Dieselskandal: BGH erleichtert Schadensersatzansprüche in neuen Entscheidungen vom 26.06.2023

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In drei wegweisenden neuen Entscheidungen vom 26.06.2023 hat der Bundesgerichtshof nun ein Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 21. März 2023 21.03.2023 – C-100/21 –  innerstaatlich umgesetzt und seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach ein Schadensersatzanspruch für Kunden, in deren Fahrzeug eine Abschalteinrichtung verbaut war, dann bislang gegenüber dem Hersteller nicht durchsetzbar war, wenn sich insoweit nicht auch ein vorsätzliches Verhalten des Herstellers feststellen ließ.


Diese kundenunfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirkte sich bislang insbesondere in Fallkonstellationen nachteilig für die Kunden aus, in denen die Fahrzeuge (beispielsweise von Audi, BMW, Mercedes, Porsche und VW) „nur“ mit sogenannten unzulässigen „Thermofenstern“ ausgestattet waren.


Diese bewirken, dass die Abgasrückführung im Realbetreib auf der Straße in bestimmten Temperaturbereichen erheblich reduziert oder gar ganz abgeschalten wird. Die vorgeschriebenen NOx-Richtwerte wurde über diesen Trick der Hersteller praktisch nur auf dem Prüfstand (NEFZ) eingehalten, in sehr weiten Teilen des realen Fahrbetriebs jedoch nicht.


Der Europäische Gerichtshof hatte solche Thermofenster in mehreren Entscheidungen seit Ende 2021 für objektiv unzulässig erklärt.


Die Herstellerseite hatte sich bisher in den Schadensersatzprozessen vor der deutschen Justiz aber auf den Standpunkt gestellt, dass sie vor der Verkündung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den vergangenen Jahren insoweit nicht vorsätzlich gehandelt habe, sondern von der Zulässigkeit solcher Thermofenster stets ausgegangen sei.


Das Kraftfahrt-Bundesamt habe solche Thermofenster stets für unbedenklich gehalten. Von Vorsatz, dessen Nachweis für die Kunden zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs bislang nötig war, sei daher nicht auszugehen.


Der Bundesgerichtshof ist dieser Argumentation der Herstellerseite bislang vor seiner Rechtsprechungsänderung am 26.06.2023 in solchen Fällen gefolgt.


Bloßes fahrlässiges Verhalten der Herstellerseite hatte bislang zur Durchsetzung von Schadensersatz nicht ausgereicht, weil der Bundesgerichtshof eine sogenannte drittschützende Wirkung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften, die unzulässige Abschalteinrichtungen (objektiv) verbieten, verneint hatte (§ 823 Abs. 2 BGB).


Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun aufgegeben und in Umsetzung der Entscheidung des EuGH vom 21.03.2023 – C-100/21 – eine entsprechende drittschützende Wirkung angenommen, so dass künftig auch bloßes fahrlässiges Verhalten der Herstellerseite genügt.


Damit können sich insbesondere alle diejenigen Kunden Hoffnung auf Schadensersatz machen, die in den vergangenen Jahren Fahrzeuge der Hersteller VW, Audi, Porsche, BMW und Mercedes (und anderer) erworben haben, in denen sehr häufig solche unzulässigen Thermofenster verbaut sind.


Nach Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs über die Urteile vom 26.06.2023 kommt in diesen Fällen zwar keine Rückabwicklung des Kaufvertrags in Betracht, jedoch ein pauschaler Schadensersatz, der vom Tatrichter zu schätzen ist und in der Größenordnung von 5 % bis 15 % des gezahlten Kaufpreises liegt, wobei der Kunde das Fahrzeug behält.


Weil zum Jahresende aber bereits Verjährung von diesen Ansprüchen droht, sollten Betroffene mit einer Geltendmachung keinesfalls zögern !



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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