Pflichtteilsansprüche richtig prüfen, einfordern und einklagen

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Kinder und Ehegatten sind nicht nur gesetzliche Erben, sondern auch Pflichtteilsberechtigte. Werden sie durch ein Testament zurückgesetzt, sollten sie ihre Ansprüche prüfen und durchsetzen lassen. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. In dieser Höhe hat ein ganz oder teilweise enterbter Angehöriger einen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben bzw. Miterben. Dabei wird der Pflichtteilsberechtigte nicht etwa in Höhe seines Pflichtteils Mitglied einer Erbengemeinschaft, sondern erhält einen Anspruch auf Auszahlung seines Pflichtteils durch den Erben. Wichtig: Auch wer im Testament als Erbe auftaucht, kann Pflichtteilsansprüche haben, wenn sein testamentarischer Erbteil zu gering ist.

Wer glaubt, dass er als naher Angehöriger im Erbfall zu kurz gekommen ist, kann wie folgt vorgehen:

Überprüfung des Testaments

Da der Pflichtteilsanspruch lediglich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, sollte zunächst das Testament auf Schwachstellen überprüft werden. Viele Testamente können von einem versierten Rechtsanwalt angegriffen werden, weil sie z.B. wegen Formfehlern, fehlender Testierfähigkeit oder wegen eines Irrtums des Erblassers unwirksam oder anfechtbar sind. Auch sind viele Testamente nicht ganz eindeutig und können unterschiedlich interpretiert werden. Hier kann man z.B. dadurch Druck aufbauen, dass man – trotz möglicher Enterbung – einen Erbschein zu eigenen Gunsten beantragt. Dann muss das Nachlassgericht prüfen, wer tatsächlich in welcher Höhe Erbe geworden ist und wer auf seinen Pflichtteil verwiesen wurde.

Ansprüche auf Auskunft, Wertermittlung und Zahlung geltend machen

Ist an der Enterbung nicht zu rütteln oder erschient die Stellung als Pflichtteilsberechtigter für die Durchsetzung der eigenen Interessen strategisch klüger, sollten die Pflichtteilsansprüche zügig geltend gemacht werden. Beim Erbstreit um den Pflichtteil geht es meistens darum, dass der Erbe Vermögen verheimlicht oder mit einem zu geringen Wert ansetzt. Der erfahrene Rechtsanwalt im Erbrecht wird daher für den Pflichtteilsberechtigten alle Ansprüche schriftlich geltend machen. Zunächst geht es dabei um die Auskunft des Erben durch Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Je mehr Informationen der Rechtsanwalt schon über mögliche Vermögenswerte im Nachlass hat, umso mehr Druck kann in diesem Stadium auf den Erben ausgeübt werden. Vermögenswerte wie Immobilien, Beteiligungen oder Kunstgegenstände haben keinen feststehenden Wert. Der Pflichtteilsberechtigte hat Anspruch darauf, dass sie von einem Sachverständigen begutachtet und geschätzt werden.

Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht vergessen

In vielen Fällen stellt sich der Nachlass und der daraus berechnete Pflichtteilsanspruch für enterbte Angehörige als Enttäuschung dar. Das liegt nicht selten daran, dass der Erblasser zu Lebzeiten „vorgesorgt“ hat, indem er Vermögen bereits an andere Personen verschenkt hat. Lebzeitig Schenkungen werden aber in vielen Fällen für die Berechnung des Pflichtteils mitberücksichtigt. Daher müssen Nachforschungen und Auskunftsansprüche auch auf solche Vermögensverschiebungen gerichtet sein. Grundsätzlich gilt zwar, dass eine Schenkung mit jedem Jahr nach dem Vollzug 10 Prozent für die Berücksichtigung bei der Pflichtteilsberechnung verliert. Gerade bei der Übertragung von Immobilien, werden jedoch immer wieder Fehler gemacht, die dazu führen, dass auch Schenkungen, die 10 Jahre oder länger zurück liegen noch voll zugunsten des Pflichtteilsberechtigten gewertet werden müssen.

Einklagen der Ansprüche durch Stufenklage

Der Auskunftsanspruch, Wertermittlungsanspruch und Zahlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten wird nicht vor dem Nachlassgericht, sondern vor den normalen Zivilgerichten (meist Landgericht) durch eine Stufenklage geltend gemacht. Meist geht es bei solchen Klagen nicht darum, ob die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten bestehen, sondern welche Höhe der konkrete Anspruch auf Geldzahlung gegen den Erben hat. Es geht darum, was zum pflichtteilsrelevanten Nachlass gehört und mit welchem Wert es anzusetzen ist.

Es gibt Konstellationen, in denen der Pflichtteilsberechtigte zwar gute Aussichten auf eine sehr hohe Geldzahlung hat, jedoch aufgrund der hohen damit einhergehenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten, die sich nach der Höhe des Anspruchs richten, vor der gerichtlichen Geltendmachung zurückschreckt. In diesen Fällen kommt eine Prozessfinanzierung in Betracht. Hält der Prozessfinanzierer die Klage des beauftragten Rechtsanwalts auf Zahlung des Pflichtteils für aussichtsreich, übernimmt er alle damit verbundenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (auch die des gegnerischen Anwalts). Im Erfolgsfall erhält er dann im Gegenzug eine Beteiligung von ca. 20 bis 30 Prozent des gewonnenen Betrages.


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