Cannabis MPU negativ? Fragestellung der FSST auf BtM oft falsch - Entziehung der Fahrerlaubnis abwendbar!

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Führerschein retten nach negativer Cannabis MPU? Rettungsanker falsche Fragestellung der Führerscheinstelle!

Hier soll es um ein ziemlich interessantes Schlupfloch gehen, über welches man nach Anordnung einer MPU wegen Cannabis an Steuer seinen Führerschein auch dann noch "über die Zeit" retten kann, wenn das MPU Gutachten selber ein negatives Ergebnis enthält.

Hierzu folgender Fall:

Schorse ist begeisterter Mini Grower. Auf seinem Balkon zieht er jedes Jahr ein, zwei Old School Cannabis Strains. Letzte Saison war die "Blueberry" vom Züchter Legende DJ Short dran. 

Schorses Freundin schenkte ihm zu seinem abgeschlossenen Studium einen tragbaren Vaporizer "Mighty+" der Vapo Könige von "Storz und Bickel". Hocherfreut über dieses doch sehr praktische Tool probiert er selbiges aus mit 0,5 Gramm Blueberry Cannabis.

Er freut sich über den im Vergleich zum Joint viel entspanntern Turn und den noch besseren Geschmack der Blueberry. Er fühlt sich "groovig" und da Samstag ist und zufällig "Fatboy Slim" in der Stadt ist und sein Kumpel Falko Dammbruch spontan an Tickets gekommen ist, fährt er mit dem Auto zum außerhalb der Stadt gelegenen Location, wo der DJ aus Brighton eines seiner legendären Sets spielt.

Schon auf dem Hinweg kommt er in eine Fahrzeugkontrolle:

3 Gramm Weed, Vaporizer weg und das Auto muss er stehen lassen. Blut wird abgezapft.

Darin findet der Toxikologe Dr. Breitmeyer folgende Werte:

3,2 ng ml / THC

120 ng ml / THC COOH

Sonst werden keine illegalen Substanzen gemessen. Auch die Legaldroge Alkohol nicht. Gefahren ist Schorse ganz normal.

Nach den üblichen Verfahren wegen § 29 BtMG und dem Monat Fahrverbot nach § 24 a StVG  meldet sich nun die Fahrerlaubnisbehörde bei ihm. Gelber Brief. Heißt nichts gutes. Die wollen nicht zum abgeschlossenen Studium gratulieren, die wollen eine MPU.

Die Fragestellung der Behörde an die Gutachterstelle lautet:

Variante 1:

"Ist zu erwarten, dass Herr Schorse zukünftig ein KFZ unter Einfluß von BtM, anderen psychoaktiven Stoffen oder deren Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme? Kann Herr Schorse trotz der Hinweise auf einen gelegentlichen Cannabis-Konsum und fehlenden Trennungsvermögen ein KFZ der Klasse XY sicher führen?"

Frist zur Vorlage des Gutachtens: 3 Monate

Variante 2:

"Ist zu erwarten, dass Herr Schorse trotz der Hinweise auf  gelegentlichen Cannabis Konsum und des fehlenden Trennungsvermögens künftig den Konsum von Cannabis und seinen Nachwirkungen und das Führen eines KFZ trennen kann?"

Frist zur Vorlage des Gutachtens: 3 Monate

Hierzu folgendes:

Bei der Anordnung von Gutachten ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. 

Das bedeutet, dass die Fragestellung der Behörde sich am Sachverhalt zu orientieren hat. Und zwar nicht nur ein bißchen, sondern streng. 

Nur die Eignungszweifel, die eine sich durch objektive Begebenheiten stützen lassen, dürfen abgefragt werden.

Will heißen:

Schorse ist hier unter Wirkung von THC gefahren, da er mindestens 1,0 ng/ml THC im Blut hatte. Damit fehlte das sog. Trennungsvermögen (er fuhr unter der Wirkung von THC). Der gelegentliche Konsum von Cannabis soll ab 100 ng/ml THC COOH bewiesen sein (ist zwar wissenschaftlich nicht haltbar, aber geschenkt!). Damit liegt nach unwissenschaftlicher Betrachtungsweise, also der der Gerichte und Verwaltungsbehörden der gelegentliche Konsum vor bzw. wird mangels Studien unterstellt. 

Die Anordnungsvoraussetzungen für die MPU lagen deshalb nach offizieller Sicht vor. Aber wie gesagt: Die MPU muss auch inhaltlich korrekt ausgestaltet sein in Form der Fragestellung der Behörde an die Gutachterstelle. Hier arbeiten sehr viele Behörden sehr unsauber. 

