Abmahnfalle: Repliken von archäologischen Funden

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Beim Stichwort Archäologie denken die meisten wahrscheinlich an Abenteurer, die sich auf der Jagd nach einem verlorenen Schatz durch den Dschungel kämpfen. Den Ohrwurm einer bekannten Filmmelodie gibt es gratis dazu. An das deutsche Urheberrecht würde in dem Zusammenhang wohl kaum jemand denken. Wenn Sie Repliken von archäologischen Funden anbieten, sollten Sie das deutsche Urheberrecht jedoch im Hinterkopf behalten. Das gilt zumindest dann, wenn der archäologische Fund in Deutschland gemacht wurde und anschließend auch in Deutschland öffentlich gemacht worden ist, wie dies beispielsweise bei der Himmelsscheibe von Nebra der Fall war.

Archäologische Funde und deutsches Urheberrecht? 

Die Archäologie beschäftigt sicher naturgemäß meist mit sehr alten Gegenständen. Und im deutschen Urheberrechtsgesetz gibt es in § 64 eine Regelung, nach der das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Da kann man durchaus auf die naheliegende Frage kommen, wie an jahrtausendealten Artefakten überhaupt Rechte nach dem deutschen Urheberrecht in Betracht kommen können. Wie das möglich ist, zeigt der Fall der Himmelsscheibe von Nebra. Das Artefakt, dessen Alter auf 3.700 bis 4.100 Jahre geschätzt wird und das somit aus der frühen Bronzezeit Mitteleuropas stammt, wurde 1999 nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden und gehört seit dem Jahr 2002 zum Bestand des Landesmuseums für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt in Halle. Das Artefakt gilt als die älteste bisher bekannte konkrete Himmelsdarstellung. Kein Wunder also, dass es Interesse an Repliken gibt. Das Angebot von Repliken der Himmelsscheibe von Nebra kann allerdings zu urheberrechtlichen Problemen führen. Hintergrund ist die Regelung zu nachgelassenen Werken in § 71 Urheberrechtsgesetz. Die entsprechende Regelung lautet wie folgt:

„Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts erlaubterweise erstmals erscheinen lässt oder erstmals öffentlich wiedergibt, hat das ausschließliche Recht, das Werk zu verwerten. Das gleiche gilt für nicht erschienene Werke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes niemals geschützt waren, deren Urheber aber schon länger als siebzig Jahre tot ist.“

Die Himmelsscheibe von Nebra

Die Himmelsscheibe von Nebra war schon aufgrund ihres Alters im Geltungsbereich des deutschen Urheberrechtsgesetzes niemals geschützt. Das Landgericht Magdeburg hat bereits im Jahr 2005 geurteilt, dass das Land Sachsen-Anhalt nach § 71 Urheberrechtsgesetz berechtigt ist, und zwar, weil es das Artefakt nicht nur restauriert hat,

„sondern durch eigene Untersuchungen dessen Echtheit und dessen Bedeutung und Funktion in früherer Zeit durch seine offizielle Publikation öffentlich gemacht hat und dadurch erst die besondere Wertschätzung in der Öffentlichkeit überhaupt hervorgerufen hat.“

Das Gericht stellt auch klar, dass die Himmelscheibe von Nebra im Sinne der Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes zuvor auch niemals erschienen war, weil die zeitweilige Nutzung der Himmelscheibe als Sakralsegment bei Umzügen gerade nicht ausreichend war, um ein Erscheinen im Sinne des § 6 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz zu begründen. Ich sag mal so: Darüber dürfte sich damals in der Tat niemand Gedanken gemacht haben.

Im Übrigen stellte das Gericht noch klar:

„Die Entstehung des Schutzrechtes gemäß § 71 Urheberrechtsgesetz ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass infolge der Umsetzung der Richtlinie 93/98/EWG des Rates der EU vom neunten 20. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte die weitere Alternative der öffentlichen Wiedergabe hinzugefügt wurde, sodass in dem Herumtragen der Himmelscheibe bei Umzügen eine bereits erfolgte öffentliche Wiedergabe gesehen werden könnte.“

Bestechende Begründung unter anderem:

„Darüber hinaus hält die Kammer weiterhin an der von ihr im Urteil vom 16. Oktober 2003 vertretenen Rechtsauffassung fest, dass es Sinn und Zweck des § 71 UrhG widersprechen würde, wenn man bei einem mehrere 1.000 Jahre verschollenen Werk die Entstehung des Schutzrechtes aus § 71 Urheberrechtsgesetz daran scheitern lassen würde, dass es vermutlich in einer Zeit, über die es keine gesicherten Erkenntnisse aus schriftlichen oder bildlichen Überlieferungen gibt bzw. geben kann, einer nicht mehr feststellbaren oder gar zu definierenden Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die Vorschrift des § 71 UrhG sollte gerade dazu beitragen, das verschollenes Kulturgut der heutigen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird.“

Was das alles für das Angebot von Repliken bedeutet:

Da dem Land Sachsen-Anhalt das ausschließliche Recht zusteht, das Werk Himmelsscheibe von Nebra zu verwerten, sind die Hersteller von Repliken von Artefakten ohne Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt von einer Verwertung ausgeschlossen. Mit anderen Worten: die Herstellung entsprechender Repliken und deren Vertrieb sind ohne Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt unzulässig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob lediglich eine Abbildung der Himmelsschreibe von Nebra erfolgt oder ob die Himmelscheibe von Nebra als Replik des Objektes selbst hergestellt und vertrieben wird. Wer dennoch entsprechende Produkte anbietet, riskiert eine kostenpflichtige Abmahnung.

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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

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