Freistellung nach Weiterbeschäftigungstitel – Lohn bei rechtskräftigem Unterliegen zurückzuzahlen?

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Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg darf der Arbeitnehmer den für die Freistellung gezahlten Lohn behalten, wenn er während des Kündigungsrechtsstreits zur Vermeidung der Vollstreckung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs freigestellt wurde.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2016 – gerichtl. Aktenz. 9 Sa 812/16

Was war passiert?

Der Arbeitgeber war in erster Instanz zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden. Das Arbeitsgericht hatte angenommen, die arbeitgeberseitige Kündigung sei unwirksam. Der Arbeitnehmer hatte zusätzlich einen Klageantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gestellt und auch die darauf gerichtete Klage gewonnen. Mit einem solchen Urteil kann die Beschäftigung im Betrieb vollstreckt werden.

Nun legte der Arbeitgeber Berufung gegen das Urteil ein. Um nicht Gefahr zu laufen, dass der Weiterbeschäftigungstitel aus dem Urteil vollstreckt wird, vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer, dass dieser bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Sache freigestellt werde. Dafür zahlte der Arbeitgeber den Lohn weiter.

Die Parteien vereinbarten nicht, was passieren sollte, wenn das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts kippt, also von einer wirksamen Kündigung in der Vergangenheit ausgeht.

Nun kam es tatsächlich so: Der Arbeitgeber gewann in der nächsten Instanz. Es blieb bei dieser Entscheidung, sie wurde also rechtskräftig. Der Arbeitgeber verlangte nun den Lohn für den Zeitraum der Freistellung zurück. Sein Argument: Das Arbeitsverhältnis sei schließlich nach den Feststellungen des Gerichts ja schon vorher aufgrund der Kündigung beendet gewesen.

Was bedeutet Rechtskraft und warum kommt es darauf an?

Rechtskraft bedeutet, dass gegen die betroffene Entscheidung kein Rechtsmittel mehr gegeben ist. Damit wird der Entscheidungsinhalt geltendes Recht. Es tritt Rechtskraft ein. Die Parteien müssen sich an das Entschiedene halten. Das ist deshalb so wichtig, weil damit ein Streit abschließend entschieden und Klarheit über das Begehren des Klägers / der Klägerin herrscht. Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass der Job des Klägers verloren war.

Was bedeutet „Vollstreckung der Weiterbeschäftigung“?

Es bedeutet zunächst einmal grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt werden muss. Wie kann man dies erzwingen? Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer Arbeit zuweisen und darf ihn also nicht nur in den Betrieb hereinlassen und sich dann nicht mehr um ihn kümmern, sonst wäre ein Beschäftigungsurteil sinnlos. Da dies nur der Arbeitgeber und kein Dritter veranlassen kann, spricht man auch von einer „unvertretbaren“ Handlung. Diese wird in der Weise vollstreckt, also zwangsweise durch das Vollstreckungsorgan durchgesetzt, dass gegen den Schuldner der Vollstreckungshandlung, also in diesem Fall der Arbeitgeber, ein Zwangsgeld festgesetzt wird, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Wenn er also nicht das macht, wozu er kraft Urteil verpflichtet ist, muss er ein Zwangsgeld zahlen. Das Gericht setzt die Höhe des Zwangsgeldes fest.

Was bedeutet Freistellung?

Freistellung bedeutet in dem geschilderten Fall, dass der Arbeitnehmer nicht arbeiten muss, aber trotzdem Lohn bekommt. Dies ist an sich die Ausnahme, denn der Arbeitnehmer soll ja arbeiten für sein Geld. Hier wollte der Arbeitgeber aber gar keine Arbeitsleistung und lieber nur den Lohn zahlen, weil der Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb zurückkommen sollte.

Warum hat sich der Arbeitnehmer darauf eingelassen?

Der Arbeitnehmer muss nicht darauf bestehen, dass die Weiterbeschäftigung umgesetzt wird, er hat vielmehr die Möglichkeit, zu entscheiden, ob dieser Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils durchgesetzt, sprich: vollstreckt werden soll oder nicht. Ob der Arbeitnehmer davon Gebrauch macht, kann unterschiedliche Gründe haben.

Warum wollte der Arbeitgeber das Geld zurückhaben?

Der Arbeitnehmer hat beim Arbeitgeber nicht gearbeitet. Der Arbeitgeber wollte den Nettolohn vom Arbeitnehmer zurückhaben, weil er meinte, den Lohn nur zahlen zu müssen, wenn sich am Ende herausgestellt hätte, dass das Arbeitsverhältnis mangels wirksamer Kündigung fortzusetzen war. Der Arbeitgeber meinte, die Freistellung habe unter der Bedingung gestanden, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch eine gerichtliche Entscheidung für beendet erklärt wird.

Eine Verpflichtung, den Lohn zu zahlen, ist der Arbeitgeber dagegen nach der hier vertretenen Auffassung freiwillig eingegangen, um den Arbeitnehmer während des laufenden Rechtsstreits nicht beschäftigen zu müssen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg meint dazu, diese Verpflichtung könne nicht nachträglich entfallen sein, nur weil der Arbeitgeber den Rechtsstreit letztlich gewonnen hat. Diese Freistellung, so das Gericht, ersetzt gleichsam die Weiterbeschäftigung und folgt deshalb den gleichen Regeln wie eine Weiterbeschäftigung aufgrund eines arbeitsgerichtlichen, erstinstanzlichen Urteils.

Was wäre mit dem Lohn bei einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung passiert?

Der Lohn wäre zu zahlen gewesen, er hätte nicht zurückgezahlt werden müssen. Das Landesarbeitsgericht führt hierzu wortwörtlich aus:

„Im Falle einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung aufgrund einer erstinstanzlichen Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung kann das Entgelt für die erfolgte Arbeitsleistung im Falle einer späteren Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zurückgefordert werden, soweit dieses – wie regelmäßig anzunehmen – dem Wert der Arbeitsleistung entspricht. Gegen die Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen werden die Parteien durch die im Bereicherungsrecht anerkannte Saldierung geschützt (BAG, Urteil v. 12.02.1992 – 5 AZR 297/90, BAGE 69, 324-331, Rn. 19; BAG, Urteil v. 10.03.1987 – 8 AZR 146/84, BAGE 54, 232-242… .).“

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2016 – gerichtl. Aktenz. 9 Sa 812/16

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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