Wann und wie darf der Arbeitgeber auf die dienstlichen E-Mail-Konten des Arbeitnehmers zugreifen?
- 5 Minuten Lesezeit
von Rechtsanwalt Johannes Zimmermann
Arbeitnehmerüberwachung im Betrieb – Kontrolle und Auswertung des E-Mail-Verkehrs:
I. Einleitung
Arbeitgeber haben ein nicht von der Hand zu weisendes Interesse an der Kenntnis der dienstlichen E-Mails ihrer Mitarbeiter. Im digitalen Zeitalter sind viele Vorgänge nicht mehr in Papierform dokumentiert, sondern werden nur noch digital festgehalten. Ein wesentlicher Teil der geschäftlichen Korrespondenz besteht daher aus E-Mails, die aus dem betrieblichen Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Der Arbeitgeber benötigt die E-Mails daher regelmäßig zur vollständigen Nachvollziehbarkeit einzelner Geschäfte. Daneben können auch gesetzliche Aufbewahrungspflichten bestehen, auch zur Aufdeckung und Verfolgung von Rechtsverstößen von Arbeitnehmern.
Arbeitnehmer haben demgegenüber regelmäßig kein Interesse daran, dass deren private E-Mail-Korrespondenz vom Arbeitgeber verfolgt wird. Wird ein dienstlicher E-Mail-Account auch privat genutzt, können diese widerstreitenden Interessen miteinander in Konflikt geraten. Dieser ist in Ermangelung spezieller gesetzlicher Regeln in einer Weise aufzulösen, die eine möglich weitgehende Wahrung beider Interessen gewährleistet.
Der einfachste Weg zur Auflösung des Spannungsverhältnisses ist die Mitarbeit des Arbeitnehmers an der Kontrolle des E-Mail-Postfachs, etwa indem dieser die maßgebliche Korrespondenz an den Account des Arbeitgebers weiterleitet oder seine private Korrespondenz löscht und dem Arbeitgeber vollen Zugriff auf sein Postfach gewährt. Es existieren aber auch Situationen, in denen dies nicht möglich ist, etwa wenn der Arbeitnehmer verstirbt, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unbekannt verzieht, oder wenn die Kontrolle dem Auffinden von Beweismitteln einer rechtlichen Verfehlung des Arbeitnehmers dient.
II. E-Mail-Kontrolle bei nicht gestatteter Privatnutzung
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Kontos nicht gestattet, hat er weitgehende Kontrollbefugnisse. Nutzt der Arbeitnehmer den betrieblichen E-Mail-Account dennoch privat, handelt er vertragswidrig. Mit einem solchen Verhalten muss der Arbeitgeber regelmäßig nicht rechnen. Er kann daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der E-Mail-Kontrolle keine privaten Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Arbeitgebern kann daher nur dazu geraten werden, die private E-Mail-Nutzung vertraglich auszuschließen.
Wird allerdings dem Arbeitgeber bekannt, dass der Arbeitnehmer seinen betrieblichen E-Mail-Account privat nutzt, etwa weil dies geduldet oder nachträglich vereinbart wurde, oder selbst wenn sich der Arbeitnehmer schlicht vertragswidrig verhält und der Arbeitgeber bei der Kontrolle des Postfachs private Korrespondenz entdeckt, muss der Arbeitgeber seine betrieblichen Belange stets sorgfältig gegen die privaten Belange des Arbeitnehmers abwägen. Im Einzelfall wird diese Abwägung Schwierigkeiten bereiten, da spezifische gesetzliche Regelungen fehlen. Maßgeblich ist daher die allgemeine Vorschrift des § 32 Abs. 1 BDSG, der Inhalt der Abwägung nähert sich dann dem unter III. Ausgeführten an.
III. E-Mail-Kontrolle bei gestatteter Privatnutzung
Besonders misslich ist die Lage des Arbeitgebers, wenn dieser die private Nutzung des E-Mail-Accounts gestattet hat. Vor der Abwägung der arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Interessen stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitgeber den strengen Anforderungen des Fernmeldegeheimnisses unterliegt. Nach einer – insbesondere von den Datenschutzbeauftragten (vgl. etwa der Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Württemberg) – vertretenen Auffassung sei der Arbeitgeber in solchen Fällen Diensteanbieter von Telekommunikationsdiensten und dürfe sich gemäß § 88 Abs. 3 TKG keine Kenntnis vom Inhalt der E-Mails der Mitarbeiter verschaffen. In der Rechtsprechung wurde dies zuletzt anders gesehen (etwa LAG Berlin-Brandenburg, 16.02.2011 – 4 Sa 2132/10; VG Karlsruhe, 27.05.2013 – 2 K 3249/12 und in der Folge VGH Baden-Württemberg, 30.07.2014 – 1 S 1352/13).
