Die Impfpflicht und ihre arbeitsrechtlichen Auswirkungen

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In § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist geregelt, dass in bestimmten Einrichtungen ab dem 15.03.2022 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie entweder zweifach geimpft sind mit der anschließenden Wartedauer von 2 Wochen, von einer Infektion genesen sind die noch nicht länger als 6 Monate zurückliegt oder aber ein ärztliches Zeugnis vorlegen können, nach der bei ihnen aus gesundheitlichen Gründen eine Impfung nicht möglich ist (medizinische Kontraindikation).


Welche Arbeitsverhältnisse sind betroffen?

Die einzelnen Arbeitsbereiche sind in § 20a IfSG aufgelistet. Es handelt sich um Arbeitsbereiche aus dem Gesundheits- und Pflegebereich. Dies betrifft Kliniken, Pflegeheime, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungs- und Pflegedienste, Geburtshäuser und andere medizinisch-pflegerische Einrichtungen.


Kann mich mein Arbeitgeber nicht anderweitig beschäftigen, beispielsweise in der Verwaltung?

Bei der Regelung handelt es sich um eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Dies bedeutet, dass in der gesamten Einrichtung der Impfnachweis erbracht sein muss. Eine Beschäftigung etwa in der Verwaltung ist deshalb nicht möglich.


Was passiert, wenn mich der Arbeitgeber dennoch beschäftigt?

Die Vorschrift ist bußgeldbewehrt. Beschäftigt der Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin oder einen Ar-beitnehmer ohne Einhaltung der Impfpflicht, so droht ihm und der Arbeitnehmerin oder dem Arbeit-nehmer ein Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 Euro je Einzelfall.


Wie muss ich den Nachweis erbringen?

Den Nachweis, dass ich geimpft, genesen oder von der Impfpflicht befreit bin muss ich gegenüber meinem Arbeitgeber erbringen. Hat dieser Zweifel an der Echtheit der Unterlagen, muss er sie den Gesundheitsbehörden zur Überprüfung vorlegen.


Was passiert, wenn nach dem 15.03.2022 mein Impfnachweis abläuft?

Der Genesungsnachweis gilt nur für die Dauer von 6 Monaten, die Zweitimpfung derzeit für die Dauer von 12 Monaten. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer muss innerhalb eines Monates nach Ablauf einen neuen gültigen Nachweis vorlegen.


Kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jetzt schon kündigen, weil der Impfnachweis zeitlich nicht mehr erbracht werden kann?

Eine Kündigung vor dem 15.03.2022 dürfte jedenfalls unwirksam sein, weil durch eine Erkrankung der Nachweis der Genesung auch kurzfristig erbracht werden kann. Gegen jede Kündigung vor dem15.03.2022 sollte daher Klage eingereicht werden. Bei dieser Gelegenheit wird noch einmal darauf hingewiesen, dass die Frist zur Einreichung einer Klage lediglich 3 Wochen beträgt. Wird innerhalb dieser Frist keine Klage eingereicht, gilt die Kündigung als wirksam.


Habe ich ohne Impfnachweis noch nach dem 15.03.2022 Anspruch auf Lohn?

Beschäftigt mich der Arbeitgeber trotz fehlendem Nachweis über den 15.03.2022 hinaus weiter, muss er auch den Lohn zahlen. Allerdings stellt dies auch für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer eine Ordnungswidrigkeit dar. Soweit er den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt gilt der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn". Auch wenn ich keine Kündigung erhalten habe, stehen mir Lohnansprüche nicht zu.


Kann der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen?

Ob eine fristlose Kündigung in derartigen Fällen wirksam ist, wird erst von den Arbeitsgerichten zu klären sein. Dagegen spricht jedenfalls, dass der Arbeitgeber eigentlich keinen Grund für eine fristlose Kündigung hat, da er ohnehin keine Lohnzahlungen erbringen muss. Gegen eine fristlose Kündigung sollte deshalb Klage eingereicht werden. Kann der Arbeitgeber mich abmahnen? Normalerweise setzt eine Abmahnung ein Fehlverhalten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers voraus. Die fehlende Impfung dürfte aber kein derartiges Fehlverhalten sein, da eine allgemeine Impfpflicht derzeit noch nicht besteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat aber mittlerweile durchblicken lassen, dass auch bei personenbedingten Kündigungen möglicherweise eine Abmahnung Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Kündigung sein kann. Aus Sicht des Arbeitgebers dürfte es deshalb sinnvoll sein, den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin entsprechend abzumahnen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.


Kann der Arbeitgeber mein Arbeitsverhältnis kündigen?

Nach vorheriger Abmahnung wird eine Kündigung in vielen Fällen möglich sein. Voraussetzung ist immer, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer beispielsweise die erste Impfung bereits erhalten haben und nur noch auf die zweite Impfung warten, dürfte der Arbeitgeber nicht berechtigt sein das Arbeitsverhältnisdurch Kündigung zu beenden. In diesem Fall wird der Arbeitgeber wohl die zweite Impfung abwarten müssen. Im Ergebnis wird jeweils im Einzelfall zu überprüfen sein, ob die Kündigung wirksam ist.


Gilt dies auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz?

Der besondere Kündigungsschutz besteht auch für diese Kündigungen. Dies gilt beispielsweise für Schwerbehinderte, Schwangere und Betriebsratsmitglieder. Hier muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die entsprechende Genehmigung einholen, anderenfalls wäre die Kündigung unwirksam.


Kann ich nachträglich vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser mich wieder einstellt?

Wenn innerhalb der Kündigungsfrist der Impfnachweis vorgelegt werden kann entweder durch eine abgeschlossene Impfung oder durch einen Nachweis der Genesung, habe ich einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Arbeitgeber.


Bekomme ich von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist?

Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung wegen des fehlenden Impfnachweises bin ich arbeitslos und kann Arbeitslosengeld beantragen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Wurde die Arbeitslosigkeit selbst verursacht, verhängt die Arbeitsagentur eine Sperrfrist. Ob sie bei den vorliegenden Fällen eine Sperrfrist verhängt, bleibt zunächst einmal abzuwarten. Hierzu gibt es natürlich noch keine Entscheidungen. Gegen die Sperrfrist sollte jedenfalls Widersprucheingelegt werden, wenn sie verhängt wird. Da es in Deutschland keine allgemeine Impfpflichtgibt spricht einiges dafür, dass die Verhängung einer Sperrfrist rechtswidrig wäre.


Gelten diese Regelungen auch für geringfügig Beschäftigte und Werkstudenten?

Die Regelungen gelten für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch für geringfügig Beschäftigte und auch für alle Werkstudenten. Hier gibt es keine Unterschiede. Die gesetzlichen Regelungen sind neu und werden zahlreiche rechtliche Probleme verursachen. Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gut beraten, wenn sie möglichst im Vorfeld schon einen Rechtsanwalt aufsuchen und sich informieren lassen. Wegen der nicht ganz einfachen Materie sollte dies ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt sein, am besten ein Fachanwalt für Arbeitsrecht.


Ralf Delgmann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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