Terroranschäge auf Sri Lanka – höhere Gewalt/unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände?

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Die bedauerlichen Sprengstoffanschläge auf Sri Lanka am Ostersonntag 2019 verunsichern Reisende, die einen Urlaub auf dieser beliebten Insel gebucht und in absehbarer Zeit vor sich haben.

Bei Vielen kommt nun die Frage auf, ob der Reiseveranstalter am geschlossenen Reisevertrag festhalten oder ob sich Reisende vom Reisevertrag lösen können.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass je nach Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschiedliche gesetzliche Regelungen gelten. Dies hängt mit der Änderung reiserechtlicher Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch zusammen.

Für Reiseverträge, die vor dem 01. Juli 2018 geschlossen wurden, gelten die Vorschriften des „alten“ Reiserechts, für Reiseverträge, die ab dem 01. Juli 2018 geschlossen wurden, gelten die Vorschriften über den Reisevertrag des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der jetzigen Fassung.

Das bisherige Reiserecht sah in § 651j BGB die Möglichkeit vor, dass sowohl der Reisende als auch der Reiseveranstalter den Reisevertrag kündigen konnten, wenn die Reise infolge bei Vertragsschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird.

Entscheidend für das Entstehen des Kündigungsrechts war daher das Vorliegen eines von außen kommenden Ereignisses, welches keinen betrieblichen Zusammenhang aufwies und auch nicht durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt unabwendbar war (Ernst Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 15, Rn. 10). 

Der Reisende, dessen Reise in der Zukunft lag, musste daher hinsichtlich des tatsächlichen Bestehens des Kündigungsrechts eine Prognose anstellen, ob die Gegebenheiten vor Ort als höhere Gewalt im Sinne der einschlägigen Vorschrift gewertet werden.

Bei Sicherheitsrisiken für die Reisenden dürfen die Voraussetzungen für die Kündigung nicht zu hoch angesetzt werden. Die Interessen des Reiseveranstalters an der Durchführung der Reise haben hinter die Sicherheitsinteressen der Reisenden zurückzutreten. 

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Oktober 2002 entschieden, dass das Merkmal einer erheblichen Gefährdung für Leib und Leben der Reisenden (und somit das Kündigungsrecht) bereits dann anzunehmen ist, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung zu rechnen ist. 

Eine Eintreffwahrscheinlichkeit von 1 : 4 hat der Bundesgerichtshof mit der oben genannten Entscheidung bezüglich der Gefahr eines Hurricanes in der dominikanischen Republik für ausreichend erachtet und damit auch die bisher von Gerichten verwendete Formel der „greifbaren Nähe der Gefahr“ verworfen.

Das Vorhandensein einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ist nicht zwingend Voraussetzung für das Entstehen des Kündigungsrechts, es sind immer die tatsächlichen Verhältnisse in der Region des geplanten Urlaubs maßgeblich. So kann zum Beispiel auch ohne Reisewarnung eine Kündigung gerechtfertigt sein, wenn die Zustände vor Ort die sichere Durchführung einer Reise beeinträchtigen.

Für Reisen, die erst ab dem 01. Juli 2018 gebucht wurden, bestimmt § 651h Abs. 3 BGB, dass der kostenfreie Rücktritt des Reisenden vom Vertrag möglich ist, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. 

Auch dem Reiseveranstalter ist der Rücktritt vom Vertrag nach § 651 h Abs. 4 Nr. 2 BGB unter den oben genannten Voraussetzungen möglich.

Der Begriff der „höheren Gewalt“ ist damit aus dem Gesetzestext verschwunden. Aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung zum Recht auf Rücktritt vom Reisevertrag wegen „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände“ am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe gibt es bislang nicht.

Auch bei Anwendung des „neuen“ Reiserechts muss der Reisende hinsichtlich der zukünftigen Reise die Prognose anstellen, ob die Voraussetzungen des Rücktritts wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände im Zeitpunkt seiner Reise vorliegen.

Bei Naturkatastrophen mit großflächigen Zerstörungen der Infrastruktur fällt die Prognose leichter, denn wenn das für die Reise vorgesehene Hotel stark beschädigt, Straßen weggerissen, die Versorgung mit elektrischer Energie und Wasser nicht mehr gewährleistet ist, bestehen unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände für eine gewisse Dauer weiterhin fort.

Anders ist die Situation jedoch nach einem Terroranschlag. 

Das terroristische Ereignis ist meist mit dem Anschlag vorüber und häufig besteht eine weitere Gefährdung der Menschen vor Ort nicht weiter fort. Daher hat die Rechtsprechung zu den Fällen der „höheren Gewalt“ im Zusammenhang mit Terroranschlägen im Zielgebiet stets das Kündigungsrecht für Reisen, die nach dem Terroranschlag beginnen sollten, verneint.

Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn durch den Terroranschlag das öffentliche Leben stark beeinträchtigt wird, beispielsweise durch die Verhängung von Ausgangssperren oder durch erhebliche Verschärfung von Sicherheitskontrollen im gesamten Zielgebiet. Auch, wenn das Auswärtige Amt in den einschlägigen Reisehinweisen weiterhin eine akute Gefährdungslage ausweist, kann das Recht zum Rücktritt vom Reisevertrag bestehen. 

Für zukünftige Reisen nach Sri Lanka sollten sich Reisende, die einen Rücktritt erwägen, die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort betrachten und vor allem Berichterstattungen und die Entwicklung der Reisehinweise auf der Internetpräsenz des Auswärtigen Amts so dokumentieren, dass in einem möglichen Streitfall vor Gericht ausreichend „Material“ zur Verfügung steht, um die Richter von dem Vorliegen von höherer Gewalt/unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände zu überzeugen.

Erklärt der Reisende den Rücktritt aufgrund der Annahme, hierzu berechtigt zu sein und erweist sich die Annahme als unzutreffend, kann der Rücktritt wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände in den jederzeit möglichen Rücktritt vom Reisevertrag mit der Folge von sogenannten Stornokosten, umgedeutet werden. 

Ob die Höhe der vom Reiseveranstalter geltend gemachten Stornokosten berechtigt ist, ist dann wiederum separat zu überprüfen. In den meisten Fällen sind die vom Reiseveranstalter erhobenen Stornokosten deutlich überhöht und es besteht oft eine hohe Wahrscheinlichkeit, einen Teil oder die gesamten Stornokosten nicht zahlen zu müssen.

Für die Beratung zu den Ansprüchen auf Kündigung/Rücktritt vom Vertrag steht Ihnen advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht – gerne zur Verfügung.

Eine Vielzahl von Mandanten stammt nicht aus unserer Region, dem Rhein-Main-Gebiet. Wir vertreten selbstverständlich auch Reisende, die weiter weg vom Kanzleisitz wohnen. Durch die modernen Kommunikationsmittel ist die optimale Vertretung auch bei größeren Entfernungen zwischen Mandant und Anwaltskanzlei jederzeit gewährleistet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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