Vermögensarrest gegen Unternehmen, §§ 111e, 111f StPO, §§ 73, 73b, 73c StGB

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Der Vermögensarrest nach §§ 111e ff. StPO ist ein strafprozessuales Zwangsmittel, das sich in der Praxis auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden großer Beliebtheit erfreut. Deutschlandweit ist festzustellen, dass sich Vermögensarreste auch immer häufiger gegen Unternehmen bzw. juristische Personen richten, sei es gegen die Ein-Mann-GmbH des Beschuldigten oder aber auch das mittelständische Unternehmen, dessen Geschäftsführer rechtswidrig gehandelt haben sollen. 

Da das Vermögensabschöpfungsrecht für viele Staatsanwälte und Richter noch immer ein „Nebenschauplatz“ ist (vgl. etwa Löffelmann StV 2018 536 f.) und auch entsprechend (fahrlässig) behandelt wird, für Unternehmen aber mitunter existenzbedrohend sein kann, wollen wir Ihnen im Folgenden einige Fragen zum Vermögensarrest gegen ein Unternehmen beantworten.

1. Was ist ein Vermögensarrest?

Der Vermögensarrest ermöglicht es, auf sämtliche Vermögenswerte des Betroffenen zuzugreifen, völlig unabhängig davon, ob der konkrete Vermögenswert rechtmäßig oder rechtswidrig erlangt wurde. Entscheidend ist, dass der Schuldner des Vermögensarrestes einen Vermögenszuwachs erlangt haben soll. 

Das setzt kein Verschulden, nicht einmal ein eigenes Handeln voraus. Auch gegen sog. Einziehungsbeteiligte können Vermögensarreste angeordnet und vollstreckt werden. Solche Einziehungsbeteiligte sind regelmäßig Unternehmen, gegen die auf Grundlage von § 73b StGB die Einziehung angeordnet werden kann. Die Fragen zur Einziehungsbeteiligung sind so umfangreich, dass wir Ihnen deren Grundlagen in einem zweiteiligen Rechtstipp aufbereitet haben. Teil 1 finden Sie hier, Teil 2 hier.

2. Warum werden Vermögensarreste erlassen?

Es gibt mehrere Ursachen für die steigende Anzahl von Vermögensarresten in der Praxis. Zum einen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung noch einmal die politische Bedeutung der Einziehung (vermeintlich) aus Straftaten erlangter Vermögenswerte unterstrichen. 

Es ist rechtspolitisch gewollt, Vermögenswerte in großem Umfang vorläufig zu sichern und im Hauptverfahren möglichst umfangreich Vermögen abzuschöpfen. Das gilt nicht nur für den Bereich der sog. „Clan-Kriminalität“ als Ausprägung der Organisierten Kriminalität, über die in den Medien regelmäßig berichtet wird, sondern auch für klassische Wirtschaftsstrafverfahren. 

Zum anderen sind die Anforderungen, die der Gesetzgeber an eine Vermögensarretierung stellt, denkbar gering. Während man zur Verhaftung des Beschuldigten nicht nur einen dringenden Tatverdacht, sondern auch Haftgründe darlegen muss, reicht es für die „Verhaftung des Vermögens“ im Wesentlichen aus, wenn ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt und ein sog. Sicherungsbedürfnis besteht. 

Die Anforderungen an den Vermögensarrest sind damit so gering, dass es nicht verwundert, dass der Vermögensarrest mitunter auch zweckentfremdet dazu eingesetzt wird, den Betroffenen unter Druck zu setzen. Der Druck steigt, wenn man dem Betroffenen nicht nur sein Privat-, sondern auch sein Geschäftsvermögen entzieht.

3. Es besteht ein Vermögensarrest gegen mein Unternehmen, was kann ich tun?

Der Vermögensarrest selbst belastet Ihr Unternehmen noch nicht unmittelbar. Er ist nur der Vollstreckungstitel, der es den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, im Wege der Zwangsvollstreckung auf Vermögenswerte des Unternehmens zuzugreifen. 

Freilich erfolgt in der Praxis die Übergabe des Vollstreckungstitels (Vermögensarrests) regelmäßig mit den Vollziehungsmaßnahmen (Kontopfändung, Bargeldpfändung etc.) und liegt damit in der Arrestanordnung auch eine Belastung. Man muss dann differenzieren, welche Maßnahmen zu ergreifen sind: 

a)
 Wurden Konten gepfändet und dadurch der Geschäftsbetrieb lahmgelegt, sollte man schnellstmöglich den Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufnehmen und über die Freigabe bestimmter Geldmittel zur Aufrechterhaltung des Tagesgeschäfts verhandeln. 

Nur weil ein Vermögensarrest erwirkt wurde, heißt das nicht, dass dieser auch zwangsläufig in sämtliche vorhandenen Vermögenswerte vollstreckt werden müsste. Die Strafverfolgungsbehörden haben hier einen nicht unerheblichen Ermessensspielraum, worauf man sie mitunter aber ausdrücklich hinweisen muss.

b)
 Wurden (nur) Sicherungshypotheken eingetragen oder andere Vermögensgegenstände gepfändet, auf die das Unternehmen nicht täglich angewiesen ist, sollte man den Vermögensarrest selbst ins Auge fassen und auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen.

c)
 Es ist unausweichlich, im Falle der Vermögensarretierung auch die Norm des § 15a InsO im Blick zu behalten. Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, muss sie ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. 

