Der vorzeitige Zugewinnausgleich und was er bedeutet

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Heiratet ein Paar, stellt sich die Frage wie das Vermögen und Vermögensgegenstände innerhalb der Ehe gegenseitig zugerechnet werden. In Deutschland sind der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB), Gütertrennung (§ 1414 BGB) und die Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) gesetzlich ausgestaltet. Wenn kein Güterstand vertraglich vereinbart wird, lebt das Ehepaar automatisch im Güterstand der Zugewinngemeinschaft,  das Vermögen der Ehegatten wird dabei nicht gemeinschaftliches Vermögen. Nach § 1363 BGB ist der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, auszugleichen. Ausgleichspflichtig ist der Ehepartner, der während der Ehe mehr Vermögen in der Zugewinngemeinschaft erwirtschaftet hat als der Andere (Unterschied zwischen Anfangs- und Endvermögen). Stichtag für die Berechnung des Anfangsvermögen ist die Eheschließung vor dem Standesamt, für das Endvermögen ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich. Eine Zugewinngemeinschaft endet mit Aufhebung durch einen notariellen Ehevertrag, mit Tod eines Ehegatten oder durch einen rechtskräftigen Scheidungsbeschluss.

Des Weiteren kann die Zugewinngemeinschaft durch rechtskräftigen Beschluss auf vorzeitigen Zugewinnausgleich aufgehoben werden, § 1386 BGB. Das bedeutet, dass der Stichtag für den Zugewinn vorgezogen wird. Der vorzeitige Zugewinnausgleich dient als Schutz eines Ehegatten vor vermögensmindernder Manipulation. Das Gesetz sieht in § 1385 BGB vier Fallkonstellationen vor, bei denen ein vorzeitiger Zugewinn durchgeführt werden kann:

1. die Ehegatten leben seit mindestens drei Jahren getrennt,

2. Handlungen der in § 1365 oder § 1375 Absatz 2 bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,

3. der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, oder

4. der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Stellung des Antrags auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten.

Es muss demnach nicht immer schon eine Vermögensminderung eingetreten sein, sondern es kann nach § 1385 Nr. 2 BGB ausreichen, dass eine Vermögensminderung „befürchtet“ wird.

So stimmte das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt am Main, 22.01.2021 - 4 UF 84/20) der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft in einem Fall zu, bei dem ein Ehegatte (Mutter) Grundbesitz an die gemeinsame Tochter übertragen wollte. Die Grundbesitzübertragung wurde als unentgeltliche Zuwendung eingestuft, da es sich weder um eine Anstandsschenkung noch eine Pflichtzuwendung handelte. Durch diese Zuwendung wird das während der Ehe geschaffene Vermögen der Mutter zum Nachteil des Vaters verringert. Die Mutter hat weiterhin ein dingliches Wohnrecht und die Tochter wird begünstigt, ohne dass diese auf die Schenkung zur Gewährleistung ihres Lebensunterhalts angewiesen wäre. Folglich wird das Vermögen durch unentgeltliche Zuwendungen eines Ehegatten, durch die er nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen hat, vermindert, § 1375 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1385 Nr. 1 Alt. 2 BGB liegen vor.

Wenn die Voraussetzungen des § 1385 BGB vorliegen, kann jeder Ehegatte von dem Anderen die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach § 1386 BGB verlangen. Mit Rechtskraft des Gestaltungsbeschlusses nach § 1386 BGB tritt der Güterstand der Gütertrennung zwischen den Eheleuten ein, § 1388 BGB.  

Danach kann die Einholung von Rechtsberatung dahingehend sinnvoll sein, dass man prüfen lässt, wie sich die Zuwendung/Schenkung für den Fall der Scheidung und mithin Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich verhält.


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