Lombardium – Funktioniert unser Rechtsstaat noch? Viele Fragen zum Umgang mit einem Schneeballsystem

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Während der damals Hauptverantwortliche der heute insolventen Lombardium Fonds im WhatsApp-Status ungeniert seinen luxuriösen Lebensstil zur Schau stellt, müssen die Geschädigten seit Jahren erleben, dass eine strafrechtliche Sanktionierung nicht erfolgt. Sollte die Hamburger Justiz nicht rasch tätig werden verjähren, soweit noch nicht geschehen, sämtliche angeklagten Taten und die Verantwortlichen für den Massenschadensfall Lombardium bleiben straffrei.

Unsere Kanzlei, die fast 2000 der geschädigten Anleger der Lombardium-Fonds und die Interessengemeinschaft Lombardium vertritt, möchte das Geschehen nun öffentlich machen. In einer Eingabe an Hamburgs Justiz-Senatorin Anna Gallina haben wir den aktuellen Stand des Lombardium-Verfahrens dargestellt und auf die eklatanten Missstände in der Verfahrensführung hingewiesen. Wir haben die Politikerin aufgefordert, den Vorgang zu prüfen.

Das Verfahren zum Aktenzeichen 630 KLs 5/20 richtet sich gegen die Betreiber des Pfandhauses Lombardium und die entsprechenden Fonds, insbesondere gegen den Hauptangeschuldigten Patrick E.. Bei diesem Verfahren geht es um die strafrechtliche Relevanz der nach unserer Auffassung betrügerischen Abwicklung der Lombardium Fonds mit der Vernichtung von Anlegerkapital in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro.

Warum das Verfahren stockt, ist wahrscheinlich nur den Verantwortlichen selbst bekannt. Für die Geschädigten und ebenso wie für am Thema interessierte Journalisten, Rechtsanwälte und Politiker ist es ein Skandal, dass die Betreiber eines Schneeballsystems noch immer ein Luxusleben führen können und offensichtlich auch nicht befürchten müssen, jemals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Das Verfahren ist so lange nicht vorangetrieben worden, bis bereits jetzt zahlreiche Taten drohen, der absoluten Verfolgungsverjährung von 10 Jahren zu unterliegen.

Während die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits 6 (!) Jahre benötigte, um Anklage zu erheben, ist es der Wirtschaftsstrafkammer, trotz mehrfacher Rückfragen unserer Kanzlei bis zum heutigen Tage, auch fast vier Jahre nach Anklageerhebung nicht möglich gewesen, über eine Zulassung der Anklage zu entscheiden.

Dies ist umso befremdlicher, als es der Justiz in München gelang, den sicherlich deutlich umfangreicheren Prozess um den Wirecard Skandal in wesentlich kürzerer Zeit vollständig zu ermitteln, anzuklagen und zu verhandeln.

Zeit genug wäre gewesen: Bereits im April 2014 erreichte die Staatsanwaltschaft Hamburg eine anonyme Strafanzeige bezüglich der um das Pfandhaus Lombardium Hamburg konstruierten Fonds (LombardClassic 2 und LombardClassic 3) und der mit der Verwaltung befassten Gesellschaften. Die Staatsanwaltschaft reagierte trotz zahlreicher Verdachtsanzeigen diverser Banken schon damals nur sehr zögerlich und ermittelte erst ernsthaft nach der Untersagung des unerlaubten Kreditgeschäfts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Dezember 2015.

Dabei hatte das LKA die Staatsanwaltschaft bereits im Sommer 2015 auf seinen erhärteten Verdacht eines gewerbsmäßigen Bandenbetruges zulasten der Anleger hingewiesen.  Hinweis und Warnung blieben ungehört: Die Angeschuldigten sammelten fleißig weiter Anlegergelder ein, während die Staatsanwaltschaft sich nicht zur Ergreifung von Maßnahmen veranlasst sah.

Nachvollziehbar, dass jüngst mit solchen Angelegenheiten befasste Ermittler, wie z.B. die ehemalige CumEx-Chefermittlerin Anne Brorhilker, den Dienst quittieren und sich Beschäftigungsfelder im NGO-Bereich suchen, in denen effektiver für Verbraucher- und Anlegerschutz gearbeitet werden kann als in einer öffentlichen Einrichtung.

Insgesamt investierten Anleger in den LombardClassic 3 Fonds nochmals knapp 40 Milllionen Euro in einer Zeit, als der Verdacht des Schneeballsystems gemeldet worden war.

Nach unserer Erkenntnis wurden Anträge auf Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen erst Mitte 2016 gestellt. Es blieb den Verantwortlichen somit genügend Zeit zur Verdunkelung. Insbesondere hatten die Verantwortlichen auch genügend Zeit, noch verfügbares Kapital in Sicherheit zu bringen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen erfolgte weder die Beantragung von Haftbefehlen noch die Arrestierungen von Vermögenswerten.

Ungeniert posierte Patrick E. noch während des laufenden Ermittlungsverfahren 2015 als Sponsor des German Open Turniers am Rothenbaum mit Tennisprominenz wie Michael Stich. Als festes Mitglied der höchst ehrenwerten Hamburger Hochfinanz werden Patrick E. Kontakte bis in die politische und gesellschaftliche Spitze nachgesagt.

Im Sommer 2020 klagte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Drahtzieher des Schneeballsystems wegen banden-und gewerbsmäßigen Betruges in 1730 tateinheitlichen Fällen endlich an.

Die Anklage wird nach unseren Informationen bis zum heutigen Tage nicht durch das Landgericht bearbeitet. Wir hatte noch 2020 für etwa 45 Betroffene Adhäsionsanträge gestellt und ausdrücklich um Mitteilung gebeten, sofern das Landgericht über die Anklagezulassung entschieden hat. Auf eine Rückfrage Anfang 2022 wurde durch das Gericht im März mitgeteilt, dass vordringlich über Haftsachen (mit Aktenzeichen aus 2021) entschieden werden müsse. Eine Vorbereitung des Verfahrens 630 KLs 5/20 würde voraussichtlich im Oktober 2022 erfolgen.

Nachdem abermals keine Mitteilung des Landgerichts Hamburg erfolgte, erfragten wir erneut im Februar 2023 unter Hinweis auf die absolute Verfolgungsverjährung, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne. Das Gericht erklärte, dass insbesondere im Hinblick auf die sehr dünne Personaldecke und weitere bevorstehende Personalwechsel der Kammer, im Laufe des Jahres eine Entscheidung nicht zu erwarten sei.

Auch nach dem Jahreswechsel unterblieb die angeforderte Mitteilung des Gerichts, dass das Verfahren nunmehr bearbeitet werde.

Es erschüttert auch Juristen in ihren Glauben an die Rechtsstaatlichkeit, dass mit Ablauf des vergangenen Jahres bereits die angeklagten Taten bis 2013 absolut verjährt sein dürften. Aufgrund der katastrophalen Bearbeitungsdauer des Landgerichts, (die insbesondere nicht zu einem Ruhen der Verjährung führte,) ist nicht mit einer Entscheidung und Verhandlung in diesem Jahr zu rechnen, so dass der ganz überwiegende Teil der vorgeworfenen Taten ebenso verjähren dürfte.

Wir haben die Justiz-Senatorin dementsprechend in unserer aktuellen Eingabe aufgefordert, uns mitzuteilen, wie sie weiter mit der Angelegenheit verfahren wird.

Es bleibt zu hoffen, dass nach Jahren endlich Bewegung in das Verfahren kommt.





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