbeiterInnen entweder eine echte Eigenkapitalbeteiligung gewährt werden oder die Beteiligung erfolgt virtuell auf Basis von vertraglichen Absprachen. Alternativ kommt auch die Begründung einer stillen Gesellschaft (stille Beteiligung) in Betracht, wozu Sie mehr in diesem Rechtstipp finden.

Da die GmbH die am häufigsten verwandte Rechtsform darstellt, ist diesem Beitrag die Beteiligung an einer Gesellschaft mbH zugrunde gelegt. Ein Beteiligungsprogramm lässt sich jedoch auch mit jeder anderen Rechtsform umsetzen.

2. Echte vs. virtuelle Beteiligung

a. Echte Anteile

Bei einer echten Eigenkapitalbeteiligung erhalten die MitarbeiterInnen Geschäftsanteile und werden hierdurch zu MitgesellschafterInnen (auch ESOP genannt, wobei in diesem Fall nur Optionen gewährt werden). 

Die Zuteilung und ggf. schrittweise Erdienung (Vesting) der Anteile erfolgt in der Regel nur unter bestimmten Bedingungen, damit die Begünstigten längerfristig im Unternehmen bleiben. Zudem müssen die Anteile im Normalfall bei Eintritt bestimmter Ereignisse (z.B. Kündigung) wieder abgegeben werden, wobei die Höhe der Abfindung nach der Art des Ausscheidens unterscheidet (Good Leaver / Bad Leaver). 

Da die MitarbeiterInnen durch die Beteiligung vom Grundsatz her vollwertige MitgesellschafterInnen werden und an Gesellschafterversammlungen sowie Beschlussfassungen teilnehmen, kann dies die Governance des Unternehmens erheblich erschweren. Zwar können die Verwaltungs- und Vermögensrechte dieser GesellschafterInnen durch gesellschaftsvertragliche Regelung eingeschränkt werden (z.B. Ausschluss des Stimmrechts), es ist jedoch nicht zulässig, die GesellschafterInnen vollständig rechtlos zu stellen.

Um diesen Nachteil organisatorisch auszugleichen, können die MitarbeiterInnen in einem Pool zusammengefasst werden. Dies kann entweder ein einfacher Stimmrechtspool sein, in dem sich die MitarbeiterInnen u.a. zur einheitlichen Stimmabgabe verpflichten. Alternativ können die Anteile der MitarbeiterInnen auch in einer Beteiligungsgesellschaft gebündelt werden, sodass einzelne MitarbeiterInnen nicht unmittelbar GesellschafterInnen des Unternehmens werden und dadurch keinen direkten Einfluss auf die Unternehmensführung haben. Häufig werden für diese doppelstöckige Struktur Personengesellschaften wie eine GbR oder eine Kommanditgesellschaft (KG) als Beteiligungsgesellschaft verwendet.

Werden die Mitarbeiteranteile wie üblich unentgeltlich oder vergünstigt gewährt, entsteht bei der Gewährung in Höhe der Differenz zum Verkehrswert zu versteuernder Arbeitslohn. Da den MitarbeiterInnen jedoch in diesem Moment nicht zugleich die Liquidität für die Zahlung der Steuer zufließt, kann ein Liquiditätsengpass entstehen, was als Dry Income-Problem beschrieben wird. Im Exitfall wird der Verkaufserlös als Kapitaleinkünfte versteuert.

b. Virtuelle Anteile

Im Fall einer virtuellen Beteiligung, auch Phantom Shares oder Phantom Stocks genannt, werden die MitarbeiterInnen nicht GesellschafterInnen, sondern erhalten vertragliche Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft in Form einer Gewinn- und/oder Verkaufserlösbeteiligung (auch als VSOP bezeichnet, wobei in diesem Fall nur Optionen zugeteilt werden). 

Die konkrete Ausgestaltung kann weitgehend frei vertraglich vereinbart werden. Der Abschluss des Beteiligungsprogramms muss nicht notariell beurkundet werden.

Häufig müssen die virtuellen Anteile erst über einen bestimmten Zeitraum durch die Begünstigten erdient werden (Vesting), bevor sie zu Zahlungen berechtigen. Dabei sollten die Berechnungsgrundlagen für die vertragliche Zahlungsverpflichtungen im Fall von Gewinnausschüttungen und/oder Verkaufserlösen genau definiert werden. Geregelt werden sollte ebenfalls, ob die virtuelle Beteiligung im Fall von späteren Kapitalerhöhungen verwässert wird oder nicht.

