So geht Baurecht!

  • 6 Minuten Lesezeit

3 Fälle aus der Baupraxis

Der 1. Fall ist ein Paradebeispiel für die Frage, wann ein Vertrag zustande kommt. In der Baupraxis stellt sich die Frage öfter. Hier geht es um einen öffentlichen Auftraggeber der Bauleistungen nach der VOB/A ausschreibt. Als Zuschlags- und Bindefrist ist der 06.04.2014 angegeben. Die Ausführung soll kurz danach beginnen und sich über einen Zeitraum von 3 Monaten erstrecken. Der Zuschlag wird nicht am 06.04.2014 erteilt. Vielmehr geht der öffentliche Auftraggeber hin und erteilt mit Schreiben vom 21.05.2014 auf der Grundlage des Angebots des Bieters den Zuschlag. Der öffentliche Auftraggeber gibt einen neuen Ausführungszeitraum an und verlangt einen Nachlass. Der Unternehmer ist weder mit dem neuen Ausführungszeitraum noch mit dem Nachlass einverstanden. Der Unternehmer geht seinerseits hin und bietet die Ausführung ab Anfang September 2014 an, was jedoch vom Auftraggeber abgelehnt wird. Der öffentliche Auftraggeber vergibt die Leistung anderweitig. Der Unternehmer sieht darin eine freie Kündigung und macht mit seiner Klage die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen von 42.000,00 € geltend. Es fragt sich, wie zu entscheiden ist. Richtigerweise hat das OLG Dresden in 2. Instanz die Klage abgewiesen. Im Mittelpunkt des Interesses stand, ob zwischen den Parteien ein Bauvertrag zustande gekommen ist. Das wurde durch die Instanzen verneint. Zwar ist ein Zuschlag nach § 18 Abs. 2 VOB/A auch nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist noch möglich. Der Wortlaut der Vorschrift darf aber nicht über die Rechtswirkung eines solchen verspäteten Zuschlags hinwegtäuschen. Zunächst muss man sehen, dass der Bieter bis zum Fristende an sein Angebot gebunden ist. Nach Ablauf der Zuschlagsfrist ist der Bieter nicht mehr daran gebunden. Dies ist vielen Unternehmen nicht klar. Nach Ablauf der Bindefrist ist der Bieter also völlig frei. Der verspätete Zuschlag stellt rechtsgeschäftlich vielmehr ein neues Angebot diesmal durch den öffentlichen Auftraggeber dar, welches der Bieter annehmen oder ohne jede Begründung ablehnen kann. Deshalb mag sich der Bieter gut überlegen, ob er das Angebot des öffentlichen Auftraggebers annimmt. In dem Fall hier hatte Bieter jedoch das neue Angebot des Auftraggebers vom 21.05.2014 gerade nicht angenommen, da der Bieter den Ausführungszeitraum als auch den Nachlass abgelehnt hat. Vielmehr ist der Bieter hingegangen und hat seinerseits ein neues Angebot mit neuen Ausführungszeiten ab September 2014 angeboten, was der öffentliche Auftraggeber jedoch nicht angenommen hat. Mithin liegen keine übereinstimmenden Willenserklärungen von Angebot und Annahme vor. Nur in diesem Fall kommt es zu einem Vertrag. Es ist unverständlich, dass der Unternehmer auf dieser Grundlage eine Klage auf Vergütung eingereicht hat. Die Klage war von Anfang an wenig aussichtsreich.

Beim 2. Fall geht es um das Risiko einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik. Hierbei stellt sich die Frage, wer dieses Risiko trägt: Der Auftragnehmer oder der Auftraggeber?

Man ahnt es bereits: Es ist der Auftragnehmer.

