Widerruf von Fernabsatzverträgen für Verbraucher einschränkungslos gewährt

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Wer Ware im Internet bestellt, schließt mit dem Verkäufer einen sogenannten Fernabsatzvertrag. Dies geschieht täglich tausendfach. Da Käufer und Verkäufer sich bei diesen Fällen nicht unmittelbar gegenüberstehen, gelten besondere Widerrufsrechte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 16. März 2016 (VIII ZR 146/15) darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucher am Widerruf eines Fernabsatzvertrages gehindert ist und ob ihm rechtsmissbräuchliches Verhalten schaden kann.

Was ein Fernabsatzvertrag ist

Seit Juni 2014 gilt ein neues Widerrufsrecht, das das bisherige Widerrufsrecht abgelöst und neu strukturiert hat. Da der hier zugrunde liegende Sachverhalt jedoch aus Januar 2014 stammt, wird im Folgenden das alte Widerrufsrecht behandelt. Eine Gegenüberstellung des alten und neuen Widerrufsrechts finden Sie in einem anderen Beitrag von uns auf anwalt.de (Gegenüberstellung altes und neues Widerrufsrecht).

Bis Juni 2014 regelte § 312b BGB aF die Voraussetzungen von Fernabsatzverträgen. Darunter sind Verträge zu verstehen, bei denen der Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel erfolgte. Zu den Fernkommunikationsmitteln gehören alle technischen Einrichtungen, die einen Vertragsschluss ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien ermöglichen, also bspw. Internet, Handy, Telefon. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es sich bei den Vertragsparteien um einen Verbraucher und einen Unternehmer handelt.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, regelt § 312d BGB aF das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen. Dafür muss er eine Erklärung abgeben, nicht mehr an den Vertrag gebunden sein zu wollen. Zumeist besteht dafür eine Frist, die gewahrt werden muss. Im Anschluss daran muss der Vertrag rückabgewickelt werden. Das bedeutet, dass die jeweils empfangenen Leistungen an die andere Partei zurückgegeben werden müssen.

Worum es im verhandelten Fall ging

Im Januar 2014 lieferte die Beklagte zwei Matratzen an den Kläger, die dieser vorab über das Internet bestellt hatte. Die Beklagte warb mit einer „Tiefstpreisgarantie“, weshalb der Kläger, nachdem er ein günstigeres Angebot fand, um Erstattung von 32,98 € bat. Dann würde er von seinem Widerrufsrecht absehen, so der Kläger. Zu einer entsprechenden Einigung kam es jedoch nicht, woraufhin der Kläger den Kaufvertrag fristgerecht widerrief und die Matratzen zurücksandte.

Die Beklagte vertrat vor Gericht die Auffassung, dass sich der Kläger rechtsmissbräuchlich verhalten habe und der Widerruf deshalb unwirksam sei. Als Argument führte sie an, dass das Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft bestehe, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne. Der Kläger habe jedoch die Ware nicht prüfen wollen, sondern vielmehr eine Forderungen aus der „Tiefpreisgarantie“ gestellt.

Wie der BGH entschied

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage hatte bereits in allen Vorinstanzen Erfolg. Der BGH entschied nicht anders und folgte den bisherigen Instanzen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, da der Widerruf des Kaufvertrages wirksam sei. Der Wirksamkeit stehe es nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Neben der Voraussetzung der Fristwahrung gebe es keine weiteren Kriterien, die der Verbraucher erfüllen müsse. Die Regelung des Widerrufsrechtes soll dem Verbraucher ein effektives Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Deshalb bedürfe es auch insbesondere keiner Begründung des Widerrufs. Von daher kommt es nicht darauf an, warum der Verbraucher den Vertrag widerrufen will.

Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dafür muss der Unternehmer besonders schutzbedürftig sein. Das ist bspw. der Fall, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt. Das trifft jedoch auf den vorliegenden Fall nicht zu. Das bloße Vergleichen von Preise und das Angebot, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stellt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Der Verbraucher darf grundsätzlich einschränkungslos gewährtes Widerrufsrecht in einer Wettbewerbssituation zu seinem Vorteil nutzen.

Diese Entscheidung könnte auch insoweit Ausstrahlungswirkung auf das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen haben, als gerne behauptet wird, dass das Widerrufsrecht dort rechtsmissbräuchlich ausgeübt werde. Das dürfte mit dieser Entscheidung schwieriger werden.

Wer wir sind:

Die Rechtsanwaltskanzlei Benedikt- Jansen ist auf Bank-und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Herr Rechtsanwalt Benedikt-Jansen ist seit 13 Jahren Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., einem staatlich anerkannten Verbraucherschutzverband zur Bekämpfung unredlicher Finanzdienstleister (z. B. aus dem Bankensektor, Kapitalanlagesektor, Versicherungen, etc.). Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat seit dem Jahr 2004 zehntausende Fälle rechtsmissbräuchlicher Vertragspraktiken (insbesondere unwirksame Vertragsklauseln) erfolgreich bekämpft. Seit 2010 ist Herr Benedikt Jansen Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht. Er verfügt über einen außergewöhnlich umfangreichen Schatz an Erfahrungen auf dem Gebiet des bankenrechtlichen Verbraucherschutzes.

Für weitere Informationen oder Fragen stehen er und sein Team Ihnen auf seiner Homepage zur Verfügung.


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