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Erbrechtsreform: Mehr Freiheit beim Testament und Ausgleich für Pflegeleistung

  • 5 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion

Ursprünglich sollte das „neue Erbrecht" einheitlich bereits zum 01.01.2009 in Kraft treten, doch die Beratungen verzögerten sich, so dass zunächst nur die Erbschaftsteuerreform wirksam wurde. Ein halbes Jahr später hat nun der Bundestag die weitere Modernisierung beschlossen, die insbesondere den gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte Rechnung tragen soll.

[image] Die vier wesentlichen Reformpunkte

Neben allgemeinen Vereinfachungen der Erbvorschriften verfolgt die Erbrechtsreform vier wesentliche Ziele:

  • Der Erblasser soll mehr Freiheit bei der Bestimmung seiner Erben haben (sog. Testierfreiheit).
  • Die Erben erhalten mehr Rechte gegenüber den Pflichtteilsberechtigten. 
  • Leistungen, die aus Solidarität innerhalb der Familie erbracht werden (v.a. Pflegeleistungen) sollen im Erbfall stärker honoriert und ausgeglichen werden.
  • Die erbrechtlichen Verjährungsvorschriften werden an die allgemeine 3-jährige Verjährungsregel angepasst.


Mehr Testierfreiheit: Pflichtteilsentziehung erleichtert

Grundsätzlich ist man in der Bestimmung seiner Erben völlig frei. Trifft man keine Regelung durch Testament, so greift die „gesetzliche Erbfolge", wonach Ehegatten und eingetragene Lebenspartner die Hälfte des Nachlasses und die Kinder die andere Hälfte zu gleichen Teilen erhalten. War der Erblasser unverheiratet und kinderlos, bestimmt das Erbrecht, in welcher Reihenfolge die Verwandschaft ihn beerbt.

Durch ein Testament kann man davon abweichende Regelungen treffen, mit einer einzigen Einschränkung: Die „Pflichtteilsberechtigten" kann man nur in besonderen Ausnahmefällen völlig von der Erbfolge ausschließen. Pflichtteilsberechtigt sind Ehegatte/eingetragener Lebenspartner, Eltern und Abkömmlinge des Verstorbenen. Wie Sie ganz einfach ein wirksames Testament errichten können, erfahren Sie in unserem Artikel "Das Testament - gar nicht so kompliziert"

a) Größerer Personenkreis geschützt

Die Erbrechtsreform erleichtert künftig diese Pflichtteilsentziehung erheblich: Bislang konnte der Erblasser nur in extremen Ausnahmefällen seinen Pflichtteilsberechtigten auch den Pflichtteilsanspruch entziehen, d.h. sie völlig von der Erbfolge ausschließen. Das Gesetz erlaubte dies, wenn der Pflichtteilsberechtigte „schwere Verfehlungen" gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten oder seinen Kindern begangen hatte. Eine schwere Verfehlung lag in der Regel erst bei schweren Straftaten vor, etwa schwere Körperverletzung, Mordversuch oder böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht.

Künftig wird der hierdurch geschützte Personenkreis erweitert: Verfehlungen eines Pflichtteilsberechtigten auch gegenüber dem Lebensgefährten oder den Stief- oder Pflegekindern des Erblassers rechtfertigen den Pflichtteilsentzug. Zudem werden die geschützten Personen nun auch gleichgestellt.

Beispiel: Wird die Lebensgefährtin vom Sohn des Erblassers körperlich misshandelt oder getötet, ist dies nun ein Entziehungsgrund. Ebenso wenn die leibliche erwachsene Tochter ihre Stief- oder Pflegegeschwister misshandelt.

b) Freiheitsstrafe statt „ehrloser Lebenswandel"

Der bisherige Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" wird abgeschafft. Er war in der Praxis viel zu unbestimmt und galt nur für die Abkömmlinge des Erblassers, nicht aber für Eltern oder Ehegatten. Stattdessen kann der Erblasser den Pflichtteil entziehen, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer Straftat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und es für den Erblasser unzumutbar scheint, dem Verurteilten den Pflichtteil zu überlassen.

c) Sonderfall: Schenkungen vor dem Erbfall

Wenn der Erblasser den späteren Anspruch seiner Pflichtteilsberechtigten verringern möchte, verschenkt er oft schon zu Lebzeiten Teile seines Vermögens an andere Personen. Das kann jedoch dazu führen, dass der Pflichtteilsberechtigte beim Erbfall einen sog. „Pflichtteilsergänzungsanspruch" gegen diese Personen hat. Er soll nicht durch willkürliche Schenkungen des Erblassers jegliche Ansprüche verlieren. Bislang wurden solche Schenkungen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgten, in voller Höhe berücksichtigt. Die Schenkung wurde dann fiktiv dem Nachlass zugerechnet und der Pflichtteilsberechtigte hatte einen entsprechenden Pflichtteilsergänzunganspruch (Geldzahlung) gegen den Beschenkten.

