Die speziellen Gleichheitsrechte in der Verfassungsbeschwerde

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Art. 3 Abs. 1 GG ordnet zunächst eine formelle Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz an, lässt aber grundsätzlich Raum dafür, eine unterschiedliche Behandlung aus nachvollziehbaren Gründen zu rechtfertigen.

Absatz 3 der Vorschrift geht dann in die Details: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Damit werden einerseits einige – aus Sicht der Verfassungsgebers – besonders häufige Diskriminierungsformen ausdrücklich angesprochen und für unzulässig erklärt. Andererseits drückt diese Vorschrift aber auch aus, dass diese Punkte keine Argumente sein dürfen, um eine Unterscheidung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen.


Vielzahl einzelner Kriterien

Die Gewährleistung dieser Gleichbehandlung hat vor allem den Zweck, der Diskriminierung von Minderheiten vorzubeugen und steht in einem engen Zusammenhang mit der Menschenwürde.

Die einzelnen Kriterien sind:

  • Geschlecht: Weitestgehend deckungsgleich mit Art. 3 Abs. 2 GG, wobei mittlerweile jedoch das dort nicht genannte „dritte Geschlecht“ eine Bedeutung haben dürfte.
  • Abstammung: Die Vorfahren eines Menschen, meist insbesondere deren ethnische Zugehörigkeit.
  • Rasse: Die ethnische Zugehörigkeit, vor allem die allgemein erkennbaren Äußerlichkeiten. Als rein juristischer Begriff ist es unerheblich, dass die Biologie schon lange nicht mehr von „Menschenrassen“ spricht.
  • Sprache: Die Sprachen sowohl innerhalb Deutschlands als auch diejenigen von Zuwanderern werden geschützt. Die Rolle des Deutschen als Amtssprache steht dem aber nicht entgegen.
  • Heimat: Die örtliche Herkunft eines Menschen, in gewisser Weise auch seiner Vorfahren.
  • Herkunft: Die „ständische“ oder soziale Abstammung eines Menschen. Dadurch soll einer Klassengesellschaft oder einem Kastensystem entgegengewirkt werden.
  • Glaube: Die persönlichen Überzeugungen vom Wesen und Entstehen der Welt. Ob dieser Glaube religiös oder nicht religiös (z.B. atheistisch) geprägt ist, ist nicht relevant.
  • religiöse Anschauungen: Dieses Merkmal hat praktisch wohl keine eigene Bedeutung, da alle religiösen Anschauungen bereits im Kriterium des Glaubens erfasst sind.
  • politische Anschauungen: Das Haben und Äußern einer bestimmten politischen Meinung. Zu beachten ist jedoch, dass für die praktisch bedeutsamen Fragen des Vereinsverbots und des Beamtenrechts, in denen (extreme) politische Anschauung regelmäßig zu Nachteilen führen, Spezialregelungen existieren, die dies ausdrücklich zulassen (Art. 9 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 5 GG).
  • Behinderung: Eine nicht nur vorübergehende körperliche oder geistige Funktionsbeeinträchtigung.

Für juristische Personen gilt das Grundrecht wohl nur im Zusammenhang mit Glauben und religiöser bzw. politischer Anschauung, also für weltanschauliche Organisationen im weitersten Sinne.


Zulässige Unterscheidung

Auch wenn die in Absatz 3 genannten Kriterien in der Regel keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sein können, sind Unterscheidungen danach in gewissen Fällen doch zulässig. Allgemein ist jedoch anerkannt, dass eine Unterscheidung umso mehr Rechtfertigung braucht, je näher sie an diesen Kriterien ist bzw. sie sogar erfüllt. In letzterem Fall wird der Staat zwingende Gründe brauchen, um eine Ungleichbehandlung verteidigen zu können.

Beispiel: Jemandem ein bestimmtes staatliches Amt zu verwehren, weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht, ist zulässig, wenn er in diesem Amt mit Bürger oder Kollegen kommunizieren muss. Insoweit auf seine Religion abzustellen, ist dagegen nicht verfassungskonform.


Sonderfall: Behindertendiskriminierung

Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbietet die Benachteiligung behinderter Personen als Sonderfall der Gleichheitsrechte. Eine Bevorzugung Behinderter ist dagegen zulässig, es handelt sich also nicht um eine rechtswidrige Diskriminierung Nichtbehinderter.

Der Grund für die Behinderung ist unerheblich. Erfasst werden auch erhebliche Verunstaltungen (etwa Narben im Gesicht), die im Kontakt mit Dritten zu Belastungen führen können. Chronisch Kranke werden regelmäßig erfasst, nicht aber vorübergehend Erkrankte.

Eine Beeinträchtigung liegt aber nur vor, wenn die behindertenbezogene Ungleichbehandlung zu einem Nachteil für den Betroffenen führt. Der Nachteil liegt in Regelungen, „die die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung verschlechtern, indem ihm etwa der tatsächlich mögliche Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen verwehrt wird, oder Leistungen, die grundsätzlich jedermann zustehen, verweigert werden“ (BVerfGE 96, 288/303).


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