Thema Betreuungsrecht: Behindertentestament – keine Gerichtsgebühren für Betreuungsverfahren

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Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat mit Beschluss vom 23.11.2020 folgenden Fall im Betreuungsrecht entschieden:

Im vorliegenden Fall bestand für den Betroffenen eine Betreuung und mittels eines sog. „Behindertentestaments“ wurde er nicht befreiter Vorerbe eines Vermögens von über 500.000,00 € seiner Eltern.

Unter einem Behindertentestament versteht man eine letztwillige Verfügung, die insbesondere von Eltern behinderter Kinder abgefasst wird und Sonderregeln in Bezug auf das behinderte Kind enthält. Das Ziel dieser Verfügung besteht darin, dem Erben trotz seiner Erbschaft die volle staatliche Unterstützung zu erhalten, ohne dass das vererbte Vermögen hierfür eingesetzt werden muss.


Sinn der Vorerbeneinsetzung ist das gesamte Vermögen für den Nacherben zu erhalten. Sind im Testament keine Anordnungen getroffen worden, ist der eingesetzte Vorerbe sogenannter ein nicht befreiter Vorerbe. Er darf über den empfangenen Nachlass nur in einem eingeschränkten Umfang verfügen. Der Vorerbe ist in seiner Verfügungsmacht beschränkt. 


Im Fall sollte der Betreute eine jährliche Gerichtsgebühr in Höhe von 1.320,00 € bezahlen. Es wurde Dauertestamentsvollstreckung für den Nachlass angeordnet. Nach dem GNotKG (Nr. 11101 des Kostenverzeichnisses im GNotKG) ist eine wertabhängige Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr einer Dauerbetreuung zu erheben, sofern der Betreute vermögend ist und das Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25.000,00 € beträgt. Das vom Betreuten bewohnte Hausgrundstück ist nicht einzubeziehen. Die Vermögenssubstanz als auch die Vermögenserträge sind aufgrund der Dauertestamentsvollstreckung dem Betreuten entzogen. Lediglich der Testamentsvollstrecker kann im Rahmen der Vorgaben des Erblassers über das Vermögen verfügen.

Der Betreuer legte hiergegen Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht entschied zugunsten des Betreuten, dass dieser keine Gerichtsgebühren im Betreuungsverfahren im Rahmen der Erbschaft zu bezahlen hat. Das „Behindertentestament“ dient dazu, den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Nachlassvermögen des Betreuten zu entziehen. Der Betreute kann aufgrund des „Behindertentestaments“ gerade selbst nicht auf das Vermögen frei zugreifen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind derartige Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus, wenn die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine Anordnung von Vor- und Nacherbschaft verbunden mit einer Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass der Sozialhilfeträger auf das Nachlassvermögen nicht zugreifen kann, aber das Kind die Vorteile daraus ziehen kann. Das Oberlandesgericht sah daher für die Geltendmachung von Gerichtsverfahren für das Betreuungsverfahren durch die Landesjustizkasse ab.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Oliver Thieler, LL.M. von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erstellt.

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