Corona Soforthilfe, Wertersatz & Vermögensarrest; aktuelle Hinweise zu §§ 111e Abs. 1 StPO, 73c StGB

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Während es im April 2020 spürbar weniger Vermögensarrest- und Durchsuchungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gab, kehren diese seit Anfang Juni mehr und mehr in den „Normalbetrieb“ zurück. Insbesondere im Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfemaßnahmen der Länder stellen sich dabei interessante und zum Teil bisher ungeklärte strafrechtlich relevante Fragen, auf die wir Sie im Laufe dieses Rechtstipps hinweisen wollen.

1. Corona-Soforthilfemaßnahmen „richtig“ verwenden

Schon unmittelbar nachdem die Bundes- und Landesregierungen beschlossen hatten, Unternehmen zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie finanzielle Soforthilfen ohne weitere Prüfung zu leisten, fürchteten Kritiker die damit einhergehende Missbrauchsgefahr. Aktuell ermittelt insbesondere die Staatsanwaltschaft Berlin deutschlandweit in großem Umfang gegen Beschuldigte, die zu Unrecht entsprechende Hilfen erhalten haben sollen. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um Steuergelder handelt, die die Solidargemeinschaft zweckgebunden zur Verfügung stellt, ausdrücklich zu begrüßen.

Nicht nur der grundsätzliche Bezug von Soforthilfen, sondern auch deren (nicht) zweckentsprechende Verwendung führte, wenn man aktuellen Medienberichten Glauben schenken darf, schon bisher zu diversen Ermittlungsverfahren. An dieser Stelle sei deshalb nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Soforthilfen zweckgebunden sind und nur im Rahmen der im Bewilligungsbescheid genannten Grenzen verwendet werden dürfen.

Problematisch bleiben aus Sicht des Strafverteidigers dabei freilich die Fälle, in denen weder die Nichtberechtigung zum Erhalt, noch die fehlerhafte Verwendung offensichtlich und daher weitere Ermittlungen erforderlich sind. Werden nun Ermittlungsverfahren eingeleitet und Vermögensarreste erlassen, um Verschiebungen der Rettungsgelder zu verhindern, kann das für ein Unternehmen gerade die Zahlungsunfähigkeit verursachen, die durch die Soforthilfemaßnahmen verhindert werden sollten.

Praxistipp: Sie sollten eine eigene Zahlungsaufstellung nur für die Verwendung der Corona-Soforthilfen anlegen um so jederzeit belegen zu können, in welcher Höhe welche Forderung mit Hilfe der Rettungsgelder gezahlt wurden. Das macht schon deshalb Sinn, weil Sie im Rahmen der jeweiligen Steuererklärungen hierzu ohnehin verpflichtet werden können.

2. Corona-Soforthilfe und drohende Insolvenz

Bereits in einem früheren Rechtstipp hatten wir Ihnen erläutert, dass der Gesetzgeber die Pflicht zur Insolvenzanmeldung zwar aktuell weitgehend ausgesetzt hat, dass das aber nur gilt, sofern die Zahlungsunfähigkeit auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht. Ausführlich könne Sie das hier nachlesen.

Bisher konnten wir, unabhängig von den in dem vorangegangenen Rechtstipp dargestellten Schwierigkeiten der Regelungen durch das Covid-19-Gesetz, keinen Anstieg der Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO feststellen. Allerdings ist auch nach wie vor völlig unklar, wie die Staatsanwaltschaften mit Insolvenzen umgehen werden, die sich schon vor dem „Lockdown“ abgezeichnet haben. Zwar wird man, in Anbetracht der weitreichenden staatlichen Maßnahme eine (zumindest auch) „Corona-bedingte“ Insolvenz rückblickend nur in den seltensten Fällen sicher ausschließen können, sich auf diese Unsicherheiten zu verlassen, birgt jedoch Risiken.

Praxistipp: Es gilt nach wie vor, dass man nur dann auf die Stellung eines (Eigen-)Insolvenzantrages verzichten sollte, wenn man ohne weiteres belegen kann, dass die Schwierigkeiten des Unternehmens aus der Covid-19-Pandemie resultieren. Im Zweifel sollte man zur Sicherheit eher einen Insolvenzantrag stellen, schon um die Gefahr der Strafverfolgung auszuschließen. Diese kann noch viel teurer werden, als eine Insolvenz.

3. Corona-Soforthilfe und Pfändung allgemein

Das Finanzgericht Münster hat im Mai 2020 eine sehr interessante, auch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren relevante Entscheidung getroffen. Das zuständige Finanzamt wurde darin verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners einstweilen einzustellen, damit dieser über die Corona-Soforthilfezahlungen verfügen konnte. Das Gericht hat dabei sämtlichen vom Finanzamt vorgetragenen Argumenten eine Abfuhr erteilt: Keine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Gelder, keine Prüfung eines Anfangsverdachts des Subventionsbetruges, keine Übertragbarkeit der Forderungen aus der Corona-Soforthilfe und damit auch keine Pfändbarkeit der Forderung.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster ist nicht die erste dieser Art. Schon das Landgericht Köln hatte im April entschieden, dass dem Schuldner zur Vermeidung einer unangemessenen Härte i. S. von § 765a ZPO die Corona-Soforthilfe in voller Höhe belassen werden muss und diese von der Pfändung auszunehmen ist.