Dem liegt eine Entscheidung des OLG Koblenz aus dem Jahr 2016 zugrunde, welches der BGH durch Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat. Vom Sachverhalt geht es darum, dass der Auftragnehmer beauftragt wird, Betonsteinpflaster zu verlegen. Das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers beschreibt detailliert, wie der Untergrund unter Pflasterbelag herzustellen ist. Kurz vor Ablauf der vereinbarten Gewährleistungszeit beanstandet der Auftraggeber, dass sich Pflastersteine lockern und Risse gebildet haben. Der ausgesprochenen Mängelrüge kommt der Auftragnehmer nicht nach. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens klagt der Auftraggeber einen Kostenvorschuss von 50.000,00 € ein. Der Auftragnehmer hält dem entgegen, dass die schadhaften Dehnungsfugen so ausgeführt wurden, wie im Leistungsverzeichnis beschrieben. Die dort beschriebene Ausführung der Dehnungsfugen haben dem seinerzeit geltenden Regelwerk entsprochen. Die Klage des Auftraggebers hat Erfolg. Grundsätzlich stellen die Instanzen fest, dass der Unternehmer ein dauerhaft mangelfreies und funktionstaugliches Werk schuldet. Diese Erfolgshaftung gilt auch dann, wenn bei der Bauausführung die aktuell geltenden anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden. Ein beseitigungspflichtiger Werkmangel liegt auch dann vor, wenn sich diese Regeln später als unrichtig erweisen. Leider entlastet den Unternehmer nicht, dass er auf die Regeln der Technik vertraut hat. Das Gericht stellt klar fest, dass eine technisch untaugliche Werkleistung auch dann mangelhaft ist, wenn den Unternehmer kein Verschulden trifft und die Ausführung den im Zeitpunkt der Abnahme anerkannten Regeln der Technik entspricht. Das erscheint auf den ersten Blick als ungerecht. Jedoch muss man sich hierbei vergegenwärtigen, dass die werkvertragliche Mängelhaftung kein Verschulden voraussetzt und der Werkunternehmer für einen Misserfolg auch dann haftet, wenn er guten Glaubens die aktuell anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat. Dieser Fall zeigt, dass die Erfolgshaftung im Werkvertragsrecht sehr weitgehend ist und es auf ein Verschulden gerade nicht ankommt.

Der 3. Fall beschäftigt sich mit dem Bedenkenhinweis. Hier ging es um eine Entscheidung des OLG Hamburg. Ein Arzt beauftragt einen Generalunternehmer mit dem Ausbau seiner Praxis. Die Fachplanungsfirma des Arztes hat ein Design PVC Bodenbelag ausgeschrieben. Nach Aufnahme seines Praxisbetriebes beanstandet der Arzt dem Bodenbelag wegen zahlreicher Eindrücke. Der Generalunternehmer weist die Mängelrüge zurück, da die Dellen nicht auf einem Mangel seiner Werkleistung, sondern auf dem Nutzungsverhalten des Arztes, insbesondere auf dessen fahrbaren Büromobiliar beruht. Der Generalunternehmer argumentiert, dass mit Übergabe des Produktinformationsblatt bei Bezug der Praxis der Arzt vor Nutzungsbeginn ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass der Bodenbelag nur bei Verwendung weicher Rollen und möglichst nur unter Einsatz von Möbelfilzgleiter genutzt werden soll. Der Generalunternehmer verlangt restlichen Werklohn von 54.000,00 €. Das OLG Hamburg geht hin und weist die Klage ab mit der Begründung, dass der Bodenbelag wegen der Eindrücke mangelhaft ist. Dies wird durch das OLG damit begründet, dass das Generalunternehmen sich hinsichtlich des Mangels nicht dadurch entlasten kann, dass ein Fachplanungsbüro das Material des Bodenbelags konkret vorgegeben hat. Die Haftung des Unternehmers ergibt sich auch dann, wenn an seinem Werk ein Mangel aufgetreten ist, der auf die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist. Steht die Arbeit eines Unternehmers im engen Zusammenhang mit den Arbeiten eines anderen Unternehmers ist sie aufgrund dessen Planungen auszuführen, muss er prüfen und gegebenenfalls durch eigene Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit infrage stellen können. Das OLG Hamburg bezieht sich ausdrücklich darauf, dass in der Übergabe eines Produktinformationsblatt kein ordnungsgemäßer Bedenkenhinweis liegt, unabhängig davon, dass es sich bei der Übergabe des Produktinformationsblatts nicht um einen eigenen, ausdrücklichen Hinweis des Generalunternehmers handelt. Zum Glück hat das OLG Hamburg entschieden, dass der Arzt sich das Planungsverschulden seiner Fachplanungsfirma in Höhe von 50 % zurechnen lassen muss. Wir halten diese Entscheidung für falsch, da es allein auf das Nutzungsverhalten des Arztes ankommt und nicht vorab zu erkennen ist, welches Mobiliar eingesetzt wird. Da dies jedoch immer öfter zum Rechtsstreit führt, kann man jedem Bodenleger nur empfehlen, vor Ausführung auf jeden Fall einen Bedenkenhinweis gegenüber dem Auftraggeber schriftlich zu verfassen. Dies dient der Risikominimierung. Das muss man vorsorglich tun, um solche vor Gericht unsicheren Haftungsfällen zu entgehen. Dabei ist ein solcher Bedenkenhinweis nicht sehr aufwendig. Bei einem Bedenkenhinweis ist man ist auf jeden Fall abgesichert.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger

Beiträge zum Thema