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Neues Unterhaltsrecht: Was bringt die Reform?

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Das neue Unterhaltsrecht sollte eigentlich bereits am 1. April 2007 in Kraft treten. Doch dann kam dem Gesetzgeber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazwischen, wonach die unterschiedliche Unterhaltsdauer für eheliche und nicht eheliche Kinder verfassungswidrig ist (Beschluss vom 28.2.2007, Az.: 1 BvL 9/04). Am 9. November wurde nun das neue Unterhaltsrecht im Bundestag verabschiedet. Die anwalt.de Redaktion stellt die wichtigsten Änderungen vor und zeigt, wer die Gewinner und Verlierer der Gesetzesänderung sind. 

[image] Hintergrund der Reform 

Der Gesetzgeber passt das Unterhaltsrecht an die veränderten Lebensverhältnisse von Familien an. Inzwischen werden Familienstrukturen nicht nur über eine Ehe, sondern oft auch durch nicht eheliche Partnerschaften oder Lebenspartnerschaften geprägt. Aufgrund der zunehmenden Scheidungen kommt es darüber hinaus häufig vor, dass das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, wenn mehrere Kinder aus erster und zweiter Ehe vorhanden sind. Man spricht dann vom sogenannten "Mangelfall". Diese Missstände sollen mit dem neuen Unterhaltsrecht aufgefangen werden, das zum 1. Januar 2008 in Kraft tritt. 

 
Rangfolge: Kinder stehen an erster Stelle 

Bisher standen Kindes- und Ehegattenunterhalt im gleichen Rang. Im Mangelfall erfolgte damit eine prozentuale Kürzung sowohl des Kindes- als auch des Ehegattenunterhalts. Nun steht der erste Rang allein den Kindern zu, also minderjährigen Kinder und Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr, die sich noch in der Schulausbildung befinden und bei den Eltern leben. Damit hat der Kindesunterhalt Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen.

Der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder wird zukünftig nicht mehr über die Düsseldorfer Tabelle bestimmt, sondern gesetzlich definiert. Er richtet sich nach dem doppelten „Kinderfreibetrag“ des Einkommensteuergesetzes (§ 32 Absatz 6 EStG), derzeit 3.648 Euro jährlich. Gemäß dem neuen § 1612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erhalten Kinder monatlich von einem Zwölftel des jährlichen Kinderfreibetrages bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 87 Prozent, vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres 100 Prozent und ab dem 13. Lebensjahr 117 Prozent. Kindergeld, das die Eltern erhalten, wird jeweils zur Hälfte oder vollständig auf den Kindesunterhalt angerechnet, je nachdem wer das Kindergeld bezieht. Praktisch kann dies in einigen Fällen zu einer geringfügigen Senkung des bisherigen Kindesunterhalts führen. Andererseits ist im Mangelfall der Kindesunterhalt durch seine Erstrangigkeit besser abgesichert. 

Im zweiten Rang folgen diejenigen, die ein Kind betreuen und deshalb unterhaltsbedürftig sind. Sie stehen im Verhältnis gleichrangig nebeneinander, so dass unterhaltsrechtlich nicht mehr zwischen erster und zweiter Ehe differenziert und die unterschiedliche Behandlung von Geschiedenen und Ledigen weitgehend beseitigt wird: Nur Ehegatten, die mehr als 10 Jahre verheiratet waren, werden ebenfalls dem zweiten Rang zugeordnet. Geschiedene mit einer kürzeren Ehedauer, die keine Kinder betreuen, sind erst im dritten Rang zu finden. 

 
Besserstellung nicht ehelicher Betreuender

Eine wesentliche Verbesserung bringt die Gesetzesreform für Unverheiratete, die minderjährige Kinder betreuen. Bisher steht ihnen lediglich ein Betreuungsunterhalt für die ersten drei Lebensjahre des Kindes zu. Verheiratete können hingegen nach der Rechtsprechung bisher Unterhalt meist bis zum vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes beziehen, ehe sie wieder eine Erwerbstätigkeit ausüben müssen. Diese unterschiedliche Behandlung von ehelichen und nicht ehelichen Unterhaltsberechtigten wird mit zwei gesetzlichen Regelungen nun abgeschwächt: Bei nicht Verheirateten wird in Zukunft die Notwendigkeit der Betreuung des Kindes stärker gewichtet und im Gegenzug der nacheheliche Betreuungsunterhalt für Geschiedene in einigen Bereichen eingeschränkt.

 
Geschiedene haben das Nachsehen

Auch für Geschiedene richtet sich der Unterhalt zukünftig vorrangig danach, ob die Betreuung eines Kindes erforderlich ist oder ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Bisher sind Geschiedene, die ein Kind betreuen, bis zum 8. Lebensjahr des Kindes regelmäßig nicht verpflichtet eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Ein Teilzeiterwerb muss erst ab dem vollendeten 12. Lebensjahr und ein Vollzeiterwerb erst ab dem 15. bis 16. Lebensjahr des Kindes aufgenommen werden. Die Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht künftig bereits ab dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes und hierbei sind insbesondere Möglichkeiten zur Fremdbetreuung (Kindertagesstätten, Großeltern und auch der Ex-Ehepartner) miteinbezogen. Der geschiedene Ehegatte trägt die Beweislast, warum er trotz intensiver Bemühungen keine Erwerbstätigkeit findet. Bemüht er sich nicht genug, so kann zukünftig die Unterhaltspflicht des anderen entfallen. Zusätzlich wird eine Billigkeitsregelung verankert, die darauf abstellt, ob erhebliche Nachteile für das Kind in Hinblick auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestehen oder nicht und eine ausnahmsweise Verlängerung des Betreuungsunterhalts zulässt.

Darüber hinaus bemisst sich die Höhe des Scheidungsunterhalts nur nach dem angemessenen Lebensbedarf, der sich neuerdings am vorehelichen Lebensstandard orientiert. Die ehelichen Lebensverhältnisse bleiben damit vor allem bei kurzer Ehedauer zukünftig außer Betracht. Außerdem kann der Unterhalt zeitlich begrenzt und gekürzt werden. Die Gerichte müssen dies jeweils für den konkreten Einzelfall beurteilen.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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