Vorteil für die Betroffenen:

Eine rechtswidrig angeordnete MPU (=wegen falscher Fragestellung) muss man nicht vorlegen. Man wartet das Fristende für die Vorlage der MPU ab und trägt im Anhörungsverfahren vor der Entziehung der Fahrerlaubnis dann vor, dass die Fragestellung zu weit war und die MPU deshalb nicht vorgelegt werden muss. Dann erläßt die Fahrerlaubnisbehörde eine neue MPU mit -vielleicht richtiger- Fragestellung und neuer Frist. 

Wenn sie die Fahrerlaubnis hingegen entzieht wegen Nichtvorlage des rechtswidrig angeordneten Gutachtens, hat man vor dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren (Dauer idR 1-3 Monate) meist sehr gute Chancen, den entzogenen Führerschein  schnell vom Gericht zurückzukriegen. 

Dann muss man zwar trotzdem noch eine MPU machen, hat aber genug Zeit gewonnen, um 6 Monate Abstinenznachweise vorlegen zu können und eine abgeschlossene Verkehrstherapie beim Verkehrspsychologen.

Und diese 6 Monate werden in der Regel gefordert (Hypothese D3 der Beurteilungskriterien). Zwar sind die bloß gelegentlichen Cannabis Konsumenten eigentlich eher Fälle für D4 und brauchen eigentlich keine Abstinenznachweise, vgl zu der Frage "wieviele Monate Abstinenz muss ich nachweisen?" diesen sehr guten Aufsatz von Volker Kalus.

Die Gutachterstellen verspüren aber wenig bis gar keine Tendenz, die Betroffenen ohne Abstinenznachweise davon kommen zu lassen. Warum? Weil man dann mehrfach zur MPU muss. Wer einmal durchfällt, muss nochmal hin. So einfach ist das. 

Lösung Variante 1:

In Variante 1 ist die Fragestellung der Behörde zu weit. Es wird nach Sachen gefragt, die keine objektiven Anknüpfungspunkte im Sachverhalt finden, nämlich nach BtM und psychoaktiven Stoffen generell. Hier hätte aber nur nach dem Trennungsvermögen hinsichtlich Cannabis fragen dürfen. Hätte man im Auto von Schorse noch Speed und Kokain gefunden, wäre das was anderes gewesen. Aber von dem Zeug hält er -zu Recht- nichts.

Auch ist die Frage nach dem "sicheren Führen" dann zu weit, wenn Schorse keine Fahrauffälligkeiten hatte wie eben unsicheres Fahren. Logisch, ich weiß. Nur die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte verstehen das oft nicht.

Oft wird auch einfach so nach Alkohol gefragt: Natürlich ist das unzulässig.

Schorse ist zu raten, sich für die MPU anzumelden, sich also erstmal der Behörde pro forma mit der Begutachtung einverstanden zu erklären. Dadurch gesteht man nichts ein, keine Sorge.

Dann behält man  die Sache mit der falschen Fragestellung als Joker im Ärmel. Diese Karte will zum richtigen Zeitpunkt gespielt werden. Ein wenig Taktik ist erlaubt.

Wenn Schorse gleich noch dem Vorfall zu diesem Fahrerlaubnis Anwalt (es gibt schlechtere!) gegangen ist, wird dieser ihm sagen:

"Melde Dich sofort, wenn die Urin Drogenschnelltests aus der Apotheke sauber sind, beim Urin Drogen Screening Programm bei AVUS, Dekra, PIMA oder dem TüV an. 6 Monate. Keine Haaranalysen, da die oft falsch positive Ergebnisse anzeigen. 

Parallel machst Du einen Einzeltherapie beim Verkehrspsychologen. Pass auf: Der MPU Markt ist voller schwarzer Schafe. Nur Nachweise vom Verkehrspsychologen werden bei  der MPU akzeptiert (=Diplom Psychologe mit verkehrspsychologischer Zusatzausbildung! NICHT:  MPU "Berater", "Experte", "Profi" usw. - die sind alle nicht hinreichend qualifiziert! Gute Verkehrspsychologen findest Du etwa hier. Beim Verkehrspsychologen kannst und sollst Du ganz offen sein, er unterliegt der Schweigepflicht. Du willst einen Tipp für richtige gute Verkehrspsychologen, die auch online Therapie machen? Gerne: Hier und hier.

Einer der Hauptgründe für negative MPU´s ist die fehlende Therapie beim Verkehrspsychologen (=geschützte Berufsbezeichnung). Diese erkennt man in der Regel auch daran, dass sie meist deutlich billiger sind als die selbsternannten MPU-Gurus. 