Von dieser Vorfrage hängt ab, ob und ggf. wie eine Sichtung der Mitarbeiter-E-Mails erfolgen kann. Auch wenn man den Arbeitgeber als Anbieter von Telekommunikationsleistungen betrachtet, ist eine solche Kontrolle nicht gänzlich ausgeschlossen. Das LAG Hamm (10.07.2012 – 14 Sa 1711/10) lässt die Frage, ob der Arbeitgeber Anbieter von Telekommunikationsdiensten wird, offen und wägt unabhängig davon die Interessen der Parteien gegeneinander ab – ein Signal dafür, dass auch bei Qualifikation des Arbeitgebers als Telekommunikationsdienstleister dessen Interessen Vorrang haben können.
Gelangt man, wie der Großteil der jüngeren Rechtsprechung, zu dem Ergebnis, § 88 Abs. 3 TKG sei nicht anwendbar, gelten ausschließlich die Anforderungen des BDSG. Auf dessen Grundlage sind mehrere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar.
- Einwilligung
Rechtmäßig ist die Datenerhebung zunächst einmal mit Einwilligung des Betroffenen. Auf den ersten Blick erscheint es daher als attraktive Lösung, sich vom Arbeitnehmer vorsorglich oder im konkreten Fall eine Einwilligung erteilen zu lassen. Allerdings setzt § 4a Abs. 1 BDSG hierfür eine freie Entscheidung des Betroffenen voraus. Ob im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer überhaupt eine freie Entscheidung treffen kann, ist zweifelhaft. Aufgrund der strukturellen Überlegenheit des Arbeitgebers besteht eine echte Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht.
Hinzu kommt, dass an der privaten E-Mail-Kommunikation neben dem Arbeitnehmer mindestens eine weitere Person beteiligt ist, namentlich der Sender oder Empfänger einer E-Mail. Dessen Einwilligung in die Kontrolle wird der Arbeitgeber regelmäßig nicht einholen können. Die Einwilligung spielt daher im Rahmen der Rechtfertigung bei der Kontrolle betrieblicher E-Mail-Accounts in der Praxis keine wesentliche Rolle.
- Betriebsvereinbarung
Verfügt der Betrieb über einen Betriebsrat, ist an den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu denken. Das bei der Einwilligung des einzelnen Arbeitnehmers hinderliche strukturelle Ungleichgewicht ist in diesem Rahmen nicht vorhanden. Die nach dem BDSG erforderliche Einwilligung der Kommunikationsteilnehmer kann dadurch allerdings auch nicht ersetzt werden.
Gegenstand einer Betriebsvereinbarung können jedoch die einzuhaltenden Prozeduren für den Fall der E-Mail-Kontrolle sein, etwa was die Auswahl des Untersuchungsteams oder die zeitlichen Abläufe anbelangt. Falls eine Postfachkontrolle durchgeführt werden muss, kann so später wertvolle Zeit gespart werden. Die Einzelheiten müssen aber unter Abwägung der widerstreitenden Interessen einzelfallbezogen festgelegt werden.
- Abwägung im Einzelfall
Im Regelfall wird ein einzelfallbezogenes Vorgehen unter Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen im Rahmen von § 32 BDSG erforderlich sein. Dabei ist darauf zu achten, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers hinsichtlich Dauer und Intensität so gering wie möglich zu halten ist.
Generell in die Erwägungen einzubeziehen sind dabei die Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten, in geeigneten Fällen auch die Absprache mit der zuständigen Aufsichtsbehörde, sowie die Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, soweit ein solcher existiert. In technischer Hinsicht ist die Planung der Durchführung der Postfachkontrolle mit der vorhandenen IT-Infrastruktur abzugleichen. Als privat erkannte E-Mails sind von der Kontrolle auszunehmen, wobei an Ausnahmen dann zu denken ist, wenn etwa der Verrat von Betriebsgeheimnissen über solche privaten E-Mails stattgefunden hat.
Die Einzelheiten sind aber in jedem Fall gesondert detailliert unter Berücksichtigung des Schweregrades einer etwaigen Verfehlung, der voraussichtlichen Bedeutung der gesuchten E-Mails und einem eventuellen Verbot der Privatnutzung festzulegen, wobei sich die Einholung arbeits- und IT-rechtlichen Rats anbietet.
Unser Team von MWW Rechtsanwälte berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu allen Aspekten des Arbeitsrechts, insbesondere des Arbeitnehmerdatenschutzrechts. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu uns auf (Ansprechpartner RA Johannes Zimmermann).
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