Wann kann man von Scheinselbständigkeit ausgehen - hier Sportfotograf?

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Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der Entscheidung vom 30.11.2021 mit der Frage beschäftigt, wann und unter welchen Umständen der Vertrag über die selbstständige Tätigkeit (Dienst- und Geldvertrag) als Arbeitsvertrag zu bewerten ist.

Es hat zunächst einmal darauf verwiesen, dass es nicht auf die Bezeichnung im Vertragsverhältnis des Pauschalistenvertrages ankommt, ebenso wenig wie auf das Verständnis der Parteien, sondern allein auf die tatsächliche Handhabung, so wie diese nach den Umständen des Einzelfalles gewollt war. Insoweit sind im Rahmen einer Gesamtabwägung die Indizien für und gegen ein Arbeitsverhältnis festzustellen und der Gewichtigkeit miteinander abzuwägen.

Das BAG hat sich mit einer Reihe von Argumenten maßgeblich beschäftigt:

  • Der Vertag räume dem Auftraggeber kein Weisungsrecht ein. Dass der Vertrag seinen Gegenstand abstrakt beschreibt und die vom Dienstleister zu erbringende Leistung nicht im Einzelnen festlegt, spricht gegen die Auffassung des Dienstleisters nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis.


  • Für die rechtliche Einordnung kommt es maßgeblich darauf an, ob dem Verpflichtenden das Recht zugebilligt wird, innerhalb der vertraglich bestimmten Grenzen frei tätig zu sein oder ob dem Berechtigten die Befugnis zustehen soll, die zu erbringende Leistung einseitig für die andere Partei verbindlich festzulegen.


  • Für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses sei es nicht von Bedeutung, dass der Rentenversicherungsträger verbindlich festgestellt habe, es bestehe für den Dienstleistenden keine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung.


  • Ebenso unerheblich sei, welche rechtliche Behandlung die Finanzverwaltung hinsichtlich des Rechtsverhältnisses der Parteien vorgenommen habe.


  • Auch der Umstand, dass der Kläger ein Festgehalt bezog, sei im Streitfall statusneutral. Entscheidend seien die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung (BAG 21.05.2019, Az.: 9 AZR 295/18, Rz. 21).


  • Dass der dortige Kläger Reisekosten erhielt, spricht entgegen der Ansicht des Klägers weder für noch gegen eine Eigenschaft als Arbeitnehmer.

Das BAG hat das Verfahren zurückverwiesen aber in der Entscheidung detaillierte Auslegungshinweise gegeben.


Diese Statusfragen sind von sehr hoher wirtschaftlicher Bedeutung.  Stellt das Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis fest, so stellt sich zunächst die Frage, wie hoch das Arbeitsentgelt sein soll, was an die stelle des Dienstleistungsentgeltes treten soll. Fast noch bedeutsamer ist aber das sozialversicherungsrechtliche Risiko des vermeintlichen Arbeitgebers, weil er - gegenüber den Sozialkassen - sowohl in der Pflicht hinsichtlich des Arbeitgeber-, als auch hinsichtlich des Arbeitnehmerbeitrages zur Sozialversicherung ist, letzteren aber nur maximal für die letzten 4 Perioden vom vermeintlichen Arbeitnehmer zurückverlangen kann. Im Übrigen trägt er das Insolvenzrisiko des Arbeitnehmers hinsichtlich der Rückforderung von überzahltem Entgelt und Steuern.


Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.


Karsten Zobel

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

www.kanzlei-frauenkirche.de

Foto(s): Karsten Zobel

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