Typische (Abmahn-)Probleme für Händler auf Amazon
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Amazon gilt als der größte Online-Händler. Die Anzahl der Händler auf Amazon-Marketplace nimmt ständig zu. In rechtlicher Hinsicht bietet der Handel über Amazon jedoch einige überraschende Fallstricke. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über typische abmahnträchtige Probleme beim Handel auf der Internetplattform Amazon gegeben werden.
1. Das Problem des „Anhängens“ an Angebote
Jeder Händler auf Amazon hat zwar die Möglichkeit, für seine Produkte Verkaufsseiten (oder „Produkt-Detailseiten“, wie Amazon diese nennt) anzulegen. Dies gilt allerdings nur für bislang noch nicht auf Amazon gelistete Produkte. Denn Amazon erlaubt für (rechtlich) identische Produkte grundsätzlich nur eine einzige Verkaufsseite. Bemerkt Amazon daher, dass für ein (rechtlich betrachtet) identisches Produkt mehrere Verkaufsseiten angelegt wurden, so zieht Amazon die Verkaufsseiten zu einer Seite zusammen. Unter Umständen unterbindet Amazon sogar bereits das Anlegen einer eigenen, zweiten Verkaufsseite, indem die Veröffentlichung der Angebotsseite von vornherein verweigert wird. Existiert daher bereits eine Verkaufsseite für ein bestimmtes Produkt, ist der Händler gezwungen, sich an das bereits bestehende Angebot „anzuhängen“. Der Händler bewirbt in diesem Falle sein Produkt mit einer Verkaufsseite, auf deren Inhalt er selbst keinerlei Einfluss hat.
Die hierdurch entstehenden Probleme liegen auf der Hand. Eventuell bemerkt der Händler vielleicht nicht einmal, dass er einem Irrtum unterliegt und es sich tatsächlich um rechtlich betrachtet verschiedene Produkte handelt, für die sodann fälschlicherweise ein und dasselbe Angebot existiert. Zum anderen könnte das Angebot durch den Händler, welcher das Angebot ursprünglich angelegt hat, oder durch Amazon selbst verändert werden. Hiervon erfährt der Händler möglicherweise nicht einmal etwas – und trotzdem können die neuen Inhalte im Angebot nunmehr rechtsverletzend sein.
a) Das „von ...“-Problem
Das wohl bedeutsamste Problem ist das „von ...“- Problem. Um dieses Problem zu verstehen, muss man sich zunächst die Gestaltung eines Angebots auf Amazon vor Augen führen.
Nahezu jedes Angebot von Amazon ist identisch aufgebaut. Es gibt eine Überschrift und darunter heißt es „von ...“. Sodann folgen weitere Angaben wie der Preis und die Beschreibung des Artikels. Veranschaulichen lässt sich dies am Beispiel eines der Turnschuhklassiker schlechthin, dem „Nike Air Max“ von – na klar - „Nike“ oder besser der „Nike Inc.“. In einem Angebot auf Amazon würde es dann heißen:
Überschrift: „Nike Air Max“
von „Nike“ (oder „Nike Inc.“)
Jeder Händler, welcher originale „Nike Air Max“ Turnschuhe verkaufen will, kann sich nun problemlos an ein solches Angebot anhängen, zumindest wenn er die Schuhe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes erworben hat. Denn die Angaben sind ja völlig korrekt: er bietet tatsächlich „Nike Air Max“ von „Nike“ (oder der „Nike Inc.“) an.
