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Transportgewerbe: Aushilfsfahrer ohne eigenes Fahrzeug – Vorsicht vor Scheinselbstständigkeit

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Im Transportgewerbe ist es üblich, z. B. zum Ausgleich von Auftragsspitzen oder in der Urlaubszeit selbstständige Aushilfsfahrer als Subunternehmer einzusetzen. Nutzen diese kein eigenes, sondern nur Fahrzeuge des Auftraggebers, besteht Verdacht auf Scheinselbstständigkeit.

Gefahr droht aus zwei Richtungen: Zum einen nehmen die Zollbehörden (Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS) verstärkt Kontrollen vor. Sie erhalten ihre Informationen mitunter nur zufällig, z. B durch Ermittlungsergebnisse aus anderen Verfahren, in denen Fahrer als Zeugen darüber aussagen, bei welchen sonstigen Transportfirmen oder Speditionen sie als selbstständige Fahrer eingesetzt werden. Diese Aussagen führen nicht selten zu neuen Ermittlungsverfahren gegen diese Firmen. Darüber hinaus nehmen die Zollbehörden auch routinemäßig Ermittlungen vor. Bei diesen Ermittlungen dürfen die Beamten auch ohne richterlichen Beschluss Grundstücke und Geschäftsräume betreten und Geschäftsunterlagen einsehen. Es handelt sich um strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB). Sie führen oftmals zu einer Anklage wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.

Zum anderen werfen auch die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung verstärkt einen Blick in die Finanzbuchhaltung, greifen insbesondere die Berufsgruppe der selbstständigen Aushilfsfahrer auf und bewerten die Tätigkeit als Scheinselbstständigkeit mit der Folge hoher Beitragsnachforderungen.

Die Sozialversicherungsrechtliche Klärung obliegt den Sozialgerichten. Diese prüfen grundsätzlich den jeweiligen Einzelfall anhand einer Reihe von Kriterien und stellen nach einer Gesamtwürdigung des Falles fest, ob die Tätigkeit als echte Selbstständigkeit oder als abhängige Beschäftigung anzusehen ist.

In diesem Zusammenhang ist auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts hinzuweisen, worin festgestellt wurde, dass ein Fahrer, der kein eigenes Fahrzeug nutzt, sondern seine Tätigkeit ausschließlich mit Fahrzeugen seines Auftraggebers ausübt, scheinselbstständig, d.h. abhängig beschäftigt, ist.

Bayerisches Landessozialgericht 09.05.2012 - L 5 R 23/12:https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/export.php?modul=esgb&id=152527&exportformat=HTM

Zur Begründung wird u.a. folgendes ausgeführt (Soweit im folgenden Text die Bezeichnungen Kläger und Beigeladener verwendet werden, stehen diese für den Auftraggeber bzw. den Fahrer):

„a)In Würdigung der dokumentierten Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechen folgende gewichtige Tatsachen für eine abhängige Beschäftigung:

  • Der Kläger hat dem Beigeladenen zu 1) für die insgesamt vier durchgeführten Fahrten das wesentliche Arbeitsmittel gestellt, nämlich den auf das Unternehmen des Klägers zugelassenen und für dieses versicherten Lkw,
  • Der Kläger hat die für den Betrieb dieses wesentlichen Arbeitsmittels notwendigen Betriebsstoffe wie Kraftstoff, Schmiermittel allein getragen,
  • der Kläger hat die Kosten von Unterhalt und Wartung des LKW allein übernommen.
  • der Beigeladene zu 1) ist in allen vier Fällen Routen gefahren, die der Kläger ihm nach Kundenaufträge des Klägers vorgegeben hatte,
  • die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1), also die Ausführung der Fahrten, hat sich von der Tätigkeit der angestellten Fahrer des Klägers nicht wesentlich unterschieden und
  • der Beigeladene zu 1) ist nach Außen ebenso wenig als Selbstständiger aufgetreten, wie die Fahrer des Klägers.

Zwar hat der Kläger ursprünglich geltend gemacht, dass die Lkw-Nutzungskosten in die Vergütung für die Fahrten mit einkalkuliert gewesen sei. Hierfür lassen sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte finden, es ist nicht nachvollziehbar, ob oder in welchem Umfange Anschaffungs- und Betriebsausgaben des Klägers auf den Beigeladenen zu 1) im Verhältnis zu den ihm zuzuschreibenden Laufleistungen in irgendeiner rechnerischen Form einbezogen worden wären. Darüber hinaus hat der Beigeladene zu 1) im Ermittlungsverfahren glaubhaft angegeben, dass sich seine Vergütung an dem Lohn orientiert hatte, die die angestellten Fahrer des Klägers für entsprechende Fernfahrten erhalten hätten. 

b)Demgegenüber sind im Falle der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zwar auch Elemente zu erkennen, die für eine Selbstständigkeit der Fahrertätigkeit sprechen, wie der Kläger in der Berufung zu Recht geltend macht. Dies sind

  • das nicht vollständige in Anspruch nehmen der Arbeitskraft des Klägers, das nur fallweise Tätigwerden,
  • die - wenn auch in geringem Maße - andere Vergütung als die der angestellten Fahrer,
  • die Haftung für unrechtmäßiges Verhalten sowie
  • das Fehlen der Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und im Krankheitsfalle und die Anmeldung eines eigenen Transportgewerbe und die Zulassung als Transportunternehmer.

Diese Gesichtspunkte treten jedoch in Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung hinter den erstgenannten Merkmalen der abhängigen Beschäftigung zurück."

Diese Auffassung scheint sich unter den Versicherungsträgern, Sozialgerichten und auch Staatsanwaltschaften durchzusetzen. Staatsanwaltschaften argumentieren z. B. unter Hinweis auf dieses Urteil, dass die Rechtslage geklärt sei, was auch den Auftraggebern bekannt sein müsse. Das wiederum hat zur Folge, dass in strafrechtlicher Hinsicht Vorsatz angenommen wird.

Die Risiken sind also beträchtlich. Auftraggebern, die mit selbstständigen Aushilfsfahrern arbeiten, ist deshalb dringend anzuraten, eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Subunternehmer vornehmen zu lassen, um der Gefahr von Beitragsnachforderungen rechtzeitig zu begegnen bzw. dem Risiko eines Strafverfahrens aus dem Weg zu gehen.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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