Hinweise zu Missständen in Betreuungsverfahren ​

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Die Regelung des § 1821 BGB legt die zentralen Pflichten für Betreuer zur Ausübung ihres Amtes fest, die zuvorderst darin bestehen, die Betreuung nach den Wünschen des Betreuten zu führen. Diese sog. Wunschbefolgungspflicht gilt für das gesamte Betreuungsverfahren, also für alle Aufgabenbereiche sowie für die Aufsicht, die das Betreuungsgericht über die Betreuungsführung auszuüben hat.

Es versteht sich zwar von selbst, dass die Wunschbefolgungspflicht an die persönlichen und finanziellen Ressourcen geknüpft ist, die dem einzelnen Betreuten zur Verfügung stehen. Sie steht jedoch ausdrücklich seit 01.01.2023 nicht (mehr) in Zusammenhang mit dem objektiven Wohl des Betreuten. Entscheidend ist nur, was subjektiv für jeden einzelnen Betreuten „Wohl“ bedeutet und erfordert.

Auf keinen Fall darf der Wille betreuter Menschen allein deshalb übergangen werden, weil er womöglich von durchschnittlichen gesellschaftlichen Ansichten abweicht oder objektiv unvernünftig erscheint.

Dies wird jedoch immer noch nicht in allen Betreuungsverfahren so erkannt und praktiziert.

Wir möchten Ihnen deshalb hierzu einige grundlegende Informationen zur Verfügung stellen:

1.

Sofern Betreuer in ihren Entscheidungen und Handlungen für den Betreuten von den Wünschen des Betreuten abweichen oder die Wünsche für unbeachtlich halten, gilt dafür ein strenger Maßstab und ist nur unter den Voraussetzungen des § 1821 Abs. 3 BGB möglich.

Nach § 1821 Abs. 3 Nr. 1 BGB haben Betreuer den Wünschen von betreuten Personen nicht zu entsprechen, sofern „die Person des Betreuten oder dessen Vermögen hierdurch erheblich gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

oder nach § 1821 Abs. 3 Nr. 2 BGB „dies dem Betreuer nicht zuzumuten ist.“

Im Rahmen von in unserer Kanzlei geführten Mandaten stellen wir fest, dass Betreuer nicht nur die Wunschbefolgungspflicht missachten, sondern schon nicht dazu bereit sind, sie zur Kenntnis zu nehmen, bzw. zu ermitteln.

In krassen Einzelfällen besteht diese Pflichtwidrigkeit in Nichtstun oder gipfelt in Handeln gegen den Willen betreuter Personen. In anderen Fällen werden Anliegen von Betreuten rundweg zurückgewiesen. Es kann sich dabei um Betreuungsverfahren handeln, in denen Betreute derartige Situationen über lange Zeiträume hinnehmen, weil sie resigniert haben oder nicht darüber informiert sind, dass es sich dabei um Tatbestände handelt, die die Eignung des Betreuers in Frage entfallen lassen und einen Betreuerwechsel rechtfertigen können. 

Inhaltlich handelt es dabei zum Teil um rigorose finanzielle Beschränkungen, die Betreuten von Betreuern nach eigenen Maßstäben „auferlegt“ werden, obwohl umfangreiche finanzielle Ressourcen vorhanden sind und vor der Betreuung ein völlig anderer Lebensstil praktiziert wurde.

Betagten, z. B. unter Demenz leidenden Menschen werden Urlaubsreisen und Restaurantbesuche versagt, die bisherigen Lebenshaltungskosten und der bisherige Lebensstil für zu aufwendig betrachtet. Dauerhaft beeinträchtigen Menschen werden persönliche Beschränkungen auferlegt, indem sie in stationären Einrichtungen belassen werden, obwohl diese sich nichts mehr wünschen, als ein privates Leben in zur Verfügung stehenden anderen Wohnformen zu führen.

2.

Was bedeutet es, dass ein Betreuer Wünschen des Betreuten nicht zu entsprechen hat, soweit ihm dies nicht zuzumuten ist?

Dies bedeutet vor allem nicht, dass der Betreuer eigene (andere) Maßstäbe oder Wertvorstellungen seiner Entscheidung zugrunde legen darf und er deshalb die Wunschbefolgung als nicht zumutbar betrachten darf. Unzumutbarkeit bedeutet vielmehr z. B. völlig überzogene Wünsche (auch was die gewünschte Häufigkeit persönlichen Kontakts betrifft), Unterstützung bei rechtswidrigen Handlungen oder Beteiligung an einer schweren Selbstschädigung der betreuten Person.

3.

Voraussetzung dafür, dass die Betreuung nach den Wünschen des Betreuten geführt werden kann, ist, dass Betreuer diese Wünsche ermitteln. Auch dazu sind Betreuer verpflichtet. Nur wenn die Wünsche trotz umfangreichen Bemühungen nicht festgestellt werden können  (krankheitsbedingt), ist der mutmaßliche Wille der betreuten Person maßgebend und muss ermittelt werden. Der Betreuer hat sich hier umfangreich zu bemühen um sich darüber klar zu werden, wie sich der Betreute in der konkret in Frage stehenden Situation entschieden hätte. Angehörigen und Vertrauenspersonen soll deshalb Gelegenheit gegeben werden, sich dazu zu äußern, § 1821 Abs. 4 BGB.

4.

Um Wünsche ermitteln zu können, ist persönlicher Kontakt zwischen Betreuer und Betreuten erforderlich. Auch hierzu sind Betreuer verpflichtet, wobei die Häufigkeit und Intensität des persönlichen Kontakts nicht normiert wurden und sich nach dem Einzelfall richten. Angelegenheiten und Entscheidungen sind mit der betreuten Person zu besprechen.

5.

Die Herstellung des persönlichen Kontakts ist darüber hinaus grundlegende Voraussetzung, das für jede zielführende Betreuung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem zu schaffen. Sofern diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist eine zielführende Betreuung nicht möglich.


Sollten Sie Missständen einem Betreuungsverfahren ausgesetzt sein und/oder benötigen Sie rechtlichen Rat zum Thema Betreuungsrecht, so zögern Sie bitte nicht und kontaktieren die Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie können uns telefonisch erreichen unter 089 / 44 232 990, über E-Mail erreichen Sie uns unter muenchen@rechtsanwalt-thieler.de oder über das Kontaktformular.



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