Problematisch wird dies jedoch, wenn es sich zwar de facto (technisch und optisch) um ein identisches Produkt handelt, der Inhaber der Marke, unter der das Produkt angeboten wird, jedoch ein anderer ist. Dies mag zunächst unlogisch klingen, kommt in Zeiten der globalisierten Wirtschaft jedoch gar nicht allzu selten vor. Denn häufig werden insbesondere Technikartikel aus Fernost gleich von mehreren Händlern importiert und dann jeweils unter eigener Marke in Deutschland angeboten. Man stelle sich ein Produkt vor, beispielsweise ein Diktiergerät. Illustriert sei dies am Beispiel eines Diktiergerätes, das der Händler A bei einem Hersteller aus China bezieht. Nachdem der Händler A das Gerät importiert hat, „labelt“ er dieses mit seiner eigenen „Marke“ „A“, das Diktiergerät ist nun beispielsweise das „A“-Diktiergerät. Der Händler A legt sodann ein neues Amazon-Angebot an und dieses lautet:
Überschrift: A-Diktiergerät
von: „A“
Nun stellen wir uns vor, dass der Händler B ebenfalls seine Diktiergeräte bei demselben Hersteller aus Asien bezieht. Beide Diktiergeräte sind technisch und optisch absolut identisch, sie stammen sogar aus derselben Fabrik. Und dennoch darf sich der Händler B aus rechtlichen Gründen nicht an das Angebot des A anhängen. Denn dadurch würde er behaupten, dass seine Geräte vom A stammen, dass sie also entweder von A hergestellt oder vertrieben werden. Dies wäre falsch, stammt doch das von ihm vertriebene Diktiergerät gerade nicht „von“ A (gerade dies wird durch das Angebot allerdings suggeriert); B und dessen Produkt haben mit dem Händler A schlicht nichts zu tun. Indem sich B an das Angebot des A anhängt, verletzt er daher die Kennzeichen- und/oder Markenrechte des A.
Vereinfacht gesagt, liegen in derartigen Fällen rechtlich betrachtet zwei verschiedene Produkte vor, obwohl beide Produkte an sich völlig identisch sind. Leider wird diese Unterscheidung von Amazon-Händlern oftmals nicht beachtet, so dass sie durch das Anhängen an fremde Angebote unbewusst eine Kennzeichenrechts- und/oder eine Markenrechtsverletzung begehen.
Es gilt daher, die eigenen Angebote im Hinblick auf das „von ...“- Problem hin im Auge zu behalten.
b) Das „ASIN“-Problem
Eng verknüpft mit dem „von ...“ Problem ist das „ASIN“- Problem. Die ASIN (Amazon Standard Identifikationsnummer) ist eine von Amazon vergebene Produktidentifikationsnummer. Jedes rechtlich verschiedene Produkt erhält von Amazon eine spezifische Identifikationsnummer.
Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 28.05.2014 – 2a O 277/13) hat der ASIN eine eigenständige herkunftshinweisende Funktion zugesprochen. Infolge der Nutzung der ASIN (wie dies beim Anhängen an Angebote zwangsläufig der Fall ist) entstehe der unzutreffende Eindruck, dass das jeweilige Produkt aus dem Betrieb desjenigen stammt, dem die ASIN zugeteilt wurde.
Zum besseren Verständnis sei nochmals auf das obige Beispiel verwiesen. Dem Diktiergerät des Händlers A, also dem „A“-Diktiergerät ist eine spezifische ASIN zugewiesen. Das Landgericht Düsseldorf geht nunmehr davon aus, dass der ASIN dadurch eine Funktion des Hinweises auf die betriebliche Herkunft des „A“-Diktiergerätes zukommt. Hängt sich der Händler B nun mit seinem eigenen Diktiergerät an das Angebot an, so würde auch das von ihm angebotene Diktiergerät bei Eingabe der ASIN gefunden werden. Dies erweckt jedoch (erneut) einen falschen Eindruck, denn die ASIN soll lediglich auf das „A“-Diktiergerät hinweisen.
Daher liegt ebenfalls durch die Nutzung der ASIN für ein rechtlich anderes Produkt ein Rechtsverstoß vor.
Erkennbar ist also, dass das „ASIN“- Problem eng mit dem „von ...“- Problem verknüpft ist.
Auf den ersten Blick erscheint das „ASIN“- Problem daher einigermaßen harmlos. Immerhin könnte man der Ansicht sein, dass ja bereits durch das „von ...“- Problem eine Rechtsverletzung vorliegt und insofern eine zweite nicht wirklich ins Gewicht fällt. Aber Vorsicht! Üblicherweise wird seitens des Abmahnenden die Verpflichtung gefordert, eine bestimmte ASIN nicht mehr zu nutzen. Verpflichtet man sich hierzu und stellt sich später heraus (oder wird das Angebot so geändert), dass es sich doch rechtlich um dieselben Produkte handelt, wäre ein Verkauf des Produkts ohne Verletzung der eigenen Unterlassungsverpflichtung nicht mehr möglich; jedenfalls setzte man sich einem erheblichen Risiko aus.
