€ 700.000.- Schmerzensgeld für erhebliche Behinderungen nach groben Behandlungsfehlern

  • 2 Minuten Lesezeit

Über die angemessene Höhe eines Schmerzensgeldes kann man lange streiten und viel diskutieren. Während in anderen Ländern, wie bspw. den USA, das Schmerzensgeld eine vollständige Kompensation für den erlittenen Schaden darstellt und dementsprechend hohe Beträge, teilweise von mehreren Millionen, zugesprochen werden, soll die Zahlung in Deutschland dem Verletzten nur eine Linderung verschaffen, die es leichter macht, das Leid zu ertragen. 

Dennoch tendieren die Gerichte in den letzten Jahren dazu bei schweren Schäden ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen als dies bislang der Fall war. 

So hat das Landgericht Aachen in seinem Urteil vom 30.11.2011 (Az. 11 O 478/09) einem 2 ½ Jahre alten Jungen nach fehlerhafter ärztlicher Behandlung ein Schmerzensgeld von € 700.000.- zuerkannt. 

Das Gericht stellte fest, dass den Ärzten im Krankenhaus mehrere, zum Teil grobe, Behandlungsfehler unterlaufen waren. 

Das Kind wurde mit Durchfall, Erbrechen und Fieber in das Krankenhaus eingeliefert und dort zunächst nur unzureichend untersucht. Bereits die Anamnese, also die Aufnahme der Gesundheitsdaten und der Vorgeschichte, erfolgte nur unvollständig. Dem Umstand, dass das Kind noch vor Kurzem in der Türkei gelebt hatte und dort ein höheres Tuberkuloserisiko besteht, wurde keine Beachtung geschenkt und die Eltern auch nicht nach Infektionen im Verwandtenkreis befragt. Aufgrund dieser Fehler wurde das Bestehen der Tuberkulose erst nach 5 Tagen festgestellt. Aber auch danach leiteten die Ärzte des Krankenhauses nicht sofort eine entsprechende Therapie ein. Dies bezeichnete der vom Gericht bestellte Sachverständige als eindeutigen Verstoß gegen den Facharztstandard und einen Behandlungsfehler, der objektiv nicht mehr nachvollziehbar sei und einem Arzt nicht unterlaufen dürfe. In der juristischen Wertung liegt damit ein sogenannter grober Behandlungsfehler vor, der zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führt. 

Im Ergebnis wurde mit der richtigen Therapie erst begonnen, als der Junge bereits die Phase III der Erkrankung erreicht hatte. In diesem Stadium ist eine Heilung jedoch nicht mehr möglich. Bei rechtzeitiger Diagnose und einem sofortigen Therapiebeginn hätten sich die Heilungschancen als gut dargestellt und zumindest den Eintritt der heute vorhandenen schweren geistigen und körperlichen Schäden verhindert.  

Der Trend der Rechtsprechung zu höheren Schmerzensgeldbeträgen bei schweren Schäden ist zu begrüßen und absolut gerechtfertigt. 

Haben Sie Fragen zu einem Rechtsfall aus dem Arzt- und Medizinrecht? Dann rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Das Thema ist so komplex, dass ein erfolgreiches Vorgehen in der Regel nur durch Einschaltung eines spezialisierten Rechtsanwaltes, also eines Fachanwalts für Medizinrecht, möglich ist. 

Eine erste Einschätzung zu den Erfolgsaussichten Ihres Falles und den zu erwartenden Kosten ist bei uns kostenfrei. 

Jost Nüsslein

Fachanwalt für Medizinrecht 



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Jost Peter Nüßlein

Beiträge zum Thema