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Autounfall: Verkauf des Unfallwagens zulässig?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Auf Deutschlands Straßen sind immer mehr Autos unterwegs – was wiederum die Gefahr eines Verkehrsunfalls immens erhöht. Kommt es dann tatsächlich zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug, gehen die Probleme jedoch erst richtig los. Schließlich muss man sich nicht nur mit dem Unfallgegner auseinandersetzen, sondern auch mit dessen Versicherung. Die wird nur selten ohne Diskussionen den Schaden ersetzen und dem Geschädigten stattdessen ein Mitverschulden an der Kollision anrechnen. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser sein beschädigtes Kfz einfach verkaufen darf oder ob er zuerst ein Restwertangebot der gegnerischen Versicherung abwarten muss.

Mitverschulden wegen Autoverkaufs?

Ein Autofahrer wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sein Wagen stark beschädigt wurde. Er beauftragte daraufhin einen Sachverständigen mit der Ermittlung des Restwerts seines Wagens. Der Sachverständige holte in diesem Zusammenhang nur zwei Angebote ein – er begründete sein Vorgehen damit, dass auf dem regionalen Markt lediglich zwei Angebote existierten. Obwohl die gegnerische Versicherung angekündigt hatte, dem Geschädigten ein Restwertangebot zu machen, verkaufte dieser den Unfallwagen, ohne das Angebot abzuwarten.

Als die Versicherung des Unfallverursachers davon erfuhr, regulierte sie nicht den vollen Schaden, sondern rechnete dem Geschädigten ein Mitverschulden an: Schließlich habe diesen eine Schadensminderungspflicht nach § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) getroffen, gegen die er verstieß, als er das Restwertangebot nicht abwartete. Dieses wäre nämlich höher ausgefallen, als der tatsächlich erzielte Verkaufspreis – bei einem Verkauf an den Restwerthändler wäre der von der Versicherung zu ersetzende Schaden daher geringer ausgefallen. Nun zog der Geschädigte vor Gericht und forderte die Zahlung des noch ausstehenden Schadenersatzes.

Geschädigter musste Restwertangebot nicht abwarten

Das Kammergericht (KG) Berlin gab dem Geschädigten Recht und verpflichtete den Versicherer des Unfallverursachers zum vollständigen Ersatz des entstandenen Schadens.

Ein Mitverschulden des Geschädigten war für das Gericht nämlich nicht ersichtlich. Denn er musste das Restwertangebot der gegnerischen Versicherung nicht abwarten, bevor er den Unfallwagen verkaufte.

Zunächst einmal muss ein Geschädigter ohnehin nicht automatisch jedes Restwertangebot annehmen, das die gegnerische Versicherung außerhalb des – dem Geschädigten jeweils zugänglichen – regionalen Marktes bzw. bei der Internetrecherche gefunden hat, nur weil es für die Versicherung „günstiger“ ist. Stattdessen kann er sich auf die Angaben eines Sachverständigengutachtens sowie die Angebote auf dem regionalen Markt verlassen. Somit ist ein Mitverschulden eines Geschädigten nur anzunehmen, wenn das Sachverständigengutachten offensichtlich keine verlässlichen Angaben in Bezug auf den Restwert macht, z. B. weil der Gutachter weniger als drei Angebote auf dem regionalen Markt ermittelt. Vorliegend enthielt das Gutachten tatsächlich nur zwei Restwertangebote. Mehr waren auf dem regionalen Markt zu dieser Zeit allerdings auch nicht auffindbar, was nicht zulasten des Geschädigten gewertet werden durfte.

Ferner darf ein Geschädigter seinen Unfallwagen verkaufen, ohne ein Restwertangebot der gegnerischen Versicherung abwarten zu müssen – und zwar selbst dann, wenn das Angebot zuvor angekündigt wurde. Ansonsten dürfte der Geschädigte nicht mehr frei über die Verwertungsmodalitäten entscheiden, was jedoch sein gutes Recht ist. So kann er grundsätzlich frei entscheiden, ob er z. B. den Wagen verkaufen oder nach § 249 I BGB reparieren lassen möchte. Auch könnte er den Wagen unrepariert weiternutzen und gemäß § 249 II BGB fiktive Reparaturkosten vom Unfallgegner fordern. Müsste er das Restwertangebot annehmen, wäre er dagegen stets zum Verkauf gezwungen.

Allerdings gibt es hiervon Ausnahmen: Hat der Versicherer rechtzeitig ein zumutbares und höheres Restwertangebot vorgelegt, muss der Geschädigte dies berücksichtigen – selbst wenn es sich z. B. um ein überregionales Angebot handelt. Vorliegend jedoch hat der Geschädigte den Wagen verkauft, bevor ihm das Restwertangebot von der gegnerischen Versicherung vorlag. Es kam daher zu spät und war nicht mehr zu berücksichtigen.

(KG Berlin, Urteil v. 06.08.2015, Az.: 22 U 6/15)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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