Aussageverhalten von Beschuldigten und Zeugen - woran erkennt man die Wahrheit?

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Nirgendwo wird angeblich so oft gelogen, wie vor deutschen Gerichten. Da sich niemand selbst belasten muss, dürfen Beschuldigte einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit jedoch unwahre Angaben vor den Strafverfolgungsbehörden treffen. Zeugen sind dagegen grundsätzlich zur Wahrheit verpflichtet. Eine falsche Zeugenaussage kann mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahren bestraft werden.

Soweit sich der Zeuge durch eine Beantwortung bestimmter Fragen der Gefahr aussetzt, sich selbst zu belasten, kann er die Auskunft auf solche Fragen gemäß § 55 StPO verweigern.

Gibt es Zeichen, aus welchen sich ersehen lässt, dass die Aussage nicht der Wahrheit entspricht?

Jeder Mensch hat grundsätzlich eine bestimmte Gestik und Mimik, die auf unwahre Aussagen schließen lässt. Über diese „Körpersprache“ gibt es zahlreiche Abhandlungen, deren Darstellung hier aus Platzgründen nicht erfolgen kann.

Gibt es bestimmte Formulierungen, die auf eine Lüge schließen lassen?

Ermittler bedienen sich etwa seit dem Jahr 2000 der Fallanalyse. Anhand von Zeugenaussagen, aber auch durch das Studium von Vernehmungsprotokollen, werden bestimmte Fallversionen ermittelt.

Soweit sich ein Täter an bestimmte Details, wie z. B. bestimmte Kleidungsstücke nicht erinnert, jedoch ein Kleidungsstück als sicher erkannt zu haben glaubt, ist Vorsicht geboten. Häufig lassen Ermittler, Richter oder Staatsanwälte den Vernehmenden erst einmal lügen, damit dieser sich nicht vor einer weiteren Befragung verschließt. Oft legt der Täter bestimmte Details auch in der Hoffnung offen, dass auf diese Weise keine Nachfragen erfolgen.

Kann aus dem Schweigen ein negativer Schluss gezogen werden?

Grundsätzlich darf dem Beschuldigten sein Schweigen nicht zum Nachteil gereichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.10.2012 – Az.: 1 StR 213/10), sind negative Schlüsse aber zulässig, wenn der Angeklagte sich nach Belehrung zum Tatgeschehen geäußert hat:

„Bei der gebotenen Gesamtwürdigung wäre das Landgericht überdies nicht gehindert gewesen, aus dem Umstand, dass der Angeklagte die Rechtsanwälte U. und D. nicht von der Schweigepflicht entbunden hat, dem Angeklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen. Zwar darf aus zulässigem Prozessverhalten grundsätzlich kein dem Angeklagten nachteiliger Schluss gezogen werden. Hat sich der Angeklagte aber – wie hier – nach Belehrung zum Tatgeschehen geäußert und ein Beweismittel für seine Unschuld benannt und sich damit in einer bestimmten Weise zum Hergang des Gesprächs mit dem Rechtsanwalt geäußert, sodann aber die Überprüfung dieser Darstellung verhindert, kann der Tatrichter hieraus Schlüsse auch zum Nachteil des Angeklagten ziehen ...“

Wann sollte ein Beschuldigter vor der Polizei aussagen?

Grundsätzlich sollte sich jeder Beschuldigte einer Straftat noch vor der ersten Vernehmung durch die Polizei an einen in der Strafverteidigung versierten Anwalt wenden und dessen Rat einholen. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in welchem ihm für den Fall des Schweigens angedroht wird, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. In Untersuchungshaft ist gemäß § 140 Abs. 1 Nr.4 StPO jedem Beschuldigten unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Der Autor, Rechtsanwalt Christian Steffgen, ist seit 1992 auf dem Gebiet des Strafrechts tätig. Er ist Fachanwalt für Strafrecht, zertifizierter Verteidiger für Jugendstrafrecht (VdSRV) und führt als Dozent des VdSRV Fortbildungen für Fachanwälte durch.  


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