Kann Blasenschwäche vor einem Fahrverbot bewahren?

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In der Praxis werden vor Gericht mitunter kuriose Begründungen für die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit angeführt. In einem vor dem OLG Hamm verhandelten Verfahren (Az.: 4RBs 326/17) versuchte es der dortige Betroffene mit einer Blasenschwäche.

Der Fall

Der Betroffene war zum Tatzeitpunkt 61 Jahre alt. Auf einer Bundesstraße überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h und wurde hierfür von der Bußgeldstelle mit einer Geldbuße von 80 € und einem einmonatigen Fahrverbot belegt. Das Fahrverbot wurde verhängt, da der Betroffene bereits wenige Monate zuvor wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h mit einem Bußgeld belegt worden war.

Vor Gericht behauptete der Betroffene unwiderlegt, er sei nach einer Operation an der Prostata in seiner Kontinenz sehr eingeschränkt. Er hätte während der Fahrt einen so starken und schmerzhaften Harndrang verspürt, dass er nur noch darauf fokussiert gewesen sei möglichst schnell am Fahrbahnrand zu halten um sich zu erleichtern. Da auf der Bundesstraße dichter Verkehr herrschte, sei dies jedoch zunächst nicht möglich gewesen, so dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Suche nach einem geeigneten Örtchen überschritt.

Das Urteil

Das Amtsgericht verurteilte entsprechend des Bußgeldbescheides zu einer Geldbuße von 80 € und einem Fahrverbot. Auf die Rechtsbeschwerde hin hob das Oberlandesgericht die Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Das OLG befand das angegriffene Urteil als mangelhaft. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein durch körperliche Gründe (z. B. Krankheit, Gebrechen oder Schwangerschaft) bedingter sehr starker Harndrang, der ursächlich für die Geschwindigkeitsüberschreitung war, ein Grund sein kann, vom Regelfahrverbot abzusehen.

Dies sei allerdings nicht der Regelfall. Es reicht nicht eine bloße körperliche Disposition aus. Der Fahrer müsse vielmehr entsprechend seiner Einschränkungen die Fahrt planen und Unwägbarkeiten wie Stau, Baustellen usw. in seiner Planung berücksichtigen, damit ihn ein starker Drang zur Verrichtung der Notdurft nicht zu pflichtwidrigen Verhalten verleitet.

Erst wenn trotz entsprechender Vorbereitung eine Notsituation eintritt, kann von einem Regelfahrverbot abgesehen werden. Dies allerdings muss der Bußgeldrichter durch Feststellung der näheren Umstände der Vorbereitung, der Verkehrssituation und der Fahrt ermitteln und in den Urteilsgründen festhalten.

Hinweis

Wie eigentlich immer: es kommt auf den Einzelfall an. Das Amtsgericht hat übrigens weiter zu prüfen, so das OLG, ob es sich um eine Situation handelte, in die der Betroffene häufiger kommt. In diesem Fall müsse er sich nämlich darauf einstellen. Wenn er ein Fahrzeug führte, obwohl er von seinem quälenden Harndrang so abgelenkt war, dass er der zulässigen Höchstgeschwindigkeit keine Beachtung mehr schenken konnte, würde dies das Maß der Pflichtwidrigkeit sogar noch erhöhen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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