Tierhalterhaftung: Haftungsfalle Reitbeteiligung

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Solange es keinen Unfall und Verletzungen gibt, machen sich der Halter des Pferdes und derjenige, der die Reitbeteiligung nutzt, kaum Gedanken über die Haftung. Das mit erheblichen Folgen, wenn es zu einem Schaden durch das Pferd kommt. 

Eine Reitbeteiligung ist eine Vereinbarung zwischen einem Pferdehalter und einem Reiter, die es dem Reiter erlaubt, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts und Mithilfe im Stall an festgelegten Tagen selbständige Ausritte mit dem Pferd zu machen. Verletzt sich der Reiter bei einem Sturz oder wird er bei der Pflege des Pferdes durch das Tier verletzt, stellen sich umfangreiche Haftungsfragen, die vor Vereinbarung einer Reitbeteiligung dringend zu beachten sind.

Gerade bei schwersten Körperschäden droht ansonsten dem Geschädigten ein erheblicher finanzieller Schaden, wenn der Halter für die Folgen nicht finanziell aufkommen kann und die abgeschlossene Haftpflichtversicherung keinen ausreichenden Deckungsschutz besitzt.

Eine Reitbeteiligung, wonach der Reiter berechtigt ist, das Pferd an einzelnen Tagen selbständig zu reiten, andererseits aber auch verpflichtet ist, an den Reittagen das Pferd zu füttern und den Stall auszumisten, ändert nichts an der Haltereigenschaft des Besitzers. Sie begründet auch wie der Reitvorgang als solcher keine Mithaltereigenschaft des Geschädigten (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 21.06.2007, BeckRS 08, 02817; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.02.2009, NJW-RR 2009, 894).

Sie rechtfertigt auch nicht ohne Weiteres die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses zwischen Pferdehalter und Reiter, wenn Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz der Pferdehalterin ausgenommen sind. Wegen der weitreichenden Konsequenzen bei einem Reitunfall kann von einem stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter nur im Ausnahmefall ausgegangen werden. Die Überlassung des Pferdes zum selbständigen Reiten als Reitbeteiligung rechtfertige keine Annahme einer Haftungsfreistellung. Im konkreten Fall bestand die Reitbeteiligung vor dem Unfall erst seit ca. 3 1/2 Monaten. Die Initiative für die Reitbeteiligung ging von dem Pferdehalter aus, dem es darum ging, dass das Pferd ausreichend bewegt wurde. Die Pferdehalterin hatte allerdings nur eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die für die entgeltliche Überlassung des Pferdes im Rahmen einer Reitbeteiligung keine zusätzliche Versicherung enthielt. 

Genau hier liegt das Risiko für den Reiter: Zwar haftet der Pferdebesitzer als Tierhalter im Rahmen der Gefährdungshaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB. Die Haftung des Pferdehalters aus § 833 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich aber auch zugunsten des Reiters, der durch die Tiergefahr des Pferdes verletzt wird (BGH, Urteil vom 30.04.2013, BeckRS 2013, 09464; BGH NJW 1993, 2611; OLG Nürnberg, Urteil vom 29.03.2017, AZ: 4 U 1162/13).

Ist aber der Pferdehalter finanziell nicht in der Lage, die Ersatzansprüche nach einem schweren Reitunfall zu zahlen, kann der verletzte Reiter seinen finanziellen Schäden gegenüber dem Halter trotz eines Urteils nicht effektiv durchzusetzen.

Das OLG rät deshalb dringend, vor Vereinbarung einer Reitbeteiligung darauf zu achten, dass der Pferdehalter den Versicherungsschutz um den Baustein Reitbeteiligung erweitert: Selbst dann, wenn der Pferdehalter vor Abschluss der Reitbeteiligung erkannt hätte, dass eine entgeltliche Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz seiner Haftpflichtversicherung nicht umfasst wäre und er dies dem Geschädigten offengelegt hat, liegt die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses fern. Naheliegender wäre es gewesen, den Versicherungsschutz um den Baustein Reitbeteiligung zu erweitern, was jederzeit möglich gewesen wäre. Der Abschluss einer Pferdehalter-Haftpflichtversicherung zeige gerade, dass die Pferdehalterin interessiert war, für die von ihrem Pferd verursachten Schäden Versicherungsschutz zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung gerade die Schäden hätte ausnehmen wollen, die im Rahmen der Reitbeteiligung entstehen konnten, seien nicht ersichtlich. Erst recht spräche nichts dafür, dass der Reiter, der regelmäßige Entgeltzahlungen an die Beklagte leistete, sich auf einen derartigen Haftungsausschluss eingelassen hätte. 

Der Pferdehalterin kommt auch nicht das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII zugute, wonach Schmerzensgeldansprüche wegen der Vorrangigkeit der gesetzlichen Unfallversicherungsansprüche gesperrt gewesen wären. Der Reitunfall ist kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII. Die zuständige Landesunfallkasse habe rechtskräftig festgestellt, dass es sich bei der Geschädigten nicht um eine „Wie-Beschäftigte“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gehandelt habe. An diese Entscheidung seien die Zivilgerichte gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2013, NJW 2013, 2031).

Dem geschädigten Reiter ist ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB von 50 % zur Last gelegt worden. Wer selbständig ein Tier für einen Pferdehalter reitet und es anschließend versorgt, sei zum Zeitpunkt des Unfalles Tieraufseher gemäß § 834 Satz 1 BGB. Durch Übernahme der vereinbarten Aufgaben werde der Reiter an den Reittagen zum Tieraufseher (OLG Saarbrücken NJW-RR 1988, 1492; OLG Schleswig, Urteil vom 21.06.2007, BeckRS 2008, 02817).

Der Geschädigte ist als Tieraufseher gemäß § 834 Satz 1 BGB für den auf die Tiergefahr des Pferdes zurückzuführenden Schaden verantwortlich. Er muss die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn ein Sorgfaltsverstoß trifft und dieser für den Schaden ursächlich geworden ist. Diese Beweislastregel gilt zur Begrenzung der Tierhalterhaftung auch bei der Prüfung des Mitverschuldens des Geschädigten als Reiter (BGH NJW 1992, 2474; BGH NJW 1993, 2611; OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 453).

Gelingt es dem Geschädigten nicht, diese Vermutung zu widerlegen, weil der genaue Unfallhergang nicht mehr aufzuklären ist, gilt: Die Unaufklärbarkeit eines Reitunfalles führt gemäß § 834 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 254 Abs. 1 BGB dazu, dass das vermutete Verschulden des Geschädigten anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist (BGH NJW 1992, 2474; BGH NJW 2014, 640; OLG Hamm VersR 1974, 865).

Die nach § 254 Abs. 1 BGB anzustellende Abwägung der Verursachungsanteile bei Nichtaufklärbarkeit des Unfalles führt dazu, dass die Haftung des Tierhalters auf 50 % beschränkt wird (OLG Frankfurt r + s 1996, 137; LG Bonn, Anerkenntnisurteil vom 21.10.2011, BeckRS 2013, 06187; BGH NJW 1993, 2611).

Eine darüber hinausgehende Mithaftung des Geschädigten folgt nicht daraus, dass er zum Zeitpunkt des Unfalles keinen Rückenprotektor getragen hat und sich durch den Sturz eine Querschnittslähmung zuzog. Beim normalen Reiten auf der Koppel auf einem vertrauen Pferd bestehe keine allgemeine Pflicht oder Obliegenheit, besondere Schutzkleidung, insbesondere einen Rückenprotektor, zu tragen.

(OLG Nürnberg, Urteil vom 29.03.2017, AZ: 4 U 1162/13, juris)



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