Stealthing: Vergewaltigung oder sexueller Übergriff?
- 3 Minuten Lesezeit
- Im Dezember 2017 wurde in Deutschland erstmals ein Mann wegen „Stealthings“ verurteilt.
- Bei Stealthing handelt es sich um das heimliche Abziehen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs.
- Der 37-jährige Täter wurde zu acht Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt.
Er streifte beim Sex heimlich das Kondom ab: Ein Mann musste sich deshalb für den sexuellen Übergriff auf eine junge Frau vor Gericht verantworten. Der 37-jährige Bundespolizist war im vergangenen Dezember deutschlandweit vermutlich der erste Mann, der wegen „Stealthings“ verurteilt wurde.
Was ist Stealthing?
Zwei Menschen haben einvernehmlichen Sex und benutzen ein Kondom. Zieht einer der beiden das Kondom heimlich ab, nennt sich das „Stealthing“. Der Begriff ist in den USA schon länger bekannt und inzwischen auch in Deutschland angekommen. „Stealth“ kommt aus dem Englischen und bedeutet List oder Heimlichtuerei, d. h. der Sexualpartner merkt erst danach, was passiert ist.
In Online-Foren tauschen sich Männer anonym über ihre Erfahrungen mit Stealthing aus und geben sich gegenseitig Tipps, wie sie das Kondom heimlich abziehen oder ihre Absicht hinter dem ungeschützten Geschlechtsverkehr vertuschen können.
Stealthing-Opfer hingegen haben mit der Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft oder sexuell übertragbaren Krankheiten sowie mit Scham und psychischem Leid zu kämpfen.
Das Urteil: acht Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe
Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte den Mann wegen des sexuellen Übergriffs zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe. Außerdem muss er mehr als 3000 Euro an das Opfer, eine Polizeimeisteranwärterin, zahlen. Inzwischen hat die Verteidigung des Bundespolizisten Revision eingelegt.
Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass der Geschlechtsverkehr an sich einvernehmlich gewesen sei und es sich deshalb nicht um eine Vergewaltigung gehandelt habe. Laut Gerichtsentscheid ändert es nichts daran, dass der Mann das Kondom während des Geschlechtsverkehrs heimlich abgezogen und den Sex mit der Frau ungeschützt fortgesetzt habe. Lediglich das Abziehen des Kondoms sei strafbar, nicht der Geschlechtsverkehr selbst – obwohl die Frau dem geschützten Geschlechtsverkehr zugestimmt hatte und nicht dem Sex ohne Kondom.
Das Urteil ist vor allem seit der Reform des Sexualstrafrechts 2016 (§ 177 StGB) umstritten. Seit dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ muss sich das Opfer nämlich nicht mehr auch körperlich wehren, damit der Tatbestand einer Vergewaltigung erfüllt ist. Es reicht aus, mit Worten oder Gesten zum Ausdruck zu bringen, keinen Sex zu wollen.
Hat das Opfer klar zum Ausdruck gebracht, dass Sex ohne Kondom nicht infrage kommt, könnte der weitere Geschlechtsverkehr nach Abziehen des Kondoms eine Vergewaltigung darstellen. Andere Gerichte könnten in ähnlichen Fällen daher den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt sehen. Klarheit werden erst Entscheidungen höherer Gerichte bringen. Opfer sollten sich in jedem Fall aber an die Polizei wenden.
Kann Sex ohne Kondom als Vergewaltigung gelten?
In Schweden gilt der Sex ohne Kondom gegen den Willen der Frau als Vergewaltigung – ein Vorwurf, der etwa gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange erhoben wurde, weil er beim ansonsten einvernehmlichen Sex mit Frauen kein Kondom benutzte.
Das schwedische Sexualstrafrecht wurde zum 01. Juli 2018 mit dem „Einverständnis-Gesetz“ verschärft. Wer Sex möchte, muss sich vorher das Einverständnis des Sexualpartners einholen, auch wenn es sich um die eigene Ehefrau handelt. Schwedische Richter müssen bei Vergewaltigungsprozessen nun prüfen, ob beim Geschlechtsverkehr das Einverständnis der Beteiligten durch Worte, Gesten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht wurde. Im deutschen Strafrecht steht hier das Opfer in der Pflicht, aktiv zu werden und auszudrücken, dass es keinen Sex möchte.
(DMI)
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