Abmahnung erhalten? Tipps für die Verhandlungen mit der Gegenseite: Der Ton macht die Musik

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Wenn sich unter den Posteingängen eine Abmahnung befindet, kochen die Emotionen schon mal hoch. Das ist zwar einerseits nachvollziehbar, insbesondere wenn mit dem Abmahnschreiben direkt eine Zahlung von mehreren hundert und manchmal sogar mehreren tausend Euro gefordert wird. Andererseits ist Ärger ein wirklich schlechter Ratgeber, wenn es um die Reaktion auf die Abmahnung geht. In dem folgenden Beitrag gehe ich auf typische Fehler ein und gebe konkrete Tipps für den Fall, dass über eine Einigung verhandelt werden soll.

Das Wichtigste: Erst denken, dann handeln!

Ein Fall aus meiner anwaltlichen Praxis, der tatsächlich so passiert ist: Ein Mandant übersandte mir eine Abmahnung mit der Bemerkung, dass er bereits eine Antwort an den Gegner versandt habe und hierbei wohl etwas zu emotional gewesen sei. Das war gelinde gesagt etwas untertrieben. Das Schreiben begann mit einer Beleidigung in der Anrede des Geschäftsführers der Gegenseite. Es folgte die mit deftigen Formulierungen garnierte Aufforderung, die Abmahnung zurückzunehmen, verbunden mit der Androhung von Gegenmaßnahmen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Antwort von der Gegenseite aufgenommen worden ist. Um es kurz zu machen: Der Gegenseite war natürlich klar, dass es sich bei der Antwort um eine Kurzschluss-Reaktion handelte. Trotzdem brauchte es dann einigen Aufwand, um die Gemüter wieder zu beruhigen und die Angelegenheit zu klären.

Mein Tipp: Klären Sie zuerst laufende Fristen. Nur in ganz seltenen Fällen werden so kurze Fristen gesetzt, dass eine sofortige Reaktion erforderlich ist. Nutzen Sie die verfügbare Zeit, um sich über Ihre Reaktionsmöglichkeiten zu informieren.

Macht nie Sinn: die Gegenseite herabwürdigen

Ein alter Verhandlungsgrundsatz lautet: Unterscheide zwischen dem Menschen und dem Problem. Mit anderen Worten: Was die Beziehung zum Verhandlungspartner beeinträchtigt, erschwert die Verhandlungen. Hier ein paar Beispiele aus Fällen, in denen ich Mandanten überzeugen konnte, die ursprünglich beabsichtigten Antworten zu ändern:

In einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung erschien der Abmahner dem Mandanten als „kleinkariert“. Kann man so sehen. In der Antwort auf die Abmahnung verwiesen wird dann jedoch lieber darauf, dass der Vorwurf sich auf einen Fehler bezog, der bei realistischer Betrachtungsweise wahrscheinlich allenfalls marginale Auswirkungen auf den Wettbewerb hätte haben können.

In einer markenrechtlichen Auseinandersetzung ging es nach Auffassung des Mandanten einmal um eine absolute Schrottmarke, die außer dem Inhaber wahrscheinlich kein Mensch kennt. Das mochte durchaus so sein. Gleichwohl äußerten wir in der Antwort auf die Abmahnung dann doch lieber Zweifel an dem behaupteten Bekanntheitsgrad der Marke.

In einer geschmacksmusterrechtlichen Auseinandersetzung war der Mandant überzeugt, dass das 08/15-Design des Produktes der Gegenseite potthässlich sei. Nun lässt sich über Geschmack bekanntermaßen vortrefflich streiten. Dem Mandanten ging es allerdings um eine einvernehmliche Beilegung der Angelegenheit, also verzichteten wir auf eine Erörterung der Qualität des gegnerischen Designs.

Wer gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten oder gegen die Verletzung seiner Marken/Designs/Patente vorgeht, sieht sich üblicherweise im Recht. Ist der erhobene Vorwurf in der Sache selbst berechtigt und beabsichtigen Sie als Abgemahnter daher eine außergerichtliche Beilegung der Angelegenheit, dann sollten Sie unbedingt darauf achten, dass Ihre Antwort auf die Abmahnung den Weg zu einer Einigung nicht unnötig erschwert.

