Nötigung im Straßenverkehr – nicht jedes rücksichtslose Überholen & scharfe Ausbremsen ist strafbar

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1. Die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten noch wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen á 25,00 Euro verurteilt. Außerdem hat es ihm für die Dauer von zwei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Im Urteil hielt das Amtsgericht fest, dass der Angeklagte den Anzeigeerstatter rechts überholt hatte und sich mit seinem PKW vor ihn setzte, nachdem er sich über dessen langsame Fahrweise geärgert haben soll. Hierdurch war der Anzeigeerstatter gezwungen stark abzubremsen. Eine Vollbremsung war aber nicht erforderlich.

2. So urteilte das Kammergericht (KG)

Auf die Sprungrevision hat das KG im Beschluss vom 20.12.2016 (Az. (3) 161 Ss 211/16 (144/16)) das Urteil des Amtsgerichts wegen Nötigung im Straßenverkehr aufgehoben. 

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft hält das KG fest, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft aus dem Fahrverhalten des Angeklagten den Schluss gezogen hat, dass er durch sein Verhalten das starke Abbremsen des Anzeigeerstatters habe bezwecken wollen. Die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht ist nach dem KG dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweiswürdigung unklar oder lückenhaft ist. Die Beweiswürdigung, so das KG, muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen dürfen nicht etwa nur eine Annahme sein oder sich als bloße Vermutung erweisen. Das Urteil enthält keine nachvollziehbaren Feststellungen dazu, warum das Amtsgericht davon überzeugt ist, dass es dem Angeklagten beim Wiedereinscheren darum ging, den Anzeigeerstatter auszubremsen. Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß im Straßenverkehr, der ein Nötigungselement enthält, ist automatisch eine strafbare Nötigung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine strafbare Nötigung in der Gewaltalternative in Fällen zu bejahen sein kann, in denen der Täter sein Fahrzeug willkürlich scharf abbremst, um nachfolgende Kraftfahrer zu einer Vollbremsung zu zwingen. Hier sprach aber wohl nichts dafür, dass der Angeklagte eine Vollbremsung (oder ein starkes Abbremsen) des hinter ihm fahrenden Kraftfahrers bezweckte. Für eine Straftat der Nötigung hätte es dem Angeklagten gerade darum gehen müssen, die beabsichtigte Fortbewegung des ihm nachfolgenden Kraftfahrers durch tatsächlich nicht überwindbare Hindernisse zu unterbinden. Die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts ließen diesen Schluss aber nicht zu. Allein, dass der Angeklagte sich nach den Urteilsfeststellungen in völlig rücksichtsloser Weise zur Verfolgung seiner eigenen Interessen gleichgültig über die Belange des Anzeigeerstatters hinwegsetzte, macht sein Verhalten noch nicht zur Straftat. Da auf der rechten Fahrspur nach Schilderung des Anzeigeerstatters reger Fahrzeugverkehr geherrscht habe und es dem Angeklagten erkennbar darauf ankam, möglichst schnell auf der Straße voran zu kommen, ist es naheliegend, dass er hierzu möglichst zügig wieder auf die linke Spur wechselte. 

Den Straftatbestand der Nötigung erfüllen aber v. a. die Fälle, in denen ein Kraftfahrer dicht und bedrängend auf seinen Vordermann auffährt, seinen Hintermann – aus welchen Gründen auch immer – absichtlich „ausbremst“ oder vorsätzlich einen unerwünschten Verfolger „abdrängt“. Gemeinsamer Nenner dieser und ähnlicher Fälle ist, dass die Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer nicht die bloße Folge, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens ist. Der Erfolg – dass der andere den Weg freimacht, bremsen muss oder nicht überholen kann – ist für den Täter „das Ziel seines Handelns“. 

Auf den „bloß“ rücksichtslosen Überholer trifft das in aller Regel nicht zu. Sein Ziel ist, schnell voran zu kommen. Dass dies auf Kosten anderer geschieht, ist nur die in Kauf genommene Folge seiner Fahrweise. Ein Schuldspruch wegen Nötigung scheidet in einem solchen Falle aus.

Zu ergänzen ist allerdings, dass das KG nicht freigesprochen, sondern die Verurteilung des Angeklagten wegen falschen Überholens und zu einem Bußgeld hat bestehen lassen.

Da aber der vorwerfbare Sachverhalt auch ganz erheblich von den eigenen Angaben abhängen kann, empfiehlt es sich so schnell wie möglich einen spezialisierten Verteidiger zuzuziehen!

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Rechtsanwalt Werner Hamm

Fachanwalt für Strafrecht

Bogdahn & Partner mbB Rechtsanwälte


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