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Das automatisierte Kontenabrufverfahren

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

In einer aktuellen Pressemitteilung hat das Bundesministerium für Finanzen eine Stellungnahme zum sogenannten automatisierten Kontenabrufverfahren veröffentlicht. Das Ministerium sieht in dem automatisierten Kontenabruf ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität und Sozialmissbrauch - Datenschützer befürchten dagegen die Realisierung des „gläsernen Bankkunden". Fakt ist: Der Kontenabruf wird immer häufiger durchgeführt, Tendenz weiter steigend. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 81.156 Kontenabrufe registriert, mehr als doppelt soviel wie 2004 (39.417 Abrufe). Die anwalt.de Redaktion gibt Ihnen einen Überblick, wann und wie ein Kontenabruf erfolgen darf und wie das Bundesverfassungsgericht dieses Verfahren bewertet hat.

[image] Grundlagen und Zweck 

Gesetzlich geregelt ist das Kontenabrufverfahren hauptsächlich in § 24 c Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 Kreditwesengesetz (KWG) und § 93 Absatz 7 und Absatz 8 Abgabenordnung (AO). Es wurde vom Gesetzgeber als Gegenmittel für Steuerhinterziehung, Sozialmissbrauch, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingeführt. Zuvor hatten beispielsweise die Finanzbehörden nur die Möglichkeit, Kontendaten des Steuerpflichtigen abzufragen, wenn sie wussten bei welchem Kreditinstitut der Betroffene ein Konto hat. Seit der Einführung des Kontenabrufverfahrens haben die Behörden die Möglichkeit, direkt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bzw. vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Auskünfte zu Konten einzuholen, ohne dass sie konkrete Kenntnisse über Bank, Sparkasse und Konten des Betroffenen haben müssen. Dass mit dem automatisierten Kontenabruf die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörden verbessert werden, hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich bestätigt (Az.: 2 BvR 294/06).

 
Befugnis der Behörden 

Den automatisierten Kontenabruf führt die BaFin durch, wenn es um strafrechtlich relevante Belange geht, wie beispielsweise Ermittlungen der Zollfahndung, der Steuerfahndung, der Polizei, der Gerichte und der Staatsanwaltschaften.

Darüber hinaus können die Finanzbehörden den Kontenabruf über das BZSt initiieren, wenn es für das Besteuerungsverfahren erforderlich ist. Auch Sozialbehörden wie die Agentur für Arbeit, die Wohngeldstelle, die Bafög-Behörde und die Träger der gesetzlichen Renten-, Unfall- und Sozialversicherung können sich für einen Kontoabruf an das BZSt wenden. 

Allerdings sind alle Behörden nur zum Abruf der Stammdaten berechtigt, wenn sie zuvor den Steuerpflichtigen erfolglos um Auskunft gebeten haben oder wenn ein entsprechendes Auskunftsersuchen ihm gegenüber nicht erfolgversprechend ist.

 
Ablauf des Verfahrens 

Alle Banken und Sparkassen sind dazu verpflichtet, eine Datei über bestimmte Stammdaten ihrer Kunden zu führen, bei Änderungen täglich zu aktualisieren und für drei Jahre zu speichern. Zu den Stammdaten zählen zum Beispiel Name und Geburtsdatum des Kontoinhabers oder eines Verfügungsberechtigten (dann auch seine Adresse), Kontonummer, Eröffnung und Auflösung des Kontos und Wertpapierdepots. Nicht abgefragt werden können Kontostände und Kontobewegungen. Auf diese Daten können die Behörden nur aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften zugreifen.

Die Kreditinstitute führen die Stammdaten in einer separaten Datenbank, auf der die BaFin und das BZSt die Stammdaten abrufen können, ohne dass das Kreditinstitut davon erfährt. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Bank keine Kenntnis vom Abruf des Kontos erlangt. Andernfalls wäre der Bankkunde nicht mehr davor geschützt, dass die Bank oder Sparkasse diesen Kontenabruf zum Anlass nimmt und selbst Prüfungen anstellt, insbesondere im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit ihres Kunden.

 
Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts 

Weil das automatisierte Kontenabrufverfahren einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, hat inzwischen das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens entscheiden müssen. Die Karlsruher Richter bewerteten das Verfahren als verfassungskonform, weil die damit verfolgten öffentlichen Belange (Verhinderung von Straftaten und Sozialmissbrauch, Förderung der Steuergerechtigkeit etc.) es rechtfertigen. Die Rechte des von dem Kontoabruf Betroffenen sind ausreichend gewahrt, weil nur neutrale und weniger persönliche Daten abgerufen werden dürfen. Sofern für ihn negative Ergebnisse erzielt werden, steht dem Betroffenen ein Auskunftsanspruch über den Kontenabruf zu. Weiter darf das Kontenabrufverfahren nur in bestimmten, gesetzlich geregelten Fällen durchgeführt werden - sowohl Anlass, Zweck und die mit dem Abruf verfolgten Aufgaben stehen eindeutig im Gesetz.

Allein in Hinblick auf den Kontenabruf in sozialrechtlichen Bereichen bemängelte das höchste deutsche Gericht, dass die gesetzlichen Regelungen nicht präzise genug formuliert und deshalb verfassungswidrig sind. Dem Gesetzgeber wurde für die Neuregelung des § 93 Absatz 8 AO eine Frist bis zum 31. Mai 2008 gesetzt, der er inzwischen im Zuge des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 nachgekommen ist. (Az.: 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05)

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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