BGH: Zur Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags mit einem von der Ausweisung bedrohten Ausländer

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In dem vom BGH am 17.01.2018 entschiedenen Fall stritten die beteiligten Eheleute um den Zugewinnausgleich und insbesondere um die Wirksamkeit eines Ehevertrags.

Die Beteiligten schlossen im Februar 1997 die Ehe. Im Januar 1997 schlossen sie einen notariell beurkundeten Ehevertrag, durch den sie Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung gegenseitig und vollständig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten. Die Ehe wurde 2014 geschieden, der Antrag der Ehefrau über Auskunft des End- und Trennungsvermögens des Ehemanns wurde abgewiesen. Das Beschwerdegericht hat den Ehemann zur Erteilung von Auskünften zum Trennungs- und Endvermögen verpflichtet. Die daraufhin vom Ehemann erhobene Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Eine Verpflichtung des Ehemanns zur Auskunft im Rahmen des Güterrechts besteht, weil der Ehevertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten insgesamt unwirksam ist.

Der BGH führt aus, dass die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten unterliegen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen unterlaufen werden könne. Dies sei dann der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige, nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die unzumutbar erscheine. Erforderlich sei dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstelle. Ergebe die Wirksamkeitskontrolle, dass einzelne ehevertragliche Regelungen sittenwidrig und damit nichtig seien, so sei im Zweifel der gesamte Ehevertag nichtig. Aber auch eine Gesamtschau von an sich nicht sittenwidrigen Regelungen könne dazu führen, dass der Ehevertrag im Ganzen sittenwidrig und damit nichtig sei, wenn er erkennbar auf die einseitige Benachteiligung des einen Ehegatten abziele. In diesem Fall müssen verstärkende Umstände, wie etwa die Ausnutzung einer Zwangslage, soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit hinzukommen.

Dies war im vorliegenden Fall zu bejahen. Die Ehegatten haben eine evident einseitige und nicht gerechtfertigte Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau vereinbart. Dabei beruht der einseitige Vertragsinhalt auf einseitigen Verhandlungspositionen.

Die Ehefrau kam im Jahre 1994 als Bürgerkriegsflüchtling in die BRD. Bei Abschluss des Ehevertrags hat sie sich in einer besonderen Notsituation befunden, da sie sich zum damaligen Zeitpunkt mit einem Flüchtlingsstatus in Deutschland aufhielt und bereits einen Abschiebebescheid erhalten hatte. Sie war in besonderem Maße auf die Eheschließung angewiesen. Erschwerend kam hinzu, dass sie nicht der deutschen Sprache mächtig war und den Vertragsinhalt in deutscher Sprache nicht richtig erfassen konnte. Auch erhielt sie vor Vertragsschluss keinen Entwurf, den sie sich hätte übersetzen lassen können. 

BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17


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