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Jobcenter darf Betriebskostenguthaben bei nur teilweiser Mietzahlung nicht anrechnen

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Gute Nachrichten für Hartz-IV-Empfänger: Wenn die Miete nicht voll, sondern nur anteilig vom Leistungsträger bezahlt wird, steht das Betriebskostenguthaben dem Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu. Das haben das Sozialgericht Chemnitz und das Sozialgericht Kiel entschieden (Sozialgericht Chemnitz  Urteil vom 11.04.2013  S 14 AS 4157/13; Sozialgericht Kiel Aktenzeichen: S 38 AS 588/10 ER).

Leistungen dürfen angespart werden

Leistungsempfänger können von der Möglichkeit Gebrauch machen, Leistungen anzusparen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld- oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. In stetiger Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht herausgearbeitet, dass Einkommen grundsätzlich all das ist, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (vgl. Urteil des BSG vom 24.02.2011, Az.: B 14 AS 45/09 R, Rn. 19 m.w.N.). Davon ausgehend handelt es sich bei der Erstattung zu viel geleisteter Nebenkosten zwar um Einkommen. Die Erstattungsforderung entsteht erst im Zeitpunkt der endgültigen Abrechnung nach Abschluss eines vertraglich festgelegten Zeitraums. Bis zu diesem Zeitpunkt handelt es sich bei den Vorauszahlungen hingegen um aufgrund des Mietvertrags geschuldete Leistungen, die durch die Zahlungen jeweils erfüllt wurden. Dementsprechend stellt das Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung im Zeitpunkt seines Zuflusses einen Wertzuwachs für den Leistungsempfänger dar.

Verhinderung von Zirkelschlüsseln

Einschränkend ist jedoch zu beachten, dass das Gesetz in § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II ausdrücklich vorsieht, dass Leistungen nach dem SGB II nicht als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen sind. In erster Linie verhindert diese Vorschrift, dass es bei der Ermittlung der nach dem SGB II zustehenden Leistungen zu einem Zirkelschluss kommt. Denn wenn als Leistungen alles das anzurechnen ist, was jemand wertmäßig während des Leistungsbezugs dazu erhält, müssten an sich auch die Leistungen nach dem SGB II als Einkommen berücksichtigt werden.

Darüber hinaus erfährt diese Vorschrift eine weitere Bedeutung im Zusammenspiel mit § 20 SGB II. Denn der Regelsatz wird im Bereich des SGB II als Pauschale gewährt. Dadurch wird der Leistungsempfänger in die Lage versetzt, die Regelleistung, die anhand eines Statistikmodells berechnet wurde, nach eigenem Bedarf und eigenen Prioritäten zu verwenden. Macht der Leistungsempfänger sodann von der damit eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die ihm zustehenden Mittel, auf welcher Art auch immer, anzusparen bzw. so zu verwenden, dass sie ihm zeitversetzt erneut zur Verfügung stehen, ist aus § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II auch der Schluss zu ziehen, dass auch diese zurückgelegten Leistungen in dem Zeitpunkt, in dem sie dann wieder zur Verfügung stehen, nicht als Einkommen anzurechnen sind. Insoweit schließen sich die Widerspruchsführer ausdrücklich den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 23.08.2011, Az.: B 14 AS 185/10 R, Rn. 13 ff., zitiert nach Juris, an. Jede andere Entscheidung würde die Möglichkeit, einen Teil der Regelleistung anzusparen, aushebeln und letztlich zum o. g. Zirkelschluss, wenn auch zeitversetzt, führen. Auch in Fällen, in denen ein Guthaben durch Nebenkostenvorauszahlung erzielt worden ist, die aus der Regelleistung bestritten wurden, ist von einer Anrechnung als Einkommen abzusehen.

Widerspruch einlegen oder Überprüfungsantrag stellen

Sofern das Jobcenter das Guthaben als Einkommen anrechnet, sollte dringend Widerspruch eingelegt werden. Die Widerspruchsfrist von einem Monat sollte beachtet werden. Sofern die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, kann noch ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt werden. Es empfiehlt sich, einen Anwalt für Sozialrecht einzuschalten.


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