Du kaufst Dir das Buch: Beurteilungskriterien für Kraftfahreignung aus dem Kirschbaumverlag. 

Da steht genau drin, wie Du Dich in die richtige Hypothese (=Prüf-Schublade des Gutachters) reinredest und was Du sagen musst, damit Du die MPU bestehst. Das Buch ist der Leitfaden für die MPU und für die Gutachter verbindlich (auch wenn sie das hinsichtlich Hypothese D4 und dem Anspruch auf wissenschaftliche Arbeit oft nicht ganz einsehen und oder verstehen). 

Dann machst Du nach taktischer Rücksprache mit mir die MPU. Jedenfalls dann, wenn Du genug Abstinenznachweise vorliegen hast, denn die brauchen wir. 

Wir reden über das, was Du bei der MPU sagen willst und solltest. Eine MPU ist kein Hexenwerk, nur muss man wissen, was dort verlangt wird.

Du befreist die Gutachterstelle nicht von der Schweigepflicht. Das Gutachten soll erst zu Dir geschickt werden. 

Wenn das Gutachten positiv ist: Lass es mich anschauen. Gibt es von mir grünes Licht, reichen wir es an die Führerscheinstelle durch.

Wenn es negativ ist, legen wir es nicht vor und tragen dann der Führerscheinstelle gegenüber vor, dass die Fragestellung des Gutachtens zu weit war und diese ein neues Gutachten anordnen soll. Macht sie das: Dann wird ein neues Gutachten gemacht. 

Macht sie es nicht und entzieht die Fahrerlaubnis, hole ich die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Verwaltungsgericht (Eilverfahren und Klage, vgl Anhang zu diesem Text, Anmerkung des Autors) wieder.  Bist nicht der erste, den das passiert.

Wenn die Fahrerlaubnisbehörde sich länger Zeit lässt mit der Anordnung der MPU und die 6 Monate Abstinenznachweise zur Beguachtung schon vorliegen, kann die Führerscheinstelle schon früher auf den Fehler mit der Verhältnismäßigkeit hingewiesen werden."

Lösung Variate 2:

Die Fragestellung der Behörde ist hier richtig. Eine Auseinandersetzung  vor dem Verwaltungsgericht wäre deswegen nicht zielführend. 

Dem Mandant sind wie immer anzuraten: Urin -  Screenings, Verkehrspsychologe, Kenntnis der Inhalte der Beurteilungskriterien "aus dem EffEff" (hier "hartes" Argumentieren auf D4 nach Rücksprache mit Anwalt, um irgendwie mit Chance das Gutachten noch angefochten zu bekommen). 

Hier wird es oft so sein, dass realistische Zielsetzung nur ein möglichst kurzer Zeitraum ohne Fahrerlaubnis ist (etwa 2-3 Monate) ist. Die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht verpflichtet, ausreichend lange Vorlagefristen für die MPU zu gewähren um genug Abstinenznachweise sammeln zu können, um die MPU zu bestehen. Und das entspricht auch nicht der üblichen Praxis. In zB München wird das aber fairerweise so gemacht - das hat Seltenheitswert. 

In den MPU Gutachten / ärztlichen Gutachten selber finden sich fast in jeden 2. Gutachten teilweise haarsträubende Logikfehler der Gutachter, die mit "Nonstop Nonsens" noch freundlich beschrieben sind. Wissenschaftsnegierung bis weit über die Schmerzgrenze, eigenmächtige Überdehnung der behördlichen Fragestellung uvm gehören hier zum Tagesgeschäft. 

Keine Woche, in der hier nicht ein Gutachten auf dem Tisch liegt mit fragwürdigsten Begründungen und Anmaßungen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Schreiben Sie mir gerne, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie "über den Tisch gezogen" werden von Gutachterstellen und der Fahrerlaubnisbehörde. Ich kenne die meisten der immer wieder kehrenden Fehler so wie Sie die Inhalte der Beurteilungskriterien kennen sollten. Stichwort: EffEff. Ich höre gerne von Ihnen.

Anhang: Exemplarisches Urteil des Schleswig Holsteinischen Verwaltungsgerichts  zu Variante 1 (Fahrerlaubnis nach Entziehung im Eilverfahren, Gericht hob seine bisherige Rechtsprechung in dem Beschluss auf). Andere gleichlautende Beschlüsse Urteile wurden bereits durch mich erfochten, zb VG  Karlsruhe, VG Freiburg ua. 

Melden Sie sich bei  Bedarf gerne bei mir. 

Foto(s): Björn Schüller

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