Verdeutlichen wir uns dies wieder an unserem obigen Beispiel:
Händler A fordert von Händler B eine Unterlassungserklärung hinsichtlich der Nutzung „seiner“ ASIN-Nummer. Händler B erklärt sich – unter Versprechen einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung natürlich – bereit, es künftig zu unterlassen die konkrete ASIN des „A“-Diktiergeräts nicht mehr zu verwenden.
Zu einem späteren Zeitpunkt stellt sich sodann allerdings heraus, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht um ein „A“- Diktiergerät gehandelt hat (zum Beispiel, weil das Angebot von A fehlerhaft angelegt wurde). Also wird das Angebot geändert. Nun steht B vor einem Dilemma. Denn Amazon erlaubt ihm nicht, ein neues, eigenes Angebot zu eröffnen. Zugleich hatte er sich jedoch – strafbewehrt – verpflichtet, die ASIN nicht mehr zu verwenden. B hat daher praktisch keinerlei Möglichkeit mehr, das Diktiergerät über Amazon anzubieten - diese Konsequenz kommt einem Verkaufsverbot gleich.
Es ist daher auch hinsichtlich der ASIN-Problematik besondere Vorsicht und umsichtige Prüfung geboten!
c) Das „unlösbare“ Problem
Bei Amazon ist es durchaus möglich, dass bestehende Angebote durch andere Händler verändert werden. Zudem ist natürlich eine Veränderung des Angebots durch Amazon selbst möglich. Hiervon muss der Händler nicht einmal etwas mitbekommen.
Veränderungen eines Angebots können natürlich Rechtsverletzungen auslösen. Zum Beispiel könnte eine Produktbeschreibung nach einer Veränderung des ursprünglichen Angebots unlauter und somit wettbewerbswidrig sein. Die maßgebliche Frage lautet daher, ob jeder Händler, welcher das veränderte Angebot nutzt, für die Rechtsverletzung einzustehen hat. Oder eben nur Amazon oder derjenige Händler, welcher eine Änderung des Angebots veranlasst hat.
Einen ähnlichen Fall hatte das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 23.09.2014 – 6 U 155/14) zu entscheiden. Hier hatte Amazon eigenständig dem Angebot eine fehlerhafte unverbindliche Preisempfehlung dergestalt hinzugefügt, dass neben dem Preis der vermeintliche „UVP-Preis“ durchgestrichen angegeben wurde. Tatsächlich wurde diese Preisempfehlung so jedoch nie ausgesprochen, so dass eine Wettbewerbsrechtsverletzung vorlag. Das Oberlandesgericht sah den Amazon-Händler hier in der Verantwortung für „sein“ Angebot. Im Ergebnis hatte der Händler daher für die ursprünglich von Amazon verursachte Rechtsverletzung einzustehen.
In einem anderen Fall lehnte das Landgericht Arnsberg (Urteil vom 30.10.2014 – I-8 O 121/14) zwar eine Haftung des Amazon-Händlers für eine von Amazon standardisiert eingefügte unlautere Weiterempfehlungsfunktion ab. Ein Risiko für jeden Amazon-Händler ist allerdings offenkundig.
Letztlich gibt es keine präventive Lösung für dieses Problem. Es ist jedoch jedem Amazon-Händler anzuraten, die eigenen Angebote regelmäßig auf deren Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Ansonsten bleibt abzuwarten, wohin sich die Rechtsprechung entwickeln wird.
d) Das „Urheberrechts“-Problem
Das „Urheberrechts“- Problem ist zunächst eigentlich kein Amazon spezifisches Problem. Selbstverständlich stellt die Verwendung eines Lichtbildes (gegebenenfalls auch von Texten), ohne hierzu befugt zu sein, eine Verletzung der Urheberrechte des Rechteinhabers dar - dies gilt natürlich auch bei Amazon. Lädt sich ein Amazon-Händler also beispielsweise ein Foto aus dem Internet herunter und nutzt dieses ohne eine entsprechende Erlaubnis für sein Amazon-Angebot, liegt zweifellos eine Urheberrechtsverletzung vor.
Problematisch wird es nun allerdings, wenn sich ein Amazon-Händler an ein bereits vorhandenes Angebot anhängt. Denn in diesem Falle wird das verwendete Lichtbild auch im Rahmen seines Angebots angezeigt.