Die Entscheidungen der Gerichte in Münster und Köln überzeugen schon deshalb, weil die Corona-Soforthilfemaßnahmen zweckgebundene Zahlungen der Solidargemeinschaft an den einzelnen Unternehmer sind, die ausschließlich zur Begrenzung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie verwendet werden dürfen. Man mag rechtspolitische Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen begründen können. Da sich Bund und Länder aber mit großer Einstimmigkeit für ein solch‘ staatliches Eingreifen entschieden und insbesondere durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die Interessen der Gläubiger offenkundig in den Hintergrund gerückt haben, müssen die Gerichte diese Entscheidung akzeptieren.

Praxistipp: Die Unpfändbarkeit gilt nur für Gläubiger, die keine sog. Anlassgläubiger sind. Der Vermieter, Leasinggeber oder Lieferant des Unternehmens, das seine Rechnungen aus Zeiten der „Corona-Krise“ nicht beglichen hat, kann daher die Soforthilfe pfänden, nicht aber jener Gläubiger, dessen Forderungen etwa aus dem Jahr 2019 resultieren.

4. Corona-Soforthilfe und Pfändung im Strafverfahren

Die unter 3. dargestellten Ausführungen gelten selbstverständlich auch für das Strafverfahren. Der jeweilige Landesjustizfiskus als Gläubiger einer potentiellen Wertersatzeinziehungsanordnung (vgl. dazu unseren grundlegenden Rechtstipp zur Wertersatzeinziehung), die durch Vermögensarrest gesichert wird (vgl. dazu unseren grundlegenden Rechtstipp zum Vermögensarrest), darf die Corona-Soforthilfemaßnahmen daher ebenfalls nicht pfänden.

Es bieten sich unterschiedliche Wege an, diese Unpfändbarkeit durchzusetzen:

Während das Finanzgericht Köln entschied, die Corona-Soforthilfe sei von der Pfändung auszunehmen, um eine unbillige Härte im Sinne des § 765a ZPO zu vermeiden, erklärte das Finanzgericht Münster gar die gesamte Zwangsvollstreckung für einen bestimmten Zeitraum für unzulässig und stellte diese ein. Gerade im Strafverfahren scheint es sinnvoll zu sein, dass die Staatsanwaltschaft die Kontopfändung gegenüber dem Drittschuldner (Ihrer Bank) so reduziert, dass Sie frei über die Hilfszahlungen verfügen können. Das geht im Übrigen ganz ohne richterliche Intervention und ist vom Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft zu veranlassen.

Praxistipp: Das Landgericht Köln hat in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Rechtsbeschwerde unter anderem mit dem Argument, die „Zweckgebundenheit der Corona-Soforthilfe“ sei „nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen“, nicht zugelassen. Sollten Sie von entsprechenden Pfändungsmaßnahmen betroffen sein, können Sie, auch ohne anwaltliche Hilfe, unter Hinweis auf diese und die Entscheidung des Finanzgerichts Münster eine Freigabe der Corona-Soforthilfe unmittelbar beim Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft beantragen.

Weiterer Praxistipp: Die Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfen hängt im Übrigen nicht davon ab, ob Sie ein Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO unterhalten. Das gilt zum einen deshalb, weil diese Möglichkeit ohnehin nur natürlichen Personen gegeben ist juristische Personen, wie etwa eine GmbH, gar kein Pfändungsschutzkonto einrichten können. Zum anderen ist die Corona-Soforthilfe ein unpfändbarer Anspruch nach § 851 ZPO, völlig unabhängig davon, auf welches Konto sie geleistet wird.

Ausnahme? Bisher noch nicht geklärt ist die Antwort auf die Frage, ob die Corona-Soforthilfezahlungen dann pfändbar sind, wenn die Hilfen offensichtlich unberechtigt oder aufgrund falscher Angaben ausgezahlt wurden. Die Forderung bleibt ja im Kern nicht übertragbar und damit unpfändbar i. S. d. § 851 ZPO. Diese Probleme sind bisher nicht zufriedenstellend gelöst.

5. Fazit:

Corona-Soforthilfen müssen zweckentsprechend verwendet werden. Hierüber sollten Sie transparente Bücher führen. Gläubiger dürfen nur dann auf die Hilfszahlungen zugreifen, wenn es sich um sog. Anlassgläubiger handelt. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind die Hilfen für die Staatsanwaltschaft grundsätzlich unpfändbar und freizugeben, jedenfalls solange kein Strafverfahren im Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen betrieben wird. In diesem Fall ist die Frage der Pfändbarkeit hoch umstritten.


Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018  zum Thema der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung; deutschlandweite Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr Pascal Johann

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