Coronaschutzverordnungen außer Vollzug gesetzt - Urteile und Bedeutung für die Zukunft

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Corona-Verordnungen stehen immer wieder unter Kritik. So kam es in gleich mehreren Beschlüssen von Gerichten zur Außervollzugsetzung von Corona-Verordnungen. Damit könnte in Zukunft eine neue Klagewelle auf die Gerichte zukommen.

Wieso die Gerichte so entschieden, was dies nun bedeutet und wie es für Unternehmen wie Fitnessstudios nun aussieht, wird hier dargestellt.

Urteile des OVG Lüneburg - Außervollzugsetzung

Beschluss vom 18. Mai 2021 - 13 MN 260/21

Zu einer Außervollzugsetzung der Corona-Verordnung kam es beim OVG in Niedersachsen mit Beschluss vom 18.05.2021 (Az. 13 MN 260/21). Nach der außer Vollzug gesetzten Regelung waren Beherbergungen im Sinne eines Urlaubs nur für solche Personen zulässig, die ihren Wohnsitz in Niedersachsen haben.

Beschluss vom 08. Juni 2021 - 13 MN 298/21

Ein weiteres Mal wurde das OVG Lüneburg (Beschluss vom 08.06.2021 - 13 MN 298/21) hinsichtlich des Verbots der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prostitution in § 10c der niedersächsischen Corona-Verordnung tätig. Auch hier kam es zu einer Außervollzugsetzung von einer Corona-Verordnung.

Einerseits sei ebenfalls ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz gegeben. Es bestehe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen körpernahen Dienstleistungen.

Zudem sei ein solches Verbot angesichts des Infektionsgeschehens nicht erforderlich. Es könnten vielmehr mildere Beschränkungen den Betreibern auferlegt werden, die den Gesundheitsschutz gleichermaßen fördern.

Beschluss vom 30. Juli 2021 - 13 MN 350/21

Das OVG Lüneburg setzte § 7f Abs. 2 S. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung außer Vollzug. Es begründete, dass ein grundsätzliches Schließen von Saunen bei einer 7- Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 nicht verhältnismäßig sei. Es ist schon die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme zweifelhaft. Aber zumindest ist eine solche nicht angemessen. Die Schließung von Saunen stellt einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit der Betreiber dar. Demgegenüber sind die Auswirkungen einer solchen Schließung von lediglich Saunen hinsichtlich des Infektionsgeschehens eher gering.

Zudem liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz aus Art. 3 I GG vor. Bei einer Inzidenz von 35 bis 50 müssen Saunen schließen, während Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen geöffnet bleiben dürfen. Dabei ist aber nicht erkennbar, dass von einer Sauna eine höhere Infektionsgefahr ausgeht wie von Fitnessstudios.

Beschluss vom 03. August 2021 - 13 MN 352/21

Auch nach diesem Beschluss des OVG Lüneburg bestehe ein Eingriff in Art. 12 GG (Berufsfreiheit) der Betreiber von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen sowie Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden.

§ 9 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, der die Schließung oben genannter Einrichtungen vorsieht, greift schon bei einer 7-Tage-Inzidenz von 10. Die Rechtsgrundlage § 28a Abs. 3 IfSG sieht jedoch nur Inzidenzen von über 50, über 35 und unter 35 vor, jedoch nicht ab 10. Unter einer Inzidenz von 35 sei eine Schließung nicht erforderlich, es genügen die allgemeinen Regeln, wie z.B. die Masken- oder Testpflicht, die erkennbar weniger eingriffsintensiv sind, wie allgemeine Betriebsschließungen.

Zudem wies der Senat darauf hin, dass angesichts der weiter fortschreitenden Impfungen eine Anpassung der Schwellenwerte an die geänderte Gefährdungslage erforderlich sei. Die momentanen Schwellenwerte rechtfertigen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff nur für eine sehr kurze Übergangszeit.

Beschlüsse vom 08.12.2021 – 13 MN 463/21 und 13 MN 464/21

Ein Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Regelung über die 2-G-Plus-Regelung bei der Nutzung von Sportanlagen wurde vom OVG Lüneburg abgelehnt.

Auch hat das OVG Lüneburg die vorläufige Außervollzugsetzung von Zugangsbeschränkungen zu Diskotheken abgelehnt.

Beschluss vom 10.12.2021 – 13 MN 462/21

Auch der Antrag beim OVG Lüneburg gegen § 8a Abs. 4 S. 1 Hs. 2 Niedersächsische Corona-Verordnung hatte Erfolg. Danach war bei körpernahen Dienstleistungen die 2-G-Plus-Regel anzuwenden. Diese Regelung wurde ebenfalls vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Ein Ausschluss von Ungeimpften von allen körpernahen Dienstleistungen sei unangemessen. Begründet wurde dies damit, dass das Infektionsrisiko hier gering sei. Es sei auf die wenigen anwesenden Personen beschränkt. Zudem würden eine Testpflicht, eine FFP2-Maske und das Erfassen der Kontaktdaten ausreichen.

Beschluss vom 16.12.2021 - 13 MN 477/21

Das OVG Lüneburg hat § 9a Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021, zuletzt geändert am 13. Dezember, vorläufig außer Vollzug gesetzt. In den Vorschriften war bestimmt, dass in den genannten Einrichtungen und Betrieben aus dem Bereich des Einzelhandels eine 2G-Regelung gilt.