Mein Tipp: Wenn Sie mit der Gegenseite über eine Lösung verhandeln wollen, dann sollten Sie die Gegenseite ernst nehmen. Nach meiner Erfahrung macht es durchaus Sinn, dies auch explizit deutlich zu machen, um eine Grundlage für die anschließenden Verhandlungen zu schaffen.

Wichtig: das Interesse der Gegenseite ernst nehmen

Wie auch immer Sie das Interesse der Gegenseite bewerten: Wenn es der Gegenseite wichtig genug ist, um einen Streit zu beginnen, dann sollten Sie es ernst nehmen. Dies gilt insbesondere bei der Beantwortung einer Abmahnung. Besteht aufgrund des Vorwurfs eines rechtswidrigen Handelns ohnehin schon Misstrauen, wird häufig jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Ich kenne einen Fall, in dem die Gegenseite den Eindruck hatte, dass ihr Interesse an der Unterlassung eines rechtswidrigen Verhaltens schlichtweg nicht verstanden wurde. Der Grund hierfür lag darin, dass die Mandantschaft das Interesse der Gegenseite im Rahmen der vorangegangenen Korrespondenz bagatellisiert hatte. In diesem Fall bestand die Aufgabe zunächst darin, der Gegenseite zu verdeutlichen, dass das Problem als solches erkannt worden ist und dass das Interesse der Gegenseite nunmehr tatsächlich ernst genommen wird. Auf dieser Grundlage konnte dann über eine Einigung verhandelt werden.

Wichtig: Forderungen werden häufig mit den dahinterliegenden Interessen verwechselt. Deshalb macht es oftmals Sinn, sich Gedanken darüber zu machen, welche Interessen der Gegenseite mit den erhobenen Forderungen eigentlich verfolgt. Mitunter kann man aus den Äußerungen der Gegenseite Rückschlüsse auf die mutmaßlichen Interessen der Gegenseite ziehen. Wer das berücksichtigt, kann wesentlich flexibler verhandeln: Eine Forderung ist üblicherweise auf ein bestimmtes Handeln gerichtet. Das dahinterliegende Interesse kann dagegen möglicherweise auf unterschiedliche Arten erfüllt werden.

Mein Tipp: Wenn Sie mit der Gegenseite über eine Lösung verhandeln wollen, dann sollten Sie sich Gedanken darüber machen, welches Interesse die Gegenseite mit den erhobenen Forderungen verfolgt. Nach meiner Erfahrung ist es mitunter hilfreich, sich in Verhandlungen von den konkreten Forderungen zu lösen und zunächst die dahinterliegenden Interessen zu klären.

Die Verhandlungsstrategie hängt vom Verhandlungsziel ab

Die grundlegende Frage lautet: Was möchte ich erreichen bzw. was möchte ich vermeiden?  Natürlich kommt es auch bei Abmahnungen vor, dass vollkommen unberechtigte Forderungen aufgestellt werden. Dann kann es durchaus Sinn machen, die Forderungen von vornherein zurückzuweisen. In den meisten Fällen ist nach meiner Erfahrung jedoch eine realistische Beurteilung der unterschiedlichen Szenarien erforderlich, um unnötige wirtschaftliche Risiken zu vermeiden. Und dann gibt es selbstverständlich auch Fälle, in denen es schlichtweg nur noch um Schadensbegrenzung geht.

Manchmal macht es Sinn, eine Frage aus grundsätzlichen Erwägungen zu klären und hierfür auch die Kostenrisiken eines entsprechenden Rechtsstreits übernehmen. Manchmal ist die Klärung derselben Frage vollkommen unerheblich für die eigene Tätigkeit, weshalb die Durchführung eines teuren Rechtsstreits überhaupt keinen Sinn macht. Die „richtige“ Entscheidung zum weiteren Vorgehen in einem Abmahnverfahren hängt also von verschiedenen Faktoren ab.

Mein Tipp: Spielen Sie die verschiedenen Szenarien des weiteren Vorgehens gedanklich durch und werden Sie sich klar darüber, was Sie erreichen möchten bzw. was Sie vermeiden möchten. Dann können Sie entscheiden, ob Sie überhaupt verhandeln wollen und falls ja, mit welcher Verhandlungsstrategie. Sofern Sie verhandeln wollen, gibt die Verhandlungsstrategie sodann auch die Tonart für die Kommunikation mit der Gegenseite vor. Sie erinnern sich: Der Ton macht die Musik.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Abgemahnte und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Weitere Informationen zu meiner Tätigkeit können Sie meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  

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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht



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