Rechtsfragen zur Hauptversammlung der IKB Deutsche Industriebank AG

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Auf der vergangenen Hauptversammlung der Industrie-Kreditbank Deutsche Industriebank AG vom 27. März 2008 wurden weder Vorstand noch Aufsichtsrat durch die Aktionäre der Gesellschaft entlastet. Die Entscheidung wurde vertagt. Der nachstehende Beitrag setzt sich auf Grundlage der öffentlich zugänglichen Informationen mit der Frage auseinander, ob dem Aufsichtsrat Entlastung zu erteilen ist.

Die Bestimmung des § 111 Abs. 1 Aktiengesetz lautet allgemein verständlich kurz und trocken:

“Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen“.

Ausführungen über die vorbeugende Überwachung durch den Aufsichtsrat, die aus der Berichtspflicht des Vorstandes über die künftige Geschäftspolitik, die Rentabilität, den Umsatz und die Lage der Gesellschaft und ähnlichem folgt, werden bewusst nicht gemacht. Geschäftsführung ist die in den §§ 71 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz definierte Tätigkeit des Vorstandes. Für die Sorgfaltspflicht des Vorstandes ist die Geschäftsführung die Verantwortungsgrundlage. Die Verantwortungsgrundlage des Vorstandes und die Überwachungs- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrates muss deshalb deckungsgleich sein. Neben dieser generellen Aussage kodifiziert § 111 Abs. 4 Satz 2 Aktiengesetz ausdrücklich die Zustimmung des Aufsichtsrates zu bestimmten Arten von Geschäften, die nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen.

Sollte die Satzung der Bank keine zustimmungspflichtigen Geschäfte enthalten, müssten derartige Zustimmungsvorbehalte durch den Aufsichtsrat selbst zu bestimmten Arten von Geschäften einen zusätzlichen Bestandteil des Überwachungsinstrumentariums des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs. 4 Aktiengesetz bilden. Die Lektüre des geänderten Geschäftsberichtes 2006/2007, Bericht des Aufsichtsrates führt auf Blatt 77 unter der Überschrift „Tätigkeit des Aufsichtsrates nach Eintritt der Krise der Bank „zu einem Aha-Erlebnis“. Dort heißt es:

„Mit Ausbruch der Krise hat der Aufsichtsrat seine Überwachungs- und Beratungstätigkeiten der existenzbedrohenden Situation der Bank angepasst“.

In dem nächsten Absatz auf Seite 78 „Tätigkeit der Ausschüsse des Aufsichtsrats nach Eintritt der Krise der Bank“ heißt es:

„Nach Bekanntwerden der Krise der Gesellschaft passten auch die Ausschüsse des Aufsichtsrats (Präsidium sowie Finanz- und Prüfungsausschuss) ihre Überwachungstätigkeit entsprechend an und berieten vermehrt."

Außer unter diesen beiden Punkten ist von der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats auch in dem geänderten Geschäftsbericht 2006/2007 nicht mehr die Rede. Ein Blick in den Geschäftsbericht Abschnitt Corporate Governance Blatt 75 erste Spalte letzter Absatz reicht aus:

„In dieser Sitzung berichtete der Vorstand erstmals gegenüber dem Aufsichtsrat über das Subprimerisiko der Gesellschaft. In der Aufsichtsratssitzung einen Monat zuvor am 27. Juni 2007 hatten Mitglieder des Aufsichtsrats nach einem etwaigen Engagement der IKB im Subprimebereich gefragt“.

Da fragt sich der geneigte Leser, warum Investments von mehr als 12 Milliarden € keine Geschäfte von grundlegender Bedeutung sind. Gleichgültig, ob es sich um Zweckgesellschaften für Finanzierungszwecke oder Risikotransfers handelt, drängt sich bei dem Volumen von 12 Milliarden Euro oder mehr der Verdacht auf, es könnte sich insgesamt um Geschäfte von grundlegender Bedeutung handeln, insbesondere im Hinblick auf die Risikoklasse und das potentielle Tilgungsvolumen der Bank. Es ist kaum vorstellbar, dass es zu Transaktionen dieser Größenordnung keine in der Satzung der Gesellschaft festgelegte Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates gegeben haben soll. Wenn das wirklich so war, liegt bereits in der nicht von dem Aufsichtsrat kreierten Zustimmungspflicht für derartige Geschäfte ein gravierender Überwachungsfehler.