Diese Variante verursacht weniger Aufwand und Kosten und erleichtert die Unternehmensführung, da die MitarbeiterInnen nicht zu GesellschafterInnen werden und die virtuellen Anteile grundsätzlich keine Mitwirkungsrechte vermitteln.

Bei Gewährung fallen keine Steuern an, jedoch müssen die MitarbeiterInnen den Exiterlös als Arbeitslohn versteuern.

c. Vergleich

Die Unterschiede zwischen echter und virtueller Beteiligung sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt und zusammengefasst:

Echte BeteiligungVergleichspunktVirtuelle Beteiligung
Beteiligung am Eigenkapital durch Gewährung von GesellschaftsanteilenWas ist das?Rein vertraglich vereinbarter Anspruch auf Exiterlös (und ggf. Gewinnausschüttungen)
Gründer / Schlüsselmitarbeiter / NachfolgerFür wen?Mehrere Begünstigte, insb. MitarbeiterInnen
Vollwertiger GesellschafterStellung des Begünstigten?Mitarbeiter / Vertragspartner
Verwaltungs- und Vermögensrechte eines Gesellschafters (z.T. beschränkbar)Mitwirkungsrechte des Begünstigten?Grundsätzlich keine 
Bei unentgeltlicher bzw. vergünstigter Gewährung Arbeitslohn in Höhe der Differenz zum Verkehrswert (Dry Income-Problem)Besteuerung bei Gewährung?Keine
KapitaleinkünfteBesteuerung bei Exit?Arbeitslohn
höherAufwand für Umsetzung?niedriger


3. Varianten der echten Beteiligung

Um die steuerlichen Vorteile von echten und virtuellen Anteilen zu verbinden, haben sich zwei Varianten der echten Eigenkapitalbeteiligung entwickelt:

  1. Hurdle Shares, und 
  2. § 19a EStG-Beteiligungen. 

Diese Varianten sollen einerseits die Dry Income-Problematik bei Gewährung vermeiden und bei Exit eine Besteuerung als Kapitaleinkünfte ermöglichen. Zugleich wächst der Aufwand für die Implementierung. Darüber hinaus empfiehlt sich bei diesen Strukturen eine Abstimmung mit dem Finanzamt.

a. Hurdle Shares

Bei Hurdle Shares, auch Growth Shares oder Zero Shares genannt, werden die Anteile mit einer sog. negativen Liquidationspräferenz (NLP) gewährt. 

Da bedeutet, der Anteilswert bei Gewährung an die MitarbeiterInnen wird als Abzugsposten bei einem späteren Verkauf festgesetzt, sodass der Ausgabewert wirtschaftlich betrachtet quasi Null beträgt. 

Beim Exit berechtigen die Hurdle Shares nur dann und insoweit zu Zahlungen, sofern der Ausgabewert überschritten wird (das ist die "Hürde" - daher der Name "Hurdle Shares").  

Bei Ausgabe fallen keine Steuern an und der Exiterlös wird als Kapitaleinkünfte versteuert.

b. § 19a EStG

Nach § 19a EStG kann die Besteuerung eines geldwerten Vorteils bei Gewährung unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben werden. 

Liegen die Voraussetzungen vor, fallen bei Gewährung keine Steuern an. Im Exitfall wird hinsichtlich der Besteuerung unterschieden: der Wert bei Gewährung wird als Arbeitslohn versteuert und der spätere Wertzuwachs als Kapitaleinkünfte.

Hinsichtlich des betroffenen Unternehmens dürfen bestimmte Schwellenwerte bez. Umsatz, Mitarbeiter etc. nicht überschritten werden. Zudem ist eine Gewährung an eine Holdinggesellschaft unzulässig.

4. Beratung

Bitte melden Sie sich jederzeit, wenn Sie eine Frage haben oder eine Beratung wünschen. Mehr Informationen finden Sie auf unserer Website: https://freudenberg-law.com/


Mit besten Grüßen, RA Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.

Foto(s): Freudenberg Law


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