Mobbing: Anspruch auf Schadensersatz?

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Einleitung

Viel zu häufig kommt es vor, dass sich Arbeitnehmer von Kollegen oder gar von ihren Vorgesetzten nachhaltig schikaniert und ausgegrenzt fühlen. Nach dem Mobbing-Report „Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland” der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind 2,7%, d.h. über 800.000 Arbeitnehmer von Mobbing betroffen. Im Längsschnitt, also bezogen auf die Dauer des gesamten Erwerbslebens, wird nach der genannten Befragung jeder neunte Arbeitnehmer mindestens einmal gemobbt.

Eines ist klar: Mobbing am Arbeitsplatz muss sich niemand gefallen lassen. Wer darunter leidet, strebt neben einer Unterlassung der entsprechenden Handlungen oft auch Schadensersatz in Geld an. Dieser Artikel gibt einen Überblick darüber, in welchen Konstellationen ein solcher Anspruch in Frage kommt. 

Wann spricht man von Mobbing am Arbeitsplatz? 

Mobbing ist nach Definition des Bundesarbeitsgerichtes das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren einer Person durch Kollegen und/oder Vorgesetzte. Entscheidend ist also, dass die Handlungen vorsätzlich begangen werden und aufeinander aufbauen, sodass einzelne Anfeindungen oder Beleidigungen grundsätzlich nicht genügen.

Insbesondere bezüglich Mobbings durch Vorgesetzte ist zu erlaubten arbeits- und dienstrechtlichen Maßnahmen abzugrenzen, wozu auch deutliche Kritik oder unerwünschte Weisungen zählen können.

Ob die soeben skizzierte, recht hohe Schwelle eines rechtlich relevanten Mobbings also überschritten ist, kann also nur anhand des jeweiligen Einzelfalls und anwaltlicher Beratung beurteilt werden.

Woraus und gegen wen kann dann ein Schadensersatzanspruch bestehen? 

Zu denken ist primär an einen vertraglichen Anspruch gegen den Arbeitgeber. Nach § 241 II BGB bestehen in einem Vertragsverhältnis nicht nur Leistungspflichten, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksicht-nahme zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und ihn keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass ein von Einschüchterungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekenn-zeichnetes Umfeld geschaffen wird (vgl. BAG, Urteil vom 15.09.2016 – 8 AZR 351/15, Rn.31).

Der Arbeitgeber haftet nach § 278 BGB dabei auch für solche Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen, sofern ein sachlicher Zusammenhang mit der Arbeitsausübung besteht.

Sofern eine solche vom Arbeitgeber zu vertretende Pflichtverletzung festgestellt wird, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatz aller daraus entstandenen, auch immateriellen Folgen.

Daneben kann ein Schadensersatzanspruch wegen Mobbings auch als deliktischer, außervertraglicher Anspruch aus § 823 I (gegen den „Mobber“ selbst) bzw. § 831 BGB (gegen den Arbeitgeber) in Betracht kommen. § 823 BGB verbietet eine widerrechtliche Verletzung der Gesundheit sowie des als „sonstiges Recht“ anerkennten Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (sog. APR). 

Ist eine Verletzung der Gesundheit bzw. des APR festgestellt, kann der Geschädigte neben materiellem Schadensersatz – in Mobbingfällen meist irrelevant – grundsätzlich auch Ersatz seines immateriellen Schadens als „Schmerzensgeld“ verlangen.

Letztlich kann sich ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber in besonderen Fällen aus § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergeben. Dieses verbietet Benachteiligungen wegen bestimmter persönlicher Merkmale wie ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter oder sexuelle Identität. Steht das Mobbing mit einem solchen Merkmal in Verbindung, hat der betroffene Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden.

Wie hoch kann ein Schmerzensgeld ausfallen? 

Betroffene Arbeitnehmer haben – möglicherweise geprägt durch Film und Fernsehen – teilweise unrealistische Vorstellungen bezüglich der Höhe eines etwaigen Schmerzensgeldanspruchs. Pauschale Aussagen sind hier besonders schwierig, da es maßgeblich auf die Dauer, Schwere und Nachweisbarkeit der Mobbinghandlungen ankommt.

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg aus dem Jahr 2012 erhielt ein (schwerbehinderter) Arbeitnehmer wegen Suggestion der Minderwertigkeit, Unterbeschäftigung sowie der Unterstellung von schlechten Arbeitsergebnissen und Versagung von berechtigten Ansprüchen wegen APR-Verletzung ein Schmerzensgeld von 7.000€. (ArbG Siegburg Urt. v. 11.10.2012 – 1 Ca 1310/12)

In einem bemerkenswerten Fall aus dem Jahr 2005, der vom Arbeitsgericht Eisenach entschieden wurde, wurden die mobbende Vorgesetzte und der nicht eingreifende Arbeitgeber gesamtschuldnerisch zu einer Schmerzensgeldzahlung von 17.500€ verurteilt. Dabei handelte es sich allerdings um einen besonders schweren Fall, in dem die betroffene Arbeitnehmerin ernsthafte psychische Schäden davontrug und zum Urteilszeitpunkt nicht abzusehen war, ob und wann sie wieder arbeitsfähig sein würde. (ArbG Eisenach Urt. v. 30.8.2005 – 3 Ca 1226/03).

Das Arbeitsgericht Leipzig sprach einem Oberarzt, welcher durch unbegründete Vorwürfe aus seinem Job gedrängt wurde, 2012 gar 53.000€ als immateriellen Schadensersatz zu. Dabei wurde insbesondere auch auf den beschädigten Ruf in der Fachwelt abgestellt. (ArbG Leipzig Urt. v. 3.4.2012 – 9 Ca 3854/11).

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei den aufgeführten Beispielen um außerordentlich schwere Fälle handelt und die Summe in den meisten Fällen deutlich niedriger liegen wird.

Welche weiteren Schritte kann ein betroffener Arbeitnehmer ergreifen?

Bei einer schikanösen Behandlung durch Arbeitgeber oder Vorgesetzte kann dem Arbeitnehmer unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 BGB zustehen. Ein solches Recht entsteht, wenn der Arbeitgeber eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllt, wozu auch die Verletzung der oben genannten Fürsorgepflicht gehört. Die Geltendmachung unterliegt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, sodass der Betroffene dem Arbeitgeber klar und unter Angabe der maßgeblichen Tatsachen mitteilen muss, dass und warum er dieses Recht wahrnimmt. Auf diese Weise wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und seine Fürsorgepflicht (wieder) zu erfüllen.

Bei einer berechtigten Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Zahlung des Lohns (sog. Annahmeverzug).

Außerdem kann Mobbing einen „wichtigen Grund“ (§ 626 I BGB) für eine außerordentliche Eigenkündigung des Arbeitnehmers darstellen. Auch diesbezüglich kommt es auf den Umfang und Intensität der Handlungen an. Bei einer berechtigten Eigenkündigung hat der betroffene Arbeitnehmer darüber hinaus keine Sperrzeit in Sachen Arbeitslosengeld zu befürchten.




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