Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut in WhatsApp-Gruppen – Vorladung und Anklage

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WhatsApp wird weltweit von über einer Milliarde Menschen genutzt. Der Nachrichtenaustausch erfolgt schnell und zuverlässig, weshalb viele Menschen unüberlegt verschiedenste Inhalte über diese Möglichkeit austauschen. Oft wird nicht bedacht, dass das Zugänglichmachen und Verbreiten bestimmter Inhalte auf diese Weise durchaus eine Straftat darstellen kann und die Inhalte dem Empfänger derart zu Verfügung gestellt werden, dass dieser selbst frei über sie verfügen und sie weitergebrauchen kann.

Im Folgenden wird daher erörtert, unter welchen Voraussetzungen das Verbreiten von nationalsozialistischem Gedankengut oder rechter Propaganda in WhatsApp-Gruppen strafbar ist. Relevant sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Strafvorschriften der §§ 86, 86a und 130 StGB.

Wenn Sie eine Vorladung oder eine Anklage wegen Verbreitens verfassungswidriger Inhalte erhalten haben, sollten Sie dringend von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und sich zeitnah telefonisch melden.

§ 86 StGB – Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen

§ 86 Absatz 1 StGB stellt insbesondere das Verbreiten von Propagandamitteln der in Nr. 1 bis Nr. 4 genannten für verfassungswidrig erklärten oder verbotenen Vereinigungen und Parteien unter Strafe.

Unter Propagandamitteln werden hier Schriften verstanden, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Der Gesetzgeber hat jedoch auf die Schaffung neuer Kommunikationsmittel reagiert und den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in § 11 Absatz 3 StGB gleichgestellt. Werden Bilder, Videos oder aber Musik solchen Inhaltes in einer WhatsApp-Gruppe verschickt, so handelt es sich zumindest um Datenspeicher.

Das Verbreiten setzt eigentlich voraus, dass das Propagandamittel körperlich weitergegeben wird mit dem Ziel, den Inhalt einem größeren, für den Täter nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis bekannt zu machen. Allein die Verbreitung des Inhaltes ist nicht ausreichend. Insofern würde das bloße technische Übersenden von Videos, Bildern oder Tonaufnahmen kein Verbreiten im engeren Sinne darstellen. Der Bundesgerichtshof hat jedoch im Jahr 2001 in einem nicht unumstrittenen Fall, bei dem es um die Versendung von E-Mails im Internet ging, den Verbreitungsbegriff ausgedehnt und auf die körperliche Weitergabe verzichtet. Anknüpfungspunkt dafür war, dass der Gesetzgeber in § 11 Absatz 3 StGB den Begriff der Schriften für die gesetzlich vorgesehenen Fälle um die oben genannten Darstellungen erweitert hat. Demnach stellen auch elektronische oder sonstige Datenspeicher, die gedankliche Inhalte verkörpern und die nur unter Zuhilfenahme von technischen Geräten wahrnehmbar werden, Darstellungen in diesem Sinne dar. Wegen dieser Gleichstellung hat die Rechtsprechung für Fälle der digitalen Übertragung nicht weiter an dem Erfordernis der Körperlichkeit festgehalten, sondern darauf abgestellt, ob die Datei auf einem permanenten oder flüchtigen Speichermedium ankommt. Weiter sei es auch unerheblich, ob dann der Anbieter die Datei dem Nutzer in einem Upload schickt oder der Nutzer selbst mit einem Download die besagte Datei bei dem Anbieter „abholt“. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf die ebenfalls elektronische Übersendung von Nachrichten bei WhatsApp ist noch nicht richterlich entschieden, erscheint aber sehr naheliegend. Auf den hier aufgeworfenen Fall übertragen würde dies bedeuten, dass auch das Senden einer Propaganda-Nachricht in eine WhatsApp-Gruppe für das Verbreiten ausreicht. Eine körperliche Weitergabe ist nicht erforderlich. Es ist ausreichend, dass die Bild- und Tondateien nach dem Absenden auf dem Server, beim Anbieter oder direkt beim Empfänger gespeichert werden bzw. bei Bedarf von den Empfängern per Download vom Anbieter jederzeit abgerufen und dann angesehen bzw. angehört werden können.