Hier stellt sich zunächst die Frage, ob ein Anhängen an das vorhandene Angebot eine Rechtsverletzung gegenüber demjenigen Anbieter darstellt, der das Bild berechtigterweise bei der erstmaligen Angebotserstellung verwendet hat. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 19.12.2014 – 6 U 51/14) hat in dieser Konstellation eine Urheberrechtsverletzung durch den sich anhängenden Händler verneint. Das Oberlandesgericht ging insoweit davon aus, dass der Amazon-Händler durch das Einstellen der Lichtbilder stillschweigend mit einer Nutzung der Lichtbilder – zumindest im selben Angebot – durch weitere Amazon-Händler einverstanden gewesen sei, da ihm die Praxis des „Anhängens“ auf Amazon bekannt war.
Ungeklärt ist dagegen bislang, ob dem sich „anhängenden“ Amazon-Händler dann eine Urheberrechtsverletzung anzulasten ist, wenn bereits derjenige Händler nicht zur Nutzung des Fotos berechtigt war, der dieses bei der Erstellung des Angebotes erstmals verwendet hat. Das Landgericht Köln (Beschluss vom 16.11.2012 – 28 O 814/11) geht in einer solchen Konstellation ohne Weiteres davon aus, dass sich neben dem Ersteller des Angebotes auch der sich lediglich „anhängende“ Amazon-Händler einer Urheberrechtsverletzung schuldig macht. Völlig anders wird die Rechtslage dagegen vom Oberlandesgericht München (Urteil vom 27.03.2014 – 6 U 1859/13) beurteilt. Das Oberlandesgericht lehnte eine Haftung des anhängenden Amazon-Händlers ab, indem es weder eine täterschaftliche, noch eine Teilnehmerhandlung erkannte. Auch eine Haftung aus Störergesichtspunkten lehnte das Gericht ab.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ansicht des OLG München durchsetzen wird. Jedenfalls sollte bei Abmahnungen der jeweilige Sachverhalt genau untersucht werden.
2. Das „Metatag“-Problem
Metatags sind versteckte Suchwörter, welche dazu führen, dass ein Angebot bei der Suche nach einem bestimmten Begriff gefunden wird. Die Verwendung fremder Kennzeichen, insbesondere einer Marke, als Metatag stellt eine kennzeichenmäßige Benutzung dar (BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 183/03). Damit begründet die unrechtmäßige Verwendung fremder Kennzeichen als Metatag eine entsprechende Kennzeichen- oder Markenrechtsverletzung.
Bietet ein Händler Produkte auf Amazon an, ist es nicht ausgeschlossen, dass Amazon für die jeweiligen Angebote von sich aus verschiedene Metatags setzt. Hintergrund hierbei ist, dass bei der Suche auch ähnliche Produkte aufgefunden werden sollen, um dem Kunden ein „virales Kauferlebnis“ zu bieten. Beispielsweise könnte es also sein, dass bei der Suche nach Sportschuhen der Marke „Adidas“ auch solche der Marke „PUMA“ in den Suchergebnissen angezeigt werden.
Ungeklärt ist, ob auch in einem solchen Fall eine Kennzeichenrechtsverletzung anzunehmen ist und ob in diesem Fall der Amazon-Händler in Anspruch genommen werden kann. Letztlich ähnelt dieses Problem dem „unlösbar“- Problem. Gerade im Falle einer Abmahnung sollte man eine Rechtsverletzung jedoch äußerst gründlich prüfen.
3. Die „klassischen“ Probleme
Neben den zuvor aufgezeigten, typischerweise durch den Handel auf der Internetplattform Amazon auftretenden Problemen, gibt es natürlich auch die „klassischen“ Probleme, welche letztlich unabhängig davon bestehen, auf welcher Internetplattform der Handel stattfindet. Explizit zu nennen ist hierbei die Verpflichtung die so genannten Pflichtangaben nach § 5 TMG anzuführen, eine genügende Widerrufsbelehrung vorzuhalten und die Erfordernisse der Preisangabenverordnung zu beachten. Immer wieder führt auch eine unterbliebene Registrierung (oder unterbliebene Angaben auf den Produkten) nach dem Elektrogesetz oder der Verpackungsverordnung zu Abmahnungen. Etwas exotischere Probleme ergeben sich dann beispielsweise im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung, dem Textilkennzeichnungsgesetz oder bei der Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben, so genannten „Health Claims“.
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