VsW-Verbotsprozess gegen Badetörtchen scheitert nach vier Jahren vor dem OLG München

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Rein optisch kann man sie auf den ersten Blick tatsächlich mit Leckereien aus der Konditorei verwechseln: Die attraktiven Badetörtchen unserer Mandantin, die aus Bayern erfolgreich eigene Luxuskosmetika in die ganze Welt vertreibt. 
Dies gefiel dem Abmahnverein "Verein sozialer Wettbewerb (VsW)" in Berlin nicht und er versuchte, ein wettbewerbsrechtliches Verbot der Kosmetika vor den Gerichten in München durchzusetzen. Der Verein wurde zuletzt durch seine Klagen gegen mehrere Influencerinnen bekannt. 

Aber schon durch das deutlich höhere Gewicht und spätestens beim Reinbeißen wird eine Verwechslung sofort klar: Denn die Badetörtchen sind hart wie Seife und riechen auch anwendungstypisch deutlich nach Parfum. Die besonderen Produkte bestehen nur aus Zutaten zur Hautpflege, die aus Bio-Pflanzenstoffen gewonnen werden. Darunter ist beispielsweise das in Kosmetika beliebte Kokosöl, sowie auch sonst nur Zutaten, die auch für Bio-Lebensmittel zugelassen wären. Darunter sind auch die für Aussehen und Aroma zuständigen Farb- und Geschmacksstoffe. Jegliche Seifenstoffe (Tenside) fehlen aber in den innovativen Pflegeprodukten. Damit wären die Badetörtchen einschließlich der Gewürzdekoration sogar essbar. Denn auch das Lösungsmittel, das für die Verteilung der Pflegestoffe im Badewasser sorgt, ist nichts anderes als der Grundstoff für prickelndes Brausepulver (Natriumbicarbonat) mit Zitronensäure. Jedes Kind kennt diese Inhaltsstoffe von den sauren Spaßlebensmitteln. Im Übrigen ist das NaHCO3 auch als Wirkbestandteil von Backpulver oder als traditionsreiche Verdauungshilfe bei Magenübersäuerung bekannt.

Der Abmahnverein VsW  sah dennoch gerade in den fortschrittlich hergestellten Bio-Produkten eine Gefahr für Kinder oder empfindungsgestörte Personen, die den Warnhinweis auf der Verpackung nicht lesen können. Grund sei die optische Verwechselbarkeit, Erstickungsgefahr durch Verschlucken sowie Vergiftungsgefahr, die Perforation oder der Verschluss des Verdauungskanals. 

Auch die Vorsitzende Richterin am Landgericht München I schien in der Gerichtsverhandlung schon an den "verführerischen" Badetörtchen erstickende Kinder zu sehen. In der Begründung führt das Gericht aus, alleine eine entstehender Schaum könne verschluckt werden, "insbesondere auch in die Luftröhre". Das Schäumen der Produkte könne zu "unangenehmen Husten- und Spuckreflexen" führen. Die vom Gesetz vorausgesetzte Gefährdung ließ sich aus dieser Begründung allerdings nicht herleiten. Es stufte den Badezusatz aus dieser rein persönlichen Wahrnehmung als gefährlich ein, obwohl es wegen der Größe auch offensichtlich nicht möglich ist, die Törtchen komplett zu verschlucken.

Die Vorgabe im Gesetz

Tatsächlich untersagt es § 5 Absatz 2 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, mit Lebensmitteln (irreführend) verwechselbare Produkte für andere herzustellen, zu behandeln oder in Verkehr zu bringen. Allerdings ist dies im Zusammenhang mit der grundlegenden Definition in § 3 Absatz 1 Nr. 5 des Gesetzes zu verstehen, wo "verwechselbar" wie folgt einschränkend definiert wird: "Produkte, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Endverbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, wodurch insbesondere die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann; .."

Die Definition folgt damit den Erwägungsgründen Ziffer 10 der EU-Kosmetikverordnung (VO EG 1223 / 2009).  Damit wurde die deutsche Regelung an den europäischen Rechtsvorgabe angepasst.

Oberlandesgericht München erkennt Bedarf einer Expertenmeinung

Auf unsere Berufung veranlasste der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München eine Begutachtung durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Entgegen den Auffassungen des Landgerichts stufte die Behörde die Produkte nach eingehender Untersuchung schon im Jahr 2019 als sowohl ungefährlich wie unbedenklich ein.

Auch die wissenschaftlich kompetente Fachbehörde erkannte den Kosmetikgeruch und vermerkte auch als entscheidend, dass die Produkte nicht die für Badezusätze typischen Seifen, also Tenside enthalten, die gegebenenfalls gesundheitliche Störungen im Verdauungssystem verursachen könnten.

Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bestätigt keinen der Angriffspunkte des Abmahnvereins

Bei den Anwendungsversuchen stellte das Labor dann fest, dass sich die Badetörtchen selbst in destilliertem Wasser mit 37 Grad kaum auflöst und insbesondere auch fast keine Blasen bildet. Anders als bei dem in Brausepulver hoch konzentrierten Bicarbonat bewirkt die Mischung mit den fettigen Substanzen, dass sich der Badezusatz nur sehr langsam auflöst. Sie schäumen daher anders als das Lebensmittel auch überhaupt nicht.

Wenn es tatsächlich gelingt, Teile des harten Materials, evtl. der exponierten Dekoration abzubeißen, wäre auch dies unschädlich, wie die Gutachter bestätigten. Denn auch die Dekorationsobjekte der Badetörtchen sind wie der gesamte Wirkstoffkörper tatsächlich lebensmitteltypische und -geeignete Verzierungen.

Damit erwiesen sich alle der behaupteten Gesundheitsgefahren nach Prüfung der Experten als unbegründet.

Sternanis als neuer Angriffspunkt
– auf Backwaren zulässig und auf Badezusatz gefährlich?

Doch der Abmahnverein VsW wollte sich damit nicht geschlagen geben. Zur neuen Zielrichtung als angebliches Verletzungsrisiko erklärte er jetzt eine Dekoration aus Sternanis, wie sie gerade in der Weihnachtszeit wegen der dekorativen sternartigen Form besonders gerne für Plätzchen und Kuchen verwendet wird. Das getrocknete und im Ganzen verwendete Gewürz, das sich auf wenigen der Badepralinen befand, solle nach Behauptung des Abmahnvereins hart sein und erneut vor allem bei Verschlucken durch wahrnehmungsgestörte Personen eine Gefahr darstellen.

Also musste das BayLGL ein weiteres Gutachten zu dem Gewürz erstellen. Doch auch hier konnten die Experten in dem kaum stabilen, allgemeingebräuchlichen Gewürzsternen keine Gefahr erkennen. Alles andere hätte auch das Ende dieser beliebten Gewürzdekorationen auf Lebensmitteln bedeuten können.

Die Verfahrensdaten: OLG München - 29 U 470 / 18 - Vorinstanz LG München I - 1 HK O 11164/17

Über das Verfahren berichteten auch die Süddeutsche Zeitung und der Bayerische Rundfunk ausführlich. 

Foto(s): Dr. Juchheim GmbH - https://www.juchheim-methode.de - Sternanis Brian Arthur https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Illicium_verum_2006-10-17.jpg released under the GNU Free Documentation License. All remaining rights reserved. Das ist eine Belgfrucht.


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