Besteht für gewerbliche Mieter ein Anspruch auf Mietanpassung während des sog. Lockdowns?

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Das Landgericht Mönchengladbach hat diese Frage in seinem Urteil vom 02.11.2020,
Az.: 12 O 154/20, zugunsten der Mieterin eines Schuhgeschäftes bejaht.

Der Fall:

Aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.03.2020 und der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierung mit dem Coronavirus SARS CoV-2 vom 22.03.2020 wurde die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels anlässlich der Corona-Pandemie untersagt. Von dem Öffnungsverbot war im Zeitraum vom 23.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 auch das Schuhgeschäft der Beklagten betroffen, welches von ihr in gemieteten Geschäftsräumen betrieben wurde.

Die Beklagte teilte daraufhin ihrer Vermieterin schriftlich mit, dass sie aufgrund der Corona-Krise bis einschließlich Mai 2020 keine Mietzahlungen vornehmen werde und zudem eine Änderung des Mietvertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB begehre. Die Vermieterin lehnte dies ab und verklagte die Beklagte auf Mietzahlung in Höhe von 20.229,00 € zzgl. Zinsen.

Die Entscheidung des Gerichts:

Anspruch auf Vertragsanpassung:

Ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB besteht, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Abschluss des Vertrages schwerwiegend ändern und die Vertragsparteien den Vertrag – wäre diese Veränderung für sie vorhersehbar gewesen - nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Zudem muss einem der Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zuzumuten sein.

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht Mönchengladbach in dem entschiedenen Fall für gegeben angesehen:

Zu Beginn des sog. Lockdowns im März 2020 wurde die Nutzung zum vertraglichen Zweck in weiten Teilen des Einzelhandels und der Gastronomie vollständig untersagt, was den Geschäftsbetrieb nahezu vollständig zum Erliegen brachte (schwerwiegende und unzumutbare Störung).

Das Landgericht führt dazu in seiner Entscheidung aus, dass die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie aufgrund von epidemiologischen Erwägungen ergingen, die weder an spezifische Eigenschaften der Mieter, noch an solche der Mietobjekte anknüpften. Geschützt werden sollten Gemeinwohlinteressen, deren Gefährdung weder speziell durch das Verhalten der Mieter, noch durch die Vermieter oder die von ihnen vermieteten Räumlichkeiten gefährdet wurden. Die angeordneten Maßnahmen sollten zu einer Verminderung der sozialen Kontakte in der Bevölkerung führen. Dieses Ziel konnte grundsätzlich sowohl durch Anordnungen gegen die Mieter, als auch durch Maßnahmen gegen die Vermieter erreicht werden. Das es letztlich die Mieter getroffen hat, war für die Parteien des Mietvertrages zufällig und unvorhersehbar. Vielmehr gingen die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon aus, dass während der Vertragslaufzeit ein geregelter Geschäftsbetrieb möglich ist, der nicht durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beeinträchtigt wird.

Diese Umstände, die zur Grundlage des Mietvertrages geworden sind, haben sich durch den sog. Lockdown schwerwiegend iSd. § 313 Abs.1 BGB verändert, denn zumindest die Mieter hätten den Mietvertrag nicht abgeschlossen, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass ein geregelter Geschäftsbetrieb während der Vertragslaufzeit nicht möglich seien würde.

Dabei ist nicht erforderlich, dass ein Vertragsschluss ganz unterblieben wäre. Ausreichend ist, dass die Vertragsparteien nicht damit gerechnet haben, dass es zu einer globalen Pandemie mit Betriebsuntersagungen kommt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass sie, wenn sie an eine solche Pandemie gedacht hätten, den Vertrag in anderer Form geschlossenen hätten.

Dieser Annahme steht auch keine vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung entgegen. Zwar trägt im Mietrecht regelmäßig der Mieter das Ertrags- und Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache, das Risiko für die Betriebsuntersagung lag hier jedoch in gleichem Maße außerhalb des Risikobereichs von Mieter und Vermieter.

Um wieviel kann die Miete angepasst werden?

Da das Risiko für die Betriebsschließung in gleichem Maße außerhalb des Risikobereichs von Mieter und Vermieter liegt, hat das Landgericht Mönchengladbach eine Anpassung des Vertrags auf die Hälfte des vertraglich vereinbarten Mietzinses für angemessen erachtet. 

Die hälftige Teilung soll dabei auch für die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten gelten. Lediglich die verbrauchsabhängigen Betriebskosten hat der Mieter weiterhin vollständig zu tragen.

Ist eine rückwirkende Vertragsanpassung zulässig?

Ausnahmsweise ist auch eine rückwirkende Vertragsanpassung auf den Zeitpunkt des Anpassungsereignisses zulässig. Maßgeblich ist dafür eine umfassende Bewertung der Interessen beider Parteien im jeweiligen Einzelfall. Dabei kommt eine Anpassung für die Vergangenheit desto eher in Betracht, je geringer und vorhersehbarer die Rückwirkung die durch die Anpassung benachteiligte Partei trifft. 

Mitgeteilt von Rechtsanwältin / Fachanwältin für Steuerrecht Judith Spilker, Paderborn


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