Begründet wurde dies damit, dass diese Regelung nicht verhältnismäßig sei und damit insbesondere in die Grundrechte der ungeimpften Kunden und auch der Betreiber der Läden eingreife. Es bestehen an der Geeignetheit und auch an der Erforderlichkeit Zweifel. Der tägliche Kundenkontakt finde insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel statt, der aber gerade nicht von der 2G-Regelung erfasst werde. Auch bestehen keine Feststellungen, dass sich gerade im Einzelhandel viele Menschen infizieren. Aufgrund der großen Unterschiede zwischen Sporteinrichtungen in geschlossenen Räumen und dem Einzelhandel (kürzere Aufenthaltsdauer, weniger Kunden, weniger face-to-face-Kontakt, etc.) sei auch eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze nicht zu rechtfertigen. Eine Verpflichtung zur Tragung einer FFP2-Maske sei zudem milder.

Weiterhin sei auch eine Verletzung von Art. 3 I GG gegeben. So seien keine sachlichen Gründe gegeben, dass Baumärkte der 2G-Regel unterliegen, dagegen aber der Blumenhandel nicht.

Weitere Beschlüsse zur Außervollzugsetzung der Corona-Schutzverordnungen 

BayVGH - Beschluss vom 23. Juli 2021 - 25 NE 21.1832

Auch entschied der Bayerische VGH mit Beschluss vom 23.07.2021 (Az. 25 NE 21.1832) § 15 Abs. 2 S. 1 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Auch hier sei ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gegeben.

§ 15 Abs. 2 S. 1 13. BayIfSMV stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Schankwirtschaften, die in geschlossenen Räumen zu schließen sind, im Verhältnis zur Zulassung des Betriebs von Speisewirtschaften in geschlossenen Räumen dar.

OVG Sachsen – Beschluss vom 07.12.2021 – 3 B 423/21 und Beschluss vom 08.12.2021 – 3 B 417/21

Das OVG in Sachsen hat dagegen den Antrag eines Fitnessstudiobetreibers auf vorläufige Außervollzugsetzung von § 13 Abs. 1 SächsCoronaNotVO abgelehnt. Darin war geregelt, dass für den Publikumsverkehr die Öffnung von Fitnessstudios untersagt sei.

Dagegen hatte der Antrag eines Betreibers von Wettannahmestellen Erfolg. Er beantragte, § 11 Abs. 3 SächsCoronaNotVO außer Vollzug zu setzen. Darin war geregelt, dass auch Wettannahmestellen für den Publikumsverkehr geschlossen seien. Hierin sah das Gericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn ein sachlicher Grund, dass Lottoannahmestellen in Tankstellen für den Publikumsverkehr geöffnet seien, bestehe nicht.

Weitere OVGs zu 2-G-Regelungen: verhältnismäßig – keine Außervollzugsetzung

Das OVG Schleswig-Holstein (Beschl. v. 14.12.2021, Az. 3 MR 31/21), das VG Berlin (Beschl. v. 23.12.2021, Az. VG 14 L 632/21), das OVG Saarland (Beschl. v. 20.12.2021, Az. 278/21 und 2 B 289/21) und das OVG NRW (Beschl. v. 22.12.2021, Az. 13 B 1858/21 NE) dagegen beanstandeten im Gegensatz zum OVG Lüneburg die 2-G-Regel im Einzelhandel nicht. Es kam zu keiner Außervollzugsetzung. Es sei keine Unverhältnismäßigkeit gegeben. Es werde durch die 2-G-Regelung Leben und Gesundheit geschützt. Eine Testpflicht und das Tragen einer FFP2-Maske sei nicht geeignet. Die Betreiber könnten ihre Waren weiterhin eine Vielzahl an Kunden anbieten. Außerdem sei auch keine Ungleichbehandlung gegeben, denn eine Differenzierung nach dem täglichen Grundbedarf sei vertretbar. Ebenfalls sei eine Schutzimpfung ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften.

Was bedeute Außervollzugsetzung eigentlich?

Die Beschlüsse hinsichtlich der Außervollzugsetzung nach § 47 VI VwGO wirken nicht nur zugunsten der Antragssteller in dem jeweiligen Verfahren, sondern sind allgemeinverbindlich, wirken „inter omnes“.

Durch eine Außervollzugsetzung wird die jeweilige Rechtsnorm vorläufig nicht vollzogen. Die jeweilige Rechtsnorm muss also erst einmal nicht mehr beachtet werden.

Dies hat den Zweck, dass verwaltungsgerichtliche Klageverfahren mehrere Monate oder auch Jahre dauern. Damit dem Betroffenen aber keine erheblichen Nachteile dadurch entstehen oder um diese zumindest abzumildern, wird dann eine vorläufige Entscheidung getroffen. Dabei orientiert sich das Gericht an den Erfolgsaussichten des späteren Hauptsacheverfahrens. Die Gründe für die Außervollzugsetzung müssen die entgegenstehenden Gründe deutlich überwiegen.

Was bedeutungen das konkret für die EMS-/Fitnessbranche?

Es ist damit zu rechnen, dass es in weiteren Bundesländern zur Außervollzugsetzung der Corona-Verordnungen kommt. Insbesondere ist fraglich, wie man solche Menschen behandelt, die eben vollständig geimpft sind und solche, die ungeimpft sind. Hinsichtlich der 2-G-Regelung im Einzelhandel sind sich die meisten Gerichte jedoch einig, dass die wohl verhältnismäßig ist.

Das sieht für Unternehmen, wie Fitnessstudios und auch EMS-Studios vielversprechend aus!

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