Zeugniscodes und Geheimzeichen - Was jeder über ein Arbeitszeugnis wissen sollte
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Jeder, der ein Arbeitszeugnis ausstellt und jeder, der ein Arbeitszeugnis erhält, sollte sich im klaren darüber sein, dass das Zeugnis besser klingt, als es gemeint ist.
In der Praxis hat sich im Laufe der Jahre eine gewisse Zeugnissprache herausgebildet. Der Grund liegt darin, dass Zeugnisse einerseits wahr, andererseits wohlwollend formuliert sein sollen, um den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht unnötig zu behindern.
Da ein Zeugnis keine negativen Formulierungen enthalten darf, wurden zahlreiche Techniken entwickelt, die in verschlüsselter Form negative Aussagen enthalten können. Am bekanntesten ist der Standardcode für die Leistungsbewertung entsprechend der Schulnoten:
Note 1 (sehr gut): „Stets zur vollsten Zufriedenheit"
Note 2 (gut): „Stets zur vollen Zufriedenheit" oder „Zur vollsten Zufriedenheit"
Note 3 (befriedigend): „Zur vollen Zufriedenheit"
Note 4 (ausreichend): „Zur Zufriedenheit" oder „zufriedenstellend"
Note 5 (mangelhaft): „insgesamt (weitgehend) im großen und ganzen zur Zufriedenheit"
Note 6 (ungenügend): „Hat sich stets bemüht ... zur Zufriedenheit zu erfüllen"
Insgesamt kann festgestellt werden, dass keine Zeugniskomponente neutral ist, angefangen von der Art des verwendeten Briefpapiers, über die Reihenfolge und Beschreibung der Aufgaben bis hin zu äußerst differenzierten Ausdrucksformen der Leistungsbewertung und des Sozialverhaltens. Selbst im Schlusssatz und in der Art der Unterschriftsleistung können versteckte Hinweise für einen kundigen Zeugnisleser verborgen sein.
Nachstehend gebe ich Ihnen einige Kostenproben der Zeugnissprache und des Zeugniscodes.
A. Geheimcode
1. Tätigkeitsbeschreibung
„Er war zuständig für die Beschaffung von Büromaterial und Werkzeugen sowie für den Einsatz unseres Fuhrparks."
Wenn zuerst weniger bedeutende Tätigkeiten genannt werden, gibt dies Hinweise auf die mangelnde Qualifikation.
2. Leistungen:
„Er hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt."
Er war ein Bürokrat ohne Eigeninitiative.
„Herr Müller war wegen seiner Pünktlichkeit und Ehrlichkeit stets ein gutes Vorbild."
Durch die Betonung von Selbstverständlichkeiten wird zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitsleistungen und der Arbeitserfolg gering waren.
„Hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt."
Hat getan was er konnte, das war jedoch nicht viel.
„Die gezeigten Leistungen bewegten sich durchaus im Rahmen seiner Fähigkeiten."
Die Fähigkeiten waren aber bescheiden, Note: ungenügend.
„War mit Interesse bei der Sache."
Hat sich angestrengt, aber nichts geleistet.
3. Sozialverhalten
„Herr Müller war ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter."
Er war ein notorischer Querulant.
„Seine umfangreiche Bildung machte ihn stets zu einem gesuchten Gesprächspartner."
Er war geschwätzig und führte lange Privatgespräche.
„Er trug durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei."
„Betriebsnudel", evtl. erhöhter Alkoholgenuss.
„Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen."
Ein Mitläufer, der sich gut zu verkaufen weiß, ohne Durchsetzungsvermögen, schwache Persönlichkeit.
„Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter."
Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.
4. Führungsstil
„Von seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten wurde er sehr geschätzt."
Umgekehrte Reihenfolge, drückt aus, dass er zu Mitarbeitern ein weit besseres Verhältnis als zu Vorgesetzten hatte.
„Er verstand es, die Aufgaben mit Erfolg zu delegieren und setzte sich für die Förderung der Mitarbeiter ein."
Er hat kaum selbst gearbeitet und Mitarbeiter durch Gehaltserhöhungen von Kritik an seiner Person abgehalten.
„Er verstand es hervorragend zu delegieren."
Ohne selbst allzuviel zu arbeiten.
„Er führte mit fester Hand."
„Er führte konsequent."
„Er führte straff demokratisch"
Hinweis auf autoritären Führungsstil.
„Er war ein verständnisvoller und toleranter Vorgesetzter."
„Er praktizierte einen kooperativen Führungsstil und war deshalb von seinen Mitarbeitern sehr geschätzt."
Er hatte kein Durchsetzungsvermögen.
5. Schlußfloskel
„Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt."
Es besteht Grund zur Annahme, dass eine Arbeitgeberkündigung vorangegangen ist.
„Für seine Mitarbeit bedanken wir uns aufs Herzlichste!"
Ironische Überziehung, die das genaue Gegenteil bedeutet, verstärkt noch durch das Ausrufezeichen.
„Er schied im beiderseitigem Einvernehmen aus."
Hinweis auf eine Arbeitgeberkündigung, (eine wirklich einvernehmliche Aufhebung wird umschrieben mit: „im besten Einvernehmen").
„Wir haben uns einvernehmlich getrennt."
Hinweis auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers auf Initiative des Arbeitgebers.
„Das Arbeitsverhältnis endete am 18. Juli 2006.
Das ungewöhnliche Beendigungsdatum weist auf eine außerordentliche (fristlose) Kündigung hin.
6. Auslassungen
Qualifizierter Mitarbeiter legt nur ein einfaches Zeugnis vor.
Verdacht auf Verfehlungen, Trennung im Streit.
Bei der Führungsbeurteilung (Sozialverhalten) fehlen Angaben zum Verhältnis gegenüber Vorgesetzten und/oder Mitarbeitern.
B. Geheimzeichen
Ein senkrechter Strich, links stehend vor der Unterschrift, sieht aus wie ein Ausrutscher.
Mitglied der Gewerkschaft
Ein sogenannter Doppelausrutscher („Doppelhäkchen")
Mitglied einer linksgerichteten verfassungsfeindlichen Organisation
C. Sonstiges
Die äußere Form darf nicht den Eindruck erwecken, der Aussteller distanziere sich von dem buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung (keine Eselsohren, schriftlichen Verbesserungen, Durchstreichungen, Flecken etc.).
Die Bezeichnung in der Überschrift als „Dienstzeugnis" kann außerhalb des öffentlichen Dienstes negativ wirken.
Hinsichtlich des Datums der Ausstellung gilt grundsätzlich die Wahrheitspflicht, es sei denn, ein bereits ausgestelltes Zeugnis wurde berichtigt.
D. Schluss
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Verschlüsselungstechniken, Geheimcodes und Geheimzeichen. Näheres erfahren Sie auf der Homepage von Rechtsanwalt Rumke.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Weilheim. Alle vom Autor bisher erschienenen Artikel zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen können im Internet auf der Homepage des Autors unter www.fachanwalt-arbeitsrecht.de kostenlos abgerufen werden.
Rechtsanwalt
Hans-Georg Rumke
Münchener Straße 8
82362 Weilheim
Tel. 0881 / 6 48 66
Fax. 0881 / 6 47 47
E-Mail: ra-rumke@fachanwalt-arbeitsrecht.de
Internet: www.fachanwalt-arbeitsrecht.de
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