Künftig soll dieser Anspruch nach Zeitablauf gestaffelt werden, je länger die Schenkung zurück liegt, umso weniger wird sie berücksichtigt. Erfolgte die Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall, wird sie noch voll berücksichtigt, erfolgte sie im zweiten Jahr zuvor, wird sie nur noch mit 9/10, im dritten Jahr mit 8/10 usw. berücksichtigt.

Diese gleitenden Ausschlussfristen sollen sowohl dem Beschenkten als auch dem Erblasser mehr Planungssicherheit geben. Schenkungen die mehr als zehn Jahre zurückliegen, bleiben weiterhin unberücksichtigt.


Gestärkte Position der Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten

Wenngleich die Pflichtteilsentziehung im Rahmen der Erbrechtsreform erleichtert wird, wird sie in der Praxis die Ausnahme bleiben. In den meisten Fällen haben Ehegatten, Abkömmlinge oder Eltern des Erblassers, die vom Erbe ausgeschlossen wurden, den sog. Pflichtteilsanspruch gegen die Erben. Der Pflichtteilsanspruch beträgt jeweils die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruch (bei Ehegatten also ¼) und richtet sich auf eine Ausgleichszahlung in dieser Höhe. Zur Zahlung dieses Pflichtteilsanspruchs sind die Erben verpflichtet - und zwar unverzüglich. Oftmals können sie jedoch die Pflichtteilsansprüche nur ausgleichen, indem sie das erhaltene Erbe veräußern.

Wenn aber eine Immobilie oder ein Unternehmen vererbt wurden, widerspricht das oft dem Willen des Erblassers, der dem Erben ein eigenes Heim verschaffen wollte oder das Weiterbestehen seiner Firma sichern. Diesen Konflikt entschärft die Reform, indem künftig alle Erben, die ein Eigenheim oder ein Unternehmen geerbt haben, die Pflichtteilszahlung stunden dürfen. Die bereits geltende Stundungsregelung war bislang sehr eng ausgestaltet und nur den Ehegatten, Abkömmlingen oder Eltern vorbehalten.

Beispiel: Erbt die Nichte des Erblassers sein Eigenheim oder die Lebensgefährtin das Unternehmen, so können sie gegenüber den Pflichtteilsberechtigten (z.B. Kinder) Stundung der Pflichtteilszahlung beantragen, wenn diese sonst eine unbillige Härte wäre.

Hinweis: Zur Erbschaftsteuerreform lesen Sie auch unseren Beitrag "Unternehmensnachfolge und die Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform".


Erbrechtlicher Ausgleich von Pflegeleistungen

Ein häufiger Streitpunkt beim Erbfall ist die fehlende Berücksichtigung von Pflegeleistungen, die Kinder gegenüber dem Erblasser erbracht haben. Wenn der Erblasser nichts regelt, fühlen sich die Pflegenden oft benachteiligt, wenn beispielsweise die anderen Geschwister zu gleichen Teilen erben, obwohl sie weder Zeit noch Aufwand für die Pflege des Verstorbenen erbracht haben.

Einen Ausgleich erhielten bislang nur Abkömmlinge des Erblassers, die aufgrund seiner Pflege auf ein eigenes Berufseinkommen verzichteten. Künftig werden Berufstätige gleichgestellt, die die Doppelbelastung von Beruf und Pflege auf sich genommen haben. Ebenfalls ausgleichsberechtigt sind künftig Abkömmlinge, die vor der Pflegeübernahme arbeitslos waren, sie wurden bislang gar nicht berücksichtigt.

Die Neuregelungen entsprechen der gesellschaftlichen Entwicklung, dass die Pflege alter oder kranker Menschen heutzutage nicht mehr „umsonst" innerhalb der Familie aufgefangen werden kann.


Einheitliche Verjährungsfristen

Mit der großen Schuldrechtsreform von 2001 waren die allgemeinen Verjährungsvorschriften bereits modernisiert worden. Dabei wurde u.a. die Regelverjährungsfrist von ursprünglich 30 Jahren auf 3 Jahre herabgesetzt. Die Erbrechtsreform zieht nun gleich und hat bis auf wenige Ausnahmefälle die bisher ebenfalls 30-jährigen Verjährungsfristen sowohl aus dem Erbrecht als auch aus dem Familienfrist angepasst und auf 3 Jahre verkürzt.

(MIC)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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