Überwachung der Geschäftsführung beinhaltet eine aktive Tätigkeit des Aufsichtsrats durch Kontrolle der Geschäftsführungsaktivitäten des Vorstandes. Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats darf sich nicht auf die retrospektive Betrachtung der Geschäftsführungsaktivitäten des Vorstandes in der Vergangenheit beschränken. Überwachung im wohl verstandenen Sinne der Zustimmungsvorbehalte gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 Aktiengesetz hat präventiven Charakter. Das kommt insbesondere in § 90 Aktiengesetz zum Ausdruck, in dem die Berichtspflichten des Vorstandes an den Aufsichtsrat umrissen sind. Die in § 90 Aktiengesetz geregelten Berichtspflichten des Vorstandes sind deckungsgleich mit der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats. Die angeblich ahnungslosen Aufsichtsräte hätten sich bei den nach eigenen Angaben mindestens seit 2001/2002 betriebenen Geschäften dieser Art fragen und darüber beraten lassen müssen, aus welcher Art von Geschäften

1. die offensichtlich angestrebte Verbesserung der Erträgnisstruktur und

2. die wesentlich erhöhten Erträge in der Vergangenheit herrührten.

Gegenstand der Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat, die dem Organ und nicht dem einzelnen Mitglied obliegt, ist nicht nur die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung, sondern auch und vor allem deren wirtschaftliche Zweckmäßigkeit. Zur ordnungsgemäßen Überwachung des Vorstandes gehört auch die Prüfung, ob der Vorstand im Interesse der sozialen Symmetrie das tut, was von der Gesellschaft im wohl abgewogenen Verhältnis zu den Arbeitnehmern, den Interessen der Aktionäre und der wirtschaftlichen Beständigkeit der Gesellschaft erwartet werden kann.

Zu einer wohl verstandenen Überwachung gehört auch die Überprüfung der Vollständigkeit und Plausibilität der von dem Vorstand vorgelegten Berichte. Dass aus einer ordnungsgemäß überwachten Bank 12 Milliarden Euro so schwarz werden, dass sie offensichtlich bei Nacht und Nebel ungesehen verschwinden können, übersteigt leider das Vorstellungsvermögen der Mehrzahl aller billig und gerecht Denkenden. Deshalb liegen auch insoweit gravierende Überwachungsmängel des Aufsichtsrates vor. Von grundlegender Bedeutung ist weiter, dass die Überwachung dem Gesamtaufsichtsrat obliegt und weder einem anderen Organ, noch Dritten oder einem Aufsichtsratsausschuss übertragen werden kann.

Deshalb kann sich weder der Aufsichtsrat als Organ, noch seine Ausschüsse oder einzelne Mitglieder damit exkulpieren, den im Ergebnis leider falschen rechtlichen oder tatsächlichen Darlegungen eines für besonders kompetent gehaltenen Aufsichtsrats- oder Präsidiumsmitgliedes gefolgt zu sein. Maßgeblich für die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrates ist die Überwachungspflicht gemäß § 111 Abs. 1 Aktiengesetz: Also die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters. Bei schuldhafter Verletzung dieser Sorgfaltspflicht haftet jedes Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft gesamtschuldnerisch für den durch die Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Schaden. Legt man diesen gesetzlichen Sorgfaltsmaßstab an die Ausübung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates der Bank an, muss dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigert werden.

Offensichtlich greift der wahrscheinlich besser informierte Bundeswirtschaftsminister Glos zu kurz, wenn er konstatiert:

„Fest steht, dass sowohl bei der IKB als auch bei der KfW einige Vorstände ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt haben.“

Nein, auch der Aufsichtsrat der IKB hat seine Überwachungspflicht nicht erfüllt. Abschließend bleibt die Frage, warum der neue Vorstand und der Aufsichtsrat der Hauptversammlung nicht die Bestellung eines besonderen Vertreters gemäß § 147 Abs. 2 Aktiengesetz vorgeschlagen haben, der die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen dem früheren Vorstand und dem Aufsichtsrat geltend macht. Auch darin liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Aufsichtsrates. Mit der beantragten Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats sollen bekanntlich die Aktionäre die Verwaltung der Gesellschaft, soweit der Aufsichtsrat dafür zu-ständig ist, gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz billigen. Ausdrücklich ist in dem gleichen Absatz des § 120 Aktiengesetz in Satz 2 konstatiert, dass die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. Damit ist klargestellt, dass die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder keine rechtliche, sondern lediglich eine moralische Billigung der Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder darstellt. Aufgrund der vorstehend umrissenen Anzeichen für gravierende Verletzungen der Überwachungspflichten durch den Aufsichtsrat ist es unmöglich, auch nur eine moralische Billigung dieser mit großer Wahrscheinlichkeit gravierenden Fehlleistungen auszusprechen.

Dem Aufsichtsrat ist die Entlastung zu verweigern.

02. April 2008

Rechtsanwalt Dr. Simon
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