ProReal Europa 9/10 der One Group GmbH (Soravia) - Anleger sollen Beirat wählen - Befugnisse und Haftung unklar

  • 8 Minuten Lesezeit

Nach langen Ankündigungen ist es nun so weit: AnlegerInnen der ProReal Europa 9 GmbH und der ProReal Europa 10 GmbH sollen einen Anlegerbeirat wählen. Anwaltliche Vertreter von AnlegerInnen sollen zur Wahl nicht zugelassen werden. Es gibt aber zumindest eine Satzung des Anlegerbeirates. Lesen Sie hier, warum viele Fragen genau deswegen und noch immer ungeklärt sind. 

1. ProReal Europa 9 GmbH / ProReal Europa 10 GmbH - Anlegerbeirat soll nun gewählt werden

Am 30.04.2024 hatten die ersten AnlegerInnen Post von Ihrer Anlagegesellschaft bekommen. Der Anlegerbeirat soll nun endgültig gewählt werden. Dazu muss man sagen, dass man daran nun inzwischen auch schon rund 2 Monate arbeitet, denn die erste Ankündigung des grundsätzlich zu begrüßenden Anlegerbeirates erfolgte bereits vor zwei Monaten. Einzelheiten hierzu können Sie hier nochmals nachlesen: 

One Group / ProReal-Serie - Restrukturierung für 4 Gesellschaften seit Januar - kann es ein Anlegerbeirat retten? (anwalt.de)

Bis zum 10.05.2024 kann sich im Grunde jeder Anleger bzw. jede AnlegerIn und auch der Vertrieb auf einen Sitz in diesem Gremium bewerben. Zeitgleich mit dem Anschreiben haben die AnlegerInnen die Satzung des Anlegerbeirates erhalten. Darin enthalten sind die "Befugnisse" des Beirates und dessen Wahlprocedere. 

2. Wie ist die Zusammensetzung des Beirates? 

a) Fünf Personen plus Ersatzperson 

Der Beirat soll - pro Gesellschaft - mit drei AnlegerInnen und einer Ersatzperson und zwei Vertretern von Vertriebsgesellschaften besetzt sein. Insgesamt besteht der Beirat als aus 5 Personen (plus einer Ersatzperson). 

b) Wer kann sich wählen lassen? 

Wählen lassen kann sich jeder Anleger bzw. jede Anlegerin für den Beirat der Gesellschaft, in der sie über die Schulverschreibung investiert sind. Voraussetzung für die Wahl ist: 

  • Stabile Internetverbindung und Möglichkeit per „Teams“ an Videocalls teilzunehmen 
  • Grundlegende Kenntnis der gezeichneten Produkte 
  • Wille zur konstruktiven und pragmatischen Lösungsfindung ca. 1,5 Stunden Zeit pro Monat (17:00-18:30 Uhr) 
  • Keine Interessenskonflikte (Soravia/One Group-Mitarbeiter)

c) Wer kann sich nicht wählen lassen? 

In der mit übersandten Satzung ist zu lesen, dass sich ausdrücklich nur AnlegerInnen selbst wählen lassen können. 

Die Wahl anwaltlicher Vertreter ist nicht (mehr) zugelassen.

Das verwundert einigermaßen: In den Diskussionen rund um die Befugnisse des Beirates ist die Frage der Wählbarkeit anwaltlicher Vertreter für die AnlegerInnen bis hin zu deren Legitimation durch Vollmachtsvorlage diskutiert wurden. Bereits mit PM vom 25.04.2024 mitgeteilt hat, ist man seitens der OneGroup nicht bereit, Anlegervertreter nun überhaupt nicht mehr zugelassen werden sollen. Hintergrund sei nach Auffassung der Geschäftsführung, dass die Tätigkeit in keinen Fall vergütet werden könnte, weil das einen Interessenkonflikt darstellen würde. 

d) Warum werden anwaltlichen Vertreter nicht (mehr) zugelassen? 

Die Begründung, dass bei einer Vergütung der Tätigkeit für den Beirat ein Interessenkonflikt entstehen würde, ist nach meiner Einschätzung nur vorgeschoben. In jeder Krisensituation und auch in Insolvenzverfahren ist es üblich, dass die Beratung der Schuldnerin und die Überwachung der Geschäftstätigkeit vergütet wird. So überwacht z.B. ein Gläubigerausschuss ebenfalls die Tätigkeit des Insolvenzverwalters/Sachwalters und der Geschäftsführung. Auch hierfür sieht das Gesetz sogar eine Vergütung vor. 

In § 73 Abs. 1 InsO heißt es: 

"Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Dabei ist dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit Rechnung zu tragen."

In § 17 InsVV heißt es: 

"Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde. Bei der Festsetzung des Stundensatzes sind insbesondere der Umfang der Tätigkeit und die berufliche Qualifikation des Ausschussmitglieds zu berücksichtigen."

Es gibt also schlicht keine Interessenkollision, die einer Vergütung entgegensteht. 

