Darf mein Chef mir während einer Erkrankung kündigen?
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Sind Arbeitnehmer längere Zeit oder häufiger erkrankt, reagieren Unternehmen in der Praxis nicht selten mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dies wirft die Frage nach der Zulässigkeit einer Kündigung während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auf.
1. Krankheit kein Kündigungsschutz
„Die Erkrankung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich kein Hinderungsgrund für eine Kündigung“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Perabo-Schmidt von der Kanzlei PSS-Rechtsanwälte aus Wiesbaden. Ob eine Kündigung rechtlich zulässig ist, hängt – neben der Einhaltung der Kündigungsfrist und der Schriftform – insbesondere davon ab, ob das sogenannte Kündigungsschutzgesetz (KschG) anwendbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand und in dem Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt sind (bzw. mehr als 5, wenn das betreffende Arbeitsverhältnis schon vor dem 01.01.2004 begründet wurde).
Ist das KschG nicht anwendbar, kann also der Arbeitnehmer ohne Gründe auch während einer Krankheit gekündigt werden.
2. Anderweitiger Kündigungsschutz
Anders ist dies der Fall, wenn das KSchG aus den oben genannten Gründen anwendbar ist. In diesem Fall muss die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall sozial gerechtfertigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie entweder aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingt, u. a. Krankheit), wegen des Verhaltens des Arbeitnehmers (verhaltensbedingt) oder betriebsbedingt (bspw. Umstrukturierung) gerechtfertigt ist.
„Bei den vom Arbeitgeber in der Kündigung benannten oder mündlich mitgeteilten Kündigungsgründen ist Vorsicht geboten“, rät Rechtsanwalt Dr. Perabo-Schmidt aus Wiesbaden. „Die Hürden der Rechtsprechung für die Annahme eines Kündigungsgrundes sind enorm hoch.“ Insbesondere im hier interessierten Fall der sogenannten krankheitsbedingten Kündigung als personenbedingte Kündigung gelten strenge Anforderungen:
3. Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung
Stets erforderlich ist eine lange andauernde Erkrankung oder häufige Kurzerkrankungen des gekündigten Arbeitnehmers.
Der krankheitsbedingte Ausfall des Arbeitnehmers muss außerdem zu erheblichen Beeinträchtigung des betrieblichen Interesses des Arbeitgebers führen. Zu nennen sind hier beispielsweise länger andauernde oder immer wieder vorkommende Betriebsablaufstörungen in Form von Lieferverzögerungen wegen Krankheit und / oder Überstunden durch Kollegen. Auch die immer wieder auftretende Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ist hier als Beeinträchtigung des Arbeitgebers zu nennen.
Schließlich muss auch eine negative Zukunftsprognose gegeben sein. Es bedarf einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit krankheitsbedingt nicht mehr verrichten kann. Hier bedarf es dann einer umfassenden Interessenabwägung, bei der auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Alter des Arbeitnehmers und ob das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit störungsfrei verlaufen ist, zu berücksichtigen sind.
4. Tipp vom Anwalt
Rechtsanwalt Dr. Perabo-Schmidt aus Wiesbaden rät Arbeitnehmern, die eine vermeintlich krankheitsbedingte Kündigung erhalten haben, sich umgehend mit einem Anwalt in Verbindung zu setzen. Insbesondere muss beachtet werden, dass eine Kündigung in jedem Fall binnen einer Frist von 3 Wochen vor dem Arbeitsgericht angegriffen werden muss. Andernfalls wird sie kraft Gesetzes ohne weitere Prüfung wirksam, obgleich die Kündigung – wie viele andere krankheitsbedingte Kündigungen auch – nicht den Anforderungen der Rechtsprechung genügte.
Rechtsanwalt Dr. Perabo-Schmidt von der Kanzlei PSS Rechtsanwälte aus Wiesbaden vertritt Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu allen Fragen des Arbeitsrechts. Er freut sich auf Ihren Kontakt!
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