Unterbleibt der Antrag, machen sich die Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Die Pfändung von Gesellschaftskonten führt unter Umständen zur Zahlungsunfähigkeit, die Frage der Insolvenzantragsstellung ist daher immer im Auge zu behalten.

4. Woran erkenne ich, ob der Vermögensarrest und / oder die Vollziehungsmaßnahme rechtmäßig ist?

Für die Betroffenen, seien es Unternehmen, seien es die Beschuldigten selbst, ist die Frage, ob ein Vermögensarrest bzw. eine Vollziehungsmaßnahme rechtmäßig war, kaum zu beantworten. 

Das Vermögensabschöpfungsrecht gehört zu den schwierigsten Teilbereichen des Strafrechts überhaupt, weil hier nicht nur strafprozessuale, sondern auch zivilprozessuale (Zwangsvollstreckungs-)Vorschriften eine Rolle spielen. Selbst Rechtsanwälte haben mit der sich daraus ergebenden Komplexität regelmäßig Schwierigkeiten (vgl. dazu Reitemeier Koujouie S. 10). Das ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass das Vermögensabschöpfungsrecht nicht Gegenstand der universitären Ausbildung ist.

Ob der Vermögensarrest rechtmäßig ist, lässt sich aber auch für in diesem Bereich erfahrene Rechtsanwälte ausschließlich mit Hilfe der Ermittlungsakten beantworten. Dabei ist zu prüfen, ob die Ausführungen im Vermögensarrest selbst auf einer hinreichenden Tatsachenbasis infolge der durchgeführten Ermittlungen oder auf schlichten Behauptungen „ins Blaue hinein“ beruhen. 

Sie selbst können den Arrest, wenn er Ihnen übergeben wird, vorab auf folgende Punkte überprüfen: 

a) Ist der Arrestschuldner richtig beschrieben, handelt es sich um Sie / Ihr Unternehmen? 

b) Ist die Arrestsumme konkret beschrieben? 

c) Stimmt die Arrestsumme mit der Begründung des Vermögensarrestes überein? 

d) Ist eine Hinterlegungsmöglichkeit benannt? 

e) Ist der Vermögensarrest nicht älter als 3 Monate? 

Wenn Sie eine dieser Fragen mit „Nein“ beantworten können, sollten Sie den Beamten darauf hinweisen und um eine Überprüfung bitten.

5. Was sollte ich auf gar keinen Fall tun?

Sie sollten in jedem Fall davon absehen, sich vor Ort gegenüber den Beamten, über die vorgenannten Punkte hinaus, zu den im Vermögensarrest genannten Gründen zu äußern. Versuchen Sie gar nicht erst, den Beamten zu erklären, dass die Ausführungen im Arrest nicht zutreffend und die Sachlage eine ganz andere ist. 

Der Beamte vor Ort ist nicht dafür da, die Frage der Rechtmäßigkeit des Arrestes zu prüfen, von offensichtlichen Fehlern in der unter 4. beschriebenen Form einmal abgesehen. Er setzt nur um, was das Gericht entschieden hat. Sie werden daher mit entsprechenden Erklärungen keinerlei Erfolg haben und bieten mit Ihren Ausführungen vielleicht sogar noch Angriffsfläche für weitere Maßnahmen.

Sehen sie sich mit einem Vermögensarrest konfrontiert, so neigen Betroffene mitunter dazu, die Vermögenswerte, die noch nicht gepfändet wurden, aus Angst vor deren Verlust zu verstecken, neue Konten zu eröffnen oder Geldflüsse umzuleiten. 

All das sollten Sie tunlichst unterlassen, weil Sie damit den Strafverfolgungsbehörden unter Umständen erst die Tatsachenbasis schaffen, die einen Vermögensarrest rechtmäßig macht. In der Praxis ist immer wieder festzustellen, dass Vermögensarreste (grob) rechtswidrig sind, gerade im Zusammenhang mit einem nebenbeteiligten Unternehmen. 

Dass man als Betroffener in diesem Moment den Gedanken hat, die rechtswidrige Maßnahme „ins Leere“ laufen zu lassen, ist menschlich nachvollziehbar, führt aber im Ergebnis nur das Gegenteil herbei. Rechtswidrige Vermögensarreste müssen durch die Gerichte aufgehoben werden. Das kostet mitunter Zeit und Geld, ist aber alternativlos.

6. Fazit

Ein Vermögensarrest zu Lasten eines Unternehmens kann dessen Existenz bedrohen und die Frage nach der Notwendigkeit einer Insolvenzantragsstellung nach sich ziehen. Das Vermögensabschöpfungsrecht ist nicht nur sehr komplex, vorläufige Sicherungsmaßnahmen sind für die Betroffenen auch äußerst unangenehm und führen zur „Verhaftung des Vermögens“. 

Man sollte in dieser Situation schnell, aber besonnen reagieren. Das setzt neben der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung selbst auch eine Überprüfung der Pfändungsmaßnahmen voraus. Keinesfalls sollten Sie in Panik verfallen und Maßnahmen ergreifen, die Ihnen nachträglich als Versuch der Vermögensverschiebung ausgelegt werden können.


Autor

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 mit dem Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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