Nach meiner Einschätzung hat die jetzt vorliegende Entscheidung einen ganz anderen Hintergrund: Wenn man anwaltliche Vertreter zur Wahl in den Beirat zulassen würde, könnten diese möglicherweise Fragen stellen, die man seitens der oneGroup und/oder Soravia aus verschiedenen Gründen nicht beantworten möchte. Insbesondere dann, wenn in dem Gremium anwaltliche Vertreter beteiligt sind, die nicht die erste Insolvenz bearbeiten, könnte es dort recht schnell "ungemütlich" werden. Das möchte man offensichtlich bei der oneGroup bzw. Soravia nicht. Kritische Fragen sind offensichtlich nicht erwünscht. 

Und weil das so ist, habe ich zumindest für meine Person bereits vorher entschieden, dass ich selbst bei bestehende Möglichkeit eines Sitzes in diesem Beirat für diesen nicht zur Verfügung stehen werde. Ich habe bereits mehrere Insolvenzverfahren in verschiedenen Positionen auch als Mitglied von Gläubigerausschüssen begleitet. Letztes Jahr habe ich zusammen mit Sachwalter und Geschäftsführung eines Herstellers von Solarfahrzeugen einen Insolvenzplan begleitet. Ich kenne den Aufwand dafür und ich weiß, was man an Informationen haben muss, um einen Insolvenzplan rechtlich einordnen und bewerten zu können. Dazu gehört die Vorlage der dem Plan zugrunde liegenden Unterlagen. Ohne diese wird ein Gremium, was eine Empfehlung zu einem solchen Plan abgeben soll, zu einer reinen Alibi-Veranstaltung. 

Die Einzelheiten zu dem Thema können Sie hier nochmals nachlesen: 

One Group / Soravia / ProReal Europa 9/10 - Anlegerbeirat in Sackgasse - Individuelle Ansprüche jetzt durchsetzen (anwalt.de)

3. Was sind die Aufgaben und Befugnisse des Anlegerbeirates? 

Auch dies war ein Punkt, den wir vor der Wahl des Beirates intensiv diskutiert haben. Die Tatsache, dass der Aufforderung zur Wahl eine Satzung des Beirates beigefügt ist, hatte sowohl die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) als auch ich angemahnt. Ohne eine solche Satzung weiß doch kein Anleger bzw. keine AnlegerIn, worauf sie sich da wirklich einlässt. Die jetzt vorliegende Satzung macht die Sache aber leider nicht klarer. 

a) Aufgaben des Beirates

In § 1 der Satzung werden die Aufgaben des Beirates genannt: 

  • Herstellung einer transparenten Kommunikation Anlegern, ihren Vertretern und den Emittenten über das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung der SCF 4
  • Ausgleich des "erlittenen Vertrauensverlustes"
  • frühzeitig Information über die Höhe der zu erwartenden Verluste und über den zeitlichen Ablauf der Auszahlung einer zu erwartenden Quote

Das ist alles relativ schwammig. Ich formuliere es mal so, wenn der Beirat, bestehend aus 5 Personen die Kommunikation zwischen über 10.000 AnlegerInnen und der Emittentin und die SCF4 herstellen soll, dürfte der avisierte monatliche Zeitaufwand von 1,5 h pro Monat kaum ausreichen. Abgesehen davon ist nicht wirklich ersichtlich, warum die Gesellschaften das nicht sinnvollerweise einfach selbst übernehmen. Warum muss da ein Beirat zwischengeschaltet werden. 

Wenn denn auch eine transparente Kommunikation mit den Vertretern der AnlegerInnen hergestellt werden soll, dann passt die Tatsache, dass eben diese aber bitte nicht im Beirat zu sitzen haben, irgendwie nicht dazu. 

b) Nur begrenzte Informationen für den Beirat 

Die Informationen, die der Beirat bekommen soll, lassen sich einfach darstellen: 

  • Erläuterung der Entstehung der Krise des SCF4
  • 30.06.2024 eine zusammenfassende Finanzanalyse der Projektinvestitionen mit Zahlungsein- und -ausgängen der SCF 4
  • Übersicht über die Projekte, in die die SCF 4 anteilig investiert hat
  • zusätzliche Darstellung die rückabgewickelten oder mit bereits realisierten hohen Verlusten versehenen Projekte 

Darüber hinaus soll der Beirat ein "Fragerecht" bekommen. Das wird aber in der Reichweit gleich wieder eingeschränkt, denn: 

"Ihm steht aber kein verpflichtendes Informationsrecht zu, insbesondere dann nicht, wenn dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Projektgesellschaften offengelegt werden müssten."

Mit anderen Worten: Der Beirat hat sich mit dem zu begnügen, was ihm an Informationen zur Verfügung gestellt wird. Er kann zwar nach mehr fragen, aber wenn angebliche Geschäftsgeheimnisse betroffen sein sollen, wird es schlicht keine Antworten geben. 

