Ist eine Kündigung wegen dem Austritt aus der katholischen Kirche gerechtfertigt?

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Die christlichen Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Die Religionsgemeinschaften haben eine besondere verfassungsrechtliche Stellung, aus dieser sich Unterschiede im individual- und auch kollektivarbeitsrechtlichen Bereich ergeben. Daraus folgt, dass die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiter nur eingeschränkt dem staatlichen Arbeitsrecht unterliegen. Die Religionsgemeinschaften haben ein Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht, dazu gehört auch die Personalauswahl. Diesbezüglich ergeben sich für privatrechtlich angestellte Arbeitnehmer regelmäßig Konflikte zwischen geschützten Rechtspositionen (wie Kündigungsschutz) und Verstößen gegen Loyalitätspflichten (zB. Kirchenaustritt, erneute Heirat nach Scheidung). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet  auch auf kirchliche Arbeitsverhältnisse Anwendung und kann so das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen einschränken. Religionsgemeinschaften dürfen Beschäftigte wegen ihrer Konfession nur dann ungleich behandeln, wenn dies durch die berufliche Tätigkeit gerechtfertigt ist. Eine Kündigung wegen dem Austritt aus der Kirche ist dann zulässig, wenn die Konfession bzw. Kirchenzugehörigkeit nach dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Nach dem EuGH ist eine Vorschrift der Kirchen unionswidrig, wenn die Konfession das einzige Differenzierungskriterium darstellt.

Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam 

Die Kündigung durch ein katholischen Krankenhaus von einem Arzt nach einer Widerheirat war nach dem Bundesarbeitsgericht unwirksam. Das Krankenhaus ist institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der Arzt hatte sich 2008 scheiden lassen und danach erneut geheiratet. In seinem Arbeitsvertrag hatte er sich verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten. Das Krankenhaus sah durch die Wiederheirat einen Verstoß gegen ihre Grundsätze. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Kündigung für unwirksam erklärt. Auf Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das BVerfG das Urteil des BAG aufgehoben (BVerfG, Beschl. vom 22.10.2014 - 2 BvR 661/12). Das BAG hat daraufhin den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Nach Auffassung des EuGH erscheint das Verbot der Wiederheirat nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Nationale Gerichte müssen allerdings überprüfen können, ob die Religion bei der konkreten Tätigkeit ein wesentliches Erfordernis sei. Im dritten Revisionsverfahren wies das BAG die Revision erneut zurück (BAG, Urteil vom 20.02. 2019, Az: 2 AZR 746/14).

Kündigung einer Hebamme wegen Kirchenaustritt 

Der Europäische Gerichtshof muss nun die Frage beantworten, ob ein katholisches Krankenhaus einer Arbeitnehmerin wegen dem Austritt aus der Kirche kündigen kann.

Die Klägerin ist als Hebamme tätig und war zu Beginn des Arbeitsverhältnisses Mitglied der katholischen Kirche, trat jedoch später aus der Kirche aus. Nachdem Gespräche scheiterten, sie wieder zum Eintritt zu bewegen, wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Das Krankenhaus beschäftigt jedoch auch Mitarbeiter, die ebenfalls konfessionslos sind. Das BAG (Beschl. v. 21.07.2022, Az. 2 AZR 130/21 (A)) hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen, damit dieser feststellt, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne des AGG vorliegt.


Kirchliche Dienstgeber haben damit sorgfältig abwägen, inwieweit die Konfession eine berufliche Anforderung für die Stelle darstellt.


Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


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