Änderung der Verfahrensregeln beim EGMR - Verkürzung der Frist zur Einreichung einer Individualbeschwerde auf 4 Monate
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Eine einschneidende Änderung wird ab Februar 2022 für die Einreichung von Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg eintreten. Das Zusatzprotokoll Nr. 15 zur Änderung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verkürzt nunmehr über dessen Art. 4 die Frist für die Einreichung einer Beschwerde beim Gerichtshof nach Art. 35 Abs. 1 EMRK von bisher 6 auf nunmehr 4 Monate nach der endgültigen nationalen Entscheidung im Rahmen der Ausschöpfung der innerstaatlicher Rechtsbehelfe.
Diese neue 4-Monatsfrist gilt ab 1. Februar 2022. Sie wird jedoch nur für Anträge gelten, bei denen die betreffende endgültige innerstaatliche Entscheidung am oder nach dem 1. Februar 2022 getroffen wurde.
Die Änderung der Frist wurde von den 47 Mitgliedstaaten des Europarats bereits 2013 auf den Weg gebracht und nun umgesetzt.
Zulässigkeitsvoraussetzung ist nach Art. 35 EMRK weiterhin, dass der sog. innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft ist, es also keine weiteren Rechtsmittel und Rechtsbehelfe in der Sache auf nationaler Ebene gab.
In der Sache Burmazovic ./. Türkei, Beschwerde Nr. 13178/18, wurde genau mit dem Argument eine Beschwerde in einer Kindesentführungsangelegenheit am 20.09.2020 durch den EGMR als unzulässig verworfen, da die Beschwerdeführerin in der Türkei keine Individualverfassungsbeschwerde eingelegt hatte, diese aber ein weiteres zulässiges und nach der EMRK somit notwendiges innerstaatliches Rechtsmittel gewesen wäre.
Die Argumente der beschwerdeführenden serbischen Mutter der durch deren türkischen Vater entführten Kinder, dass sie kein Türkisch sprechen wurde und eine Individualverfassungsbeschwerde für aussichtslos hielt, ließ der Gerichtshof in Strasbourg nicht gelten.
Somit hat die türkische Regierung erfolgreich Einspruch gegen die Zulässigkeit der Beschwerde erhoben, weil der nationale Rechtsweg in der Türkei nicht ausgeschöpft worden ist. Gemäß EGMR ist der durch die Konvention geschaffene Schutzmechanismus nämlich den nationalen Systemen zur Gewährleistung der Menschenrechte untergeordnet.
Wenn Sie hinsichtlich der Einlegung einer Beschwerde zum EGMR eine Beratung wünschen, kontaktieren Sie uns gern.
Wir haben bereits erfolgreich eine Beschwerde geführt: RINAU v. LITHUANIA (Application no. 10926/09), durch welche den Beschwerdeführern gemäß Art. 41 EMRK 30.000 Euro als Gesamtbetrag für den immateriellen Schaden (Schmerzensgeld) zugesprochen wurden. In Anbetracht der besonderen Komplexität der Rechtssache, die eine Reihe von auf internationales Privatrecht, EU-Recht sowie litauisches Zivil- und Strafrecht spezialisierten Anwälten erforderte, die den Beschwerdeführer vor den litauischen Zivilgerichten und dem EuGH vertraten bzw. ihn anschließend vor den Strafgerichten verteidigten, sprach das Gericht den Beschwerdeführern außerdem auf unseren Antrag hin 92230 Euro für Kosten und Auslagen zu.
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