Wenn man der Argumentation des Bundesgerichthofes nicht folgen würde, ist dem Verbreiten auch das öffentliche Zugänglichmachen gleichgestellt, dafür reicht es aus, dass die Möglichkeit der Wahrnehmung durch unbestimmt viele Personen geschaffen wird. Auch dies ist bei den hier gemeinten Fallgestaltungen nicht problemlos zu bejahen. Die Teilnehmer einer WhatsApp-Gruppe werden im Vorfeld festgelegt und können nur von den Gruppenadministratoren für die Zukunft erweitert werden. Somit ist der Empfängerkreis grundsätzlich nicht unbestimmt, sondern begrenzt und bestimmbar. Jedoch kann im Einzelfall eine vereinzelte Weitergabe ausreichen, wenn z. B. durch gruppeninterne Absprachen im Vorfeld feststeht, dass die einzelnen Empfänger die Inhalte wiederum selbst an Dritte weitergeben werden, denn in diesem Fall ist es dem Absender der Nachricht nicht mehr möglich, den nachfolgenden Empfängerkreis selbst zu bestimmen oder zu begrenzen. Dieser Nachweis wird in der Praxis jedoch nur mit Schwierigkeiten geführt werden können.

§ 86a StGB – Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Nach § 86a Absatz 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer im Inland Kennzeichen einer der eben genannten Vereinigungen oder Parteien verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften i. S. d. § 11 Absatz 3 StGB verwendet.

Kennzeichen stellen insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformeln der oben genannten Vereinigungen dar sowie Kennzeichen, die diesen zum Verwechseln ähnlich sehen.

Dadurch, dass die erste Variante Kennzeichen nicht mit den Darstellungen des § 11 Absatz 3 StGB gleichstellt, wird auch der Argumentationsstruktur des Bundesgerichtshofes folgend im Rahmen des Verbreitens nicht auf die körperliche Tätigkeit des Verbreitens verzichtet werden können. Verbreiten setzt daher hier die körperliche Weitergabe voraus und scheidet aus diesem Grund bei dem Versenden in WhatsApp-Gruppen aus. Ebenso erfordert auch das Verwenden in der zweiten Tatbestandsvariante, dass das Kennzeichen einer nicht überschaubaren Personenzahl wahrnehmbar gemacht wird und ist damit nicht gegeben. Denn auch hier gilt, dass es sich bei WhatsApp-Gruppen in der Regel um einen begrenzten Adressatenkreis handeln wird. Eine Ausnahme zu machen, erscheint auch hier nur sachgerecht, wenn der Gruppe eine Abrede zu Grunde liegt, dass die Adressaten über das Nachrichtenmaterial frei verfügen und es weiterleiten etc.

§ 130 – Volksverhetzung 

Eine Strafbarkeit nach § 130 Absatz 1 StGB kommt in Betracht, wenn durch die Inhalte der Gruppennachrichten in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen nationale, rassische, religiöse, ethnische Gruppen zum Hass aufgestachelt wird, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wird oder Mitglieder der Gruppe durch Beschimpfung, böswillige Verächtlichmachung oder Verleumdung in ihrer Menschenwürde angegriffen werden. Ob die Nachrichten im konkreten Fall diese Voraussetzungen erfüllen, ist im Einzelfall anhand ihres Inhaltes zu entscheiden und soll daher hier nur am Rande erwähnt werden.

Fazit

In der Rechtsprechung ist bisher noch kein eindeutiger roter Faden zu dieser Thematik erkennbar. Da jedoch Kommunikationswege wie WhatsApp-Gruppen auch in Zukunft von einer Vielzahl von Menschen genutzt werden, wird sich die Rechtsprechung früher oder später mit diesen Problemstellungen befassen müssen. Als Beschuldigter einer Straftat können Sie sich natürlich auch schon jetzt von mir umfassend anwaltlich beraten lassen.


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