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Baby vom Amt, wenn es nicht auf natürlichem Weg klappt?

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Für viele Paare ist eine Familie erst dann komplett, wenn auch Kinder vorhanden sind. Doch nicht jedes Paar kann welche bekommen. Diese Paare haben unter anderem die Möglichkeit, durch künstliche Befruchtung doch noch ein Baby zu bekommen. Schwierig ist es allerdings, wenn beide Partner Hartz IV beziehen. Kann das Amt in einem solchen Fall verpflichtet werden, die anteiligen Kosten zu bezahlen?

Teil der Kosten soll Amt zahlen

Im vorliegenden Fall bezog ein verheiratetes Paar, die Frau ist 1978 geboren, seit 2010 Hartz IV. Da das Ehepaar auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen kann, entschieden sie sich für eine künstliche Befruchtung. Ihre Krankenkasse sagte ihnen eine Kostenübernahme in Höhe von 50 % der Kosten zu. Da das Paar die andere Hälfte des Betrages nicht selbst aufbringen konnte, beantragten sie mit Schreiben vom 13. September 2012 bei der zuständigen Agentur für Arbeit ein Darlehen für die künstliche Befruchtung als unabweisbaren Bedarf nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch II (SGB II).

Amt lehnt Gewährung von Darlehen ab

Dieser Antrag wurde durch das zuständige Jobcenter mit Bescheid vom 17. September 2012 mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Regelbedarf pauschaliert erfolge und daher eine gesonderte Übernahme der Kosten für den Bedarf der künstlichen Befruchtung nicht möglich sei. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 19. September 2012 Widerspruch ein. Sie begründeten ihren Widerspruch damit, dass nach § 24 SGB II die Möglichkeit bestehe, ein Darlehen zu erhalten, wenn bestimmte Kosten nicht vom Regelbedarf umfasst sind und es sich bei diesen Kosten um einen unabweisbaren Bedarf handelt. Das trifft ihrer Meinung nach auf die Kosten der künstlichen Befruchtung zu. Das Jobcenter lehnte diesen Widerspruch schließlich mit Widerspruchbescheid vom 30. November 2012 ab. Das Paar hätte von den gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes etwas für die künstliche Befruchtung sparen können, daher liege kein unabweisbarer Bedarf vor.

Klage des Paares erfolglos

Die Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass die Kläger keinen Anspruch auf ein Darlehen in Höhe von 50 % der Kosten für die künstliche Befruchtung haben. Bei den Kosten für eine künstliche Befruchtung handelt es sich um keinen vom Regelbedarf umfassten Bedarf. Vom Regelbedarf umfasst sind nach § 20 SGB II lediglich Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu diesen persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Dazu gehören Kosten für eine künstliche Befruchtung gerade nicht. Für Leistungsbezieher sollen nicht die gleichen Teilhaberechte wie für Nichtleistungsbezieher geschaffen werden, daher werden die Teilhaberechte an den „vertretbaren Umfang” geknüpft. Dieser Umfang ist aber bei Kosten von über 4000 Euro für eine Behandlung der künstlichen Befruchtung nicht mehr vertretbar.

Außerdem handelt es sich bei einer künstlichen Befruchtung auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf, da dies keine medizinisch notwendige Behandlung gem. § 27 SGB V darstellt. Die Kostenübernahme von 50 % der Kosten für eine künstliche Befruchtung durch die gesetzlichen Krankenkassen verletzt auch nicht das Recht auf Familiengründung und das Recht auf Nachkommenschaft nach Art. 6 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dies gelte sowohl für den Gesetzgeber als auch für den Träger der Grundsicherung.

Ein Bedarf ist auch dann unabweisbar, wenn er unaufschiebbar ist, erheblich ist und nicht durch Mittelumschichtungen erreicht werden kann. Da die gesetzlichen Krankenkassen die anteiligen Kosten einer künstlichen Befruchtung für Versicherte Frauen bis zum Alter von 40 Jahren übernehmen, hat das Paar ab diesem Jahr noch drei Jahre Zeit, die hälftigen Kosten anzusparen. Wäre das Darlehen genehmigt worden, hätten die Kläger die Raten zurückzahlen müssen. Diesen monatlichen Betrag hätte das Paar bereits im Vorfeld der Entscheidung ansparen können. Dann hätten sie den geltend gemachten Betrag längst zusammen und könnten voll in die Familienplanung einsteigen. So müssen sie erst jetzt anfangen zu sparen.

(Sozialgericht Berlin, Urteil v. 14.9.2015, Az.: S 127 AS 32141/12)

(WEI)

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