Entschädigungsansprüche wegen behördlich angeordneter Corona-Schutzmaßnahmen?

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Zum Schutze der Bevölkerung mussten flächendeckend u.a. Einzelhandelsbetriebe,  Gaststätten und Hotels aufgrund behördlicher Anordnungen zwangsweise schließen. Reisende müssen erhebliche Reisebeschränkungen hinnehmen mit der Folge, dass Reisebüros, Reiseveranstalter, Luftfahrt- und Kreuzschiffunternehmen von der Insolvenz bedroht sind.

A. Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz?

Die einschneidenden Maßnahmen sind im Rahmen von sog. Allgemeinverfügungen der Innenminister der Länder überwiegend auf das (Bundes-)Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützt. Es fragt sich, ob und welche Entschädigungsansprüche sich aus dem IfSG herleiten lassen.

1. § 65 Entschädigung bei behördlichen Maßnahmen

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist eine Entschädigung in Geld zu leisten, soweit auf Grund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird.

§ 16 Abs. 1 IfSG ermächtigt die zuständige Behörde die „notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren“ zu treffen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können“. Die generalklauselartig formulierte Vorschrift bietet der zuständigen Behörde weitreichende Handlungsmöglichkeiten, entsprechende Maßnahmen zu erlassen.

Es ist jedoch zu beachten, dass notwendige Maßnahmen, die auf § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden, ausschließlich zu präventiven Zwecken erlassen werden dürfen. Dies ergibt sich aus der Systematik des Infektionsschutzgesetzes und der Verortung des § 16 IfSG in den 4. Abschnitt – Verhütung übertragbarer Krankheiten.

Sobald die Krankheit, wie im Fall der Corona-Pandemie (Covid-19), bereits ausgebrochen und die Grenze von der Verhütung zur Bekämpfung überschritten worden ist, greifen weder die vorgenannte Ermächtigungsgrundlage noch die daran anknüpfende  Entschädigungsregelung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG ein.

2. § 56 Entschädigung für Quarantäne-Maßnahmen

Ernsthaft in Betracht kommt die Entschädigungsregelung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach erhält derjenige eine Entschädigung, wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.

Nach § 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG erhalten Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.

Um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, muss die betroffene Person zu dem in § 56 Absatz 1 Satz 1 IfSG genannten Adressatenkreis (Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger, sonstiger Träger von Krankheitserregern) zählen und Verboten in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit unterliegen oder unterworfen werden.

Für Selbständige kommt als weitere Voraussetzung hinzu, dass deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer solchen Maßnahme ruht.

Im Ergebnis kommt eine Entschädigung nur dann in Betracht, wenn die Gesundheitsbehörden konkret gegenüber einer betroffenen Person ein Tätigkeitsverbot aussprechen.

In der Regel werden die derzeitigen Betriebsschließungen die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 56 IfSG nicht erfüllen, da sich die Maßnahmen der Gesundheitsbehörden nicht konkret an einzelne Träger von Krankheitserregern richten, um eine Ansteckung während der Erwerbstätigkeit zu verhindern, sondern primär auf die Unterbindung von Kontaktmöglichkeiten ohne einer vorherige positiven Feststellung einer Ansteckung.

B. Entschädigung nach dem Polizeirecht als sog. Nichtstörer

Die einzelnen Polizeigesetze der Bundesländer enthalten Regelungen über die Entschädigung von sog. Nichtstörern, wie z.B. § 80 Abs. 1 NPOG (Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz), in dem es heißt:

„Erleidet eine Person infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 8 einen Schaden, so ist ihr ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Das Gleiche gilt, wenn eine Person durch eine rechtswidrige Maßnahme der Verwaltungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet.“

Fraglich ist jedoch, ob die Entschädigungsvorschriften der allgemeinen Polizeigesetze Anwendung finden. Der Systematik des Polizeirechts ist immanent, dass besonderes gegenüber dem allgemeinem Polizeirecht vorrangig ist. Das Infektionsschutzgesetz dürfte gegenüber den allgemeinen Polizeigesetzen der Länder aufgrund seiner abschließenden Regelungen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten spezieller sein. Die Systematik (Spezialität) dürfte daher einen Rückgriff auf die allgemeinen Polizeigesetze ausschließen.

Im Ergebnis dürfte eine Entschädigung nach den jeweiligen Polizeigesetzen nicht in Betracht kommen.

C. Ersatzansprüche aus Amtshaftung, § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG

Amtshaftungsansprüche setzen ein rechtswidriges Handeln voraus. Über den Einzelfall hinaus dürften die getroffenen Maßnahmen überwiegend rechtmäßig sein, sodass Amtshaftungsansprüche ausscheiden dürften.

D. Ansprüche aus Aufopferung

In Betracht kommen könnten Ansprüche aus allgemeiner Aufopferung oder aus enteignendem Eingriff, wobei dahin stehen kann, ob sich diese Ansprüche aus Art. 14 GG ergeben.

Voraussetzung ist das Vorliegen bzw. Erbringen eines Sonderopfers. Dies ist dann der Fall, wenn die Auswirkungen des Eingriffs auf einen Betroffenen im Verhältnis zu anderen, ebenfalls Betroffenen eine besondere Schwere aufweisen und die Erbringung des Opfers somit unzumutbar ist oder im Verhältnis zu anderen, nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken.

Mit den Aufopferungsansprüchen sollen lediglich Einzelfälle, die unzumutbar über die Opfergrenze hinaus belastet sind, abgefangen werden. Flächendeckende Entschädigungen sind gerade nicht vorgesehen und damit auch in den Corona-Fällen ausgeschlossen.

Darüber hinaus sind Erwerbs- und Betriebssaussichten (z.B. entgangener Gewinn) vom Schutzbereich des Art. 14 GG nicht umfasst, sodass eine Beeinträchtigung des Eigentums durch die angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen nicht zu sehen sein dürfte (LG Heilbronn, Urteil vom 29.4.2020, Az.: I 4 O 82/20).

E. Resumée

Für die überwiegende Zahl der Unternehmen/Unternehmer dürfte in Corona-Fällen kein Anspruch auf Entschädigung bestehen. Das Ob und Wie der Entschädigung von Unternehmen/Unternehmer in Corona-Fällen wird auf politischer Ebene entschieden werden müssen, da die Entschädigungsregelungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie die allgemeinen Rechtsinstitute des Staatshaftungsrechts die wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Betriebe nur in wenigen Einzelfällen auszugleichen vermögen können, insbesondere Quarantäne-Fällen. Um diese Einzelfälle erfassen zu können und sodann angemessene Entschädigungen durchzusetzen, bedarf es qualifizierter Beratung.

Aleksandar Mitrovski

Rechtsanwalt

Kevekordes Rechtsanwälte und Notar PartG



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