Auch das ist nur ein vorgeschobene Grund: Wenn man wirklich gewollt hätte, dass Geschäftsgeheimnisse nicht nach außen dringen, dann hätte man es durch eine entsprechende Verschwiegenheitsverpflichtung der Beiratsmitglieder verhindern können. Allerdings sieht die Satzung eine solche Verschwiegenheitsverpflichtung überhaupt nicht vor. Das lässt nur einen Schluss zu - man will die notwendigen Informationen einfach nicht geben, die die Anleger benötigen um zu einem späteren Zeitpunkt die Sinnhaftigkeit eines Insolvenzplanes einschätzen zu können. 

Eine entsprechende Verschwiegenheitsverpflichtung ist auch nichts ungewöhnliches, denn z.B. bei einem vom Gericht eingesetzten Gläubigerausschuss ist das eigentlich ein ganz normaler Punkt. 

c) Unklare Entscheidungsbefugnisse des Beirates

Laut Satzung soll jedes "Anleger"-Beiratsmitglied eine Stimme haben. Vertreter der Vermittler sollen kein Stimmrecht haben. 

Die alles entscheidende Frage ist aber die: Wofür braucht der Beirat dieses Stimmrecht und worüber soll er beschließen? Diese Frage konnte mir ehrlich gesagt bisher auch keiner beantworten. Wenn der Beirat etwas beschließen sollte - welche rechtlichen Folgen hat das dann? Sind das dann Empfehlungen oder hat das irgendwelche bindende Wirkung? 

Hierzu findet sich in der Satzung schlicht gar nichts, sodass man sich also zur Wahl stellen muss, ohne zu wissen, worüber man eigentlich irgendwann mal abstimmen soll. 

d) Persönliche Haftung der Beiratsmitglieder? 

Diese unklaren Entscheidungsbefugnisse haben noch eine andere Seite: Welcher Haftung unterliegen die Beiratsmitglieder? Wenn sie - was auch immer entscheiden - wo ist geregelt, welcher Haftung die Beiratsmitglieder unterliegen. Wofür haften die Beiratsmitglieder also? Haften sie für "falsche" Entscheidungen oder für die unzureichende Kontrolle? Wenn sie das "Sprachrohr" der Gesellschaften sein sollen und dann mit anderen AnlegerInnen sprechen, haften sie dann für entsprechende, vielleicht sogar unbewusst , falsche Auskünfte oder Empfehlungen? Handelt es sich hier um eine persönliche Haftung des Beiratsmitgliedes? 

Auch hier muss man doch das Rad nicht neu erfinden: Ein Gläubigerausschuss hat genau geregelte Rechte und Pflichten und eine genau geregelt Haftung. Diese Haftung trifft die Mitglieder der Gläubigerausschüsse persönlich. Aber weil das so ist, gibt es für Mitglieder in Gläubigerausschüssen auch eine Haftpflichtversicherung, die solche Fälle abdeckt und die aus der Masse bezahlt wird. Eine solche Regelung gibt es hier aber zumindest laut Satzung nicht, sodass hier eine persönliche Haftung des einzelnen Beiratsmitgliedes gerade bei diesen unklaren Befugnissen und schwammigen Rechten nicht ausgeschlossen werden kann. 

Insbesondere dann, wenn hier die rechtlichen Wirkungen eines Insolvenzplanes zur Debatte stehen, dürfte das die meisten, nicht juristisch vorgebildeten AnlegerInnen überfordern. Mit einer solchen unklaren Haftung dann einen Insolvenzplan zu beurteilen oder gar zu empfehlen, halte ich ohne anwaltliche Hilfe für hoch riskant. 

4. Fazit zum Anlegerbeirat

Mein Fazit zum Anlegerbeirat ist ernüchternd. Grundsätzlich ist der Beirat als solches zu begrüßen. Aber: Dieser Beirat hat jedoch 

  • keine klar und genau geregelten Aufgaben, 
  • keine klar und genau geregelten Befugnisse,
  • keine klar und genau geregelten Informationsrechte und 
  • keine Regelung zu einer (möglicherweise persönlichen) Haftung. 

Das führt mich zu dem Schluss, dass aus der Arbeit des Beirates kaum Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Im Gegenteil: die Mitglieder gehen eine Funktion ein, von der sie nicht wissen, welchen Umfang sie hat und welche haftungsrechtlichen Folgen sich ergeben können. Das kann man ohne anwaltliche Hilfe tun, man sollte es aber nicht. 

Stattdessen sind die AnlegerInnen nun auf die individuelle Durchsetzung Ihrer Rechte angewiesen. Ich vertrete bereits AnlegerInnen, für diese Rechte gerade aufbereitet und durchgesetzt werden. Wenn Sie wissen wollen, wie das genau geht und was das Ziel dessen ist, können Sie mich gern im Rahmen einer kostenlosen Erstbewertung ansprechen. Sie können das unten stehende Kontaktformular nutzen, Sie können mich anrufen oder Sie schreiben mir einfach eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de



Foto(s): Bild von Chen auf Pixabay


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marc Gericke

Beiträge zum Thema