Obacht bei Vermögensanlageverträgen und AGB – prüfen Sie jetzt Ihre Verträge!

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Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann und einer Kollegin

Mezzanine Finanzierungsformen haben sich zunehmend etabliert, auch Start-ups ermöglichen sie größte Flexibilität. Doch der BGH trübte die Freude: Vorformulierte Rangrücktritte in Verbraucherverträgen sind unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam, die Auswirkungen sind massiv:

1. Was sind mezzanine Finanzierungsformen?

Unter den Begriff des Mezzaninkapitals fallen Genussscheine wie auch Wandelanleihen, stille Beteiligung und Nachrangdarlehen. Diesen Instrumenten ist gemeinsam, dass sie einen Hybridcharakter aufweisen, der sowohl Merkmale von Eigen- als auch von Fremdkapitaltiteln vereinigt

2.Was bedeutet ein qualifizierte Nachrangabrede (Rangrücktritt)?

Unter einer Rangrücktrittsvereinbarung versteht man eine vertragliche Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, bei der die begründete Forderung zivilrechtlich nicht erlischt, sondern lediglich im Rang nach den anderen Gläubigern zu befriedigen ist. Dabei wird die Durchsetzbarkeit der Forderung bis zur Überwindung der Krise ausgeschlossen. Eine Rangrücktrittsvereinbarung dient dazu, die Überschuldung einer Kapitalgesellschaft zu verhindern oder zu beseitigen, indem die Verbindlichkeit so ausgestaltet wird, dass ein Ansatz auf der Passivseite im Überschuldungsstatus nicht zu erfolgen hat. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 InsO sind Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern bei der Ermittlung des Überschuldungsstatus dann nicht zu berücksichtigen, wenn ein ausdrücklich vereinbarter Rangrücktritt hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1-5 genannte Forderung vereinbart wurde. Dies gilt auch für die Forderung Dritter.

3. Führt das Anbieten und der Vertrieb von Mischfinanzierungsformen zu einem unerlaubten Bankgeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes?

Gemäß § 32 Absatz ein S. 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Dabei ist unter einem Bankgeschäft die Annahme fremder Gelder als Einlage oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums zu verstehen, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG.

Unbedingt rückzahlbar sind solche Gelder, die der Kapitalgeber nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzungen – insbesondere unabhängig vom Geschäftserfolg des Kapitalnehmers – jederzeit wieder zurückfordern kann. Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sogenannte qualifizierte Rangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenen Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf, der für den Fall der Insolvenz erklärte Rangrücktritt also mit einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre verbunden wird, BGH Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18.

4. Wann sind Rangrücktrittsregelungen wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam?

Eine qualifizierte Nachrangabrede wird nur dann nicht als unbedingter Rückzahlungsanspruch als unbedingt im Sinne des §§ 1 Absatz ein S. 2 Nr. 1 KWG eingestuft, wenn die Abrede zivilrechtlich wirksam ist. Anderenfalls handelt es sich um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 KWG. Stellt sich die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Abrede dagegen als überraschende Klausel im Sinne des §§ 305 c Abs. 1 BGB dar und wurde deshalb nicht Vertragsbestandteil oder hält sie der AGB rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, fehlt es an einer wirksamen zivilrechtlichen Regelung.

Rangrücktrittsklausel müssen klar und verständlich formuliert sein. Sonst sind sie wegen Verstoßes gegen § 307 Absatz ein S. 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Klausel muss dabei nicht nur in ihrer Formulierung aus sich heraus verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen, soweit wie möglich, verdeutlichen. Bei einer durchzuführenden Gesamtbetrachtung aller Klauseln dürfen diese inhaltlich nicht unklar bleiben, für die angesprochene Zielgruppe (meist Verbraucher) inhaltlich nicht schwer verständlich sein oder die Konsequenzen nur unzureichend erklären. Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeit des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Werden Genussscheine Privatanlegern angeboten, müssen die allgemeinen Geschäftsbedingungen so gestaltet sein, dass auch juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildete Kunden sie ohne besondere Erläuterung verstehen können. Diesen Anforderungen genügt eine Klausel nur, wenn

  • aus ihr die Rangtiefe,
  • die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre sowie
  • deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen

klar und unmissverständlich hervorgeht.

5. Konsequenzen aus dem Urteil:

Dass die Formulierungen von qualifizierten Rangrücktritt im Hinblick auf § 5 Abs. 2a EStG gründlich [ML1] [ER2] zu prüfen ist, ist mittlerweile hinreichend bekannt.

Im Hinblick auf die Erlaubnispflichtigkeit nach dem Kreditwesengesetz und den Folgen für den Vertrag, in den die allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam mit einbezogen sind, ist besondere Sorgfalt geboten:

Unternehmer, die allgemeine Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Mischfinanzierungsformen verwendet haben, sollten diese gründlich prüfen. Eine unwirksame Klausel hat weitreichende Folgen.

a. strafrechtliche Sanktion nach KWG

Gemäß § 37 KWG droht die sofortige Einstellung oder sofortige Abwicklung, nach § 54 KWG sogar Strafbarkeit.

b. bilanzielle Auswirkungen

Ist der Rangrücktritt nicht wirksam vereinbart, droht die insolvenzrechtliche Überschuldung, da das Kapital als Fremdkapital bewertet wird. Bei GmbHs beispielsweise besteht dann Insolvenzantragspflicht.

c. Schadensersatzansprüche

Der Unternehmer hat dem Anleger Schadensersatz in Höhe des hingebenden Betrags zu zahlen.

Im Hinblick auf die schweren Konsequenzen ist jeder gehalten, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu prüfen und notfalls nachzubessern.


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