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Strafzettel im Ausland: Knüller zum Knöllchen

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion
Auch im Ausland werden Parksünder ordentlich zur Kasse gebeten und für einen Parkverstoß können schon einmal 100 Euro anfallen. Die Frage, die sich hierbei stellt: Muss man die eigentlich bezahlen? Das hängt davon ab, ob eine Vollstreckung der ausländischen Bußgelder in Deutschland möglich ist. Ein Vollstreckungsabkommen gibt es zum Beispiel mit Österreich. Ab 1. Oktober 2010 sollen Bußgelder ab 70 Euro aus weiteren EU-Staaten vollstreckt werden können. Bislang hat die Einziehung solcher Auslandsknöllchen relativ problemlos funktioniert. Allerdings hat das Finanzgericht Hamburg der Vollstreckung zumindest vorläufig einen Riegel vorgeschoben, wenn der betroffene Fahrzeughalter sein Schweigerecht in Anspruch nimmt.

[image]Wiener Knöllchen-Melange

Vielleicht konnte es ein Student nicht abwarten, die köstliche Kaffeespezialität in Wien zu genießen? Fest steht, dass er insgesamt zehn Knöllchen wegen verschiedener Parkverstöße kassierte. Gegen seinen Vater als Fahrzeughalter betrieb die Wiener Verkehrsbehörde per Amtshilfe ein Vollstreckungsverfahren in Hamburg, weil er jede Auskunft darüber verweigert hatte, wer das Fahrzeug in der fraglichen Zeit genutzt hatte. Das sog. Straferkenntnis, das mit dem deutschen Bußgeldbescheid vergleichbar ist, erging aufgrund der Aussageverweigerung des Vaters. Als der Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stand, bezahlte der Vater nur die Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 36,10 Euro, aber nicht das Bußgeld. Stattdessen wehrte er sich gegen die Vollstreckung, legte Widerspruch ein und beantragte gerichtlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Schließlich musste das Finanzgericht Hamburg über diese entscheiden.

Amtshilfeabkommen Österreich

Die Vollstreckung des Bußgeldbescheides sollte aufgrund des Amtshilfeabkommens Österreich erfolgen. Dessen Artikel 4 sieht vor, dass Amtshilfe jedoch nicht geleistet wird, wenn sie im anderen Staat unzulässig ist. Nach Österreichischem Recht kann gegen den Halter eines Fahrzeuges ein Bußgeld verhängt werden, wenn er die Auskunft verweigert, welcher Person er das Fahrzeug überlassen hat (§ 2 und § 4 Parkometergesetz 2006). Eine entsprechende Vorschrift enthält zudem das Österreichische Kraftfahrgesetz (KFG) in § 103 Abs. 2, die sog. Lenkerauskunft. Die Ordnungswidrigkeit wird in diesen Fällen der Auskunftsverweigerung damit begründet, dass die Auskunftsverweigerung allein ausreicht, um über Fahrlässigkeit ein Verschulden zu begründen, das die Verhängung eines Bußgeldes gegen den Fahrzeughalter rechtfertigt.

Auskunftsverweigerungsrecht

Anders dagegen die Rechtslage in Deutschland. Hier steht demjenigen, der einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren ausgesetzt ist, ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozessordnung (StPO) zu. Einerseits gebietet das Grundgesetz einen Schutz vor Selbstbezichtigung. Andererseits hat der Betroffene ein Zeugnisverweigerungsrecht bei nahen Angehörigen zum Schutz des Angehörigenverhältnisses. Dieses Schweigerecht im Strafverfahren ist eines der wesentlichen Elemente des Rechtsstaates hierzulande.

Rechtskonflikt

Die im Fall einschlägigen Bußgeldvorschriften des Parkometergesetzes 2006 enthalten allerdings keine Vorschrift, die das Aussageverweigerungsrecht des Betroffenen im Sinne des deutschen Grundgesetzes schützt. Würde hier also eine Vollstreckung solcher Bußgelder ermöglicht, würde die Bundesrepublik Deutschland fremdstaatliches Recht durchsetzen und damit gegen elementare Grundsätze des eigenen Rechtsstaates verstoßen. Es sei denn, es existiert in Deutschland eine den Bußgeldvorschriften des Parkometergesetz 2006 vergleichbare Vorschrift, deren rechtliche Wertung sich entsprechend übertragen lässt. Entscheidend ist also, ob in Deutschland ein entsprechendes Verhalten, also die Auskunftsverweigerung, über eine Strafe sanktioniert werden kann.

Fahrtenbuchauflage

Nach den deutschen Vorschriften haben die deutschen Verkehrsbehörden bei Verkehrsverstößen im Falle einer Auskunftsverweigerung durch den Fahrzeughalter nur die Möglichkeit, gegenüber dem Fahrzeughalter das Führen eines Fahrtenbuchs anzuordnen, damit sich im Wiederholungsfall feststellen lässt, wer der Lenker des Fahrzeuges war. Damit allerdings hat es sich auch schon weitgehend. Zwar kann eine Fahrtenbuchauflage bereits bei einem ersten Verkehrsverstoß angeordnet werden (so z.B. Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss v. 12.04.2010, Az.: 3 L 281/10). Allerdings ist die Fahrtenbuchauflage keine Strafmaßnahme. Mit ihr soll lediglich sichergestellt werden, dass die Ahndung künftiger Verkehrsverstöße gesichert ist und nicht mehr an der mangelnden Mitwirkung des Fahrzeughalters scheitert.

Halterhaftung

Auch in Deutschland sieht das Gesetz eine Haftung des Fahrzeughalters vor. Gemäß § 25a Straßenverkehrsgesetz (StVG) muss er bei Parkverstößen, bei denen sich der Fahrzeugführer nicht ermitteln lässt, die Kosten für das Bußgeldverfahren tragen. Der Unterschied zu den Vorschriften des Österreichischen Parkometergesetzes 2006 ist jedoch, dass § 25a StVG eine verschuldensunabhängige Kostentragungspflicht des Halters vorschreibt, die zudem auf die Verfahrenskosten begrenzt ist. Anders § 2 i.V.m. § 4 Parkometergesetz 2006: Hier basiert die Ordnungswidrigkeit auf einem Verschulden des Halters, das sich allein aus der Auskunftsverweigerung ergibt.

Vollstreckungsregeln

Welche Auswirkungen hat der Beschluss auf die ab dem 1. Oktober geltenden neuen EU-Vollstreckungsregeln? Der Rahmenbeschluss basiert auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Geldbußen und Geldstrafen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten und ermöglicht die Vollstreckung zwischen den Mitgliedstaaten, die den Rahmenbeschluss in innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Trotz der Neuregelung bleibt die Vollstreckung von ausländischen Knöllchen schwierig, wenn der Betroffene von seinem Schweigerecht Gebrauch macht. Denn die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Vollstreckung innerhalb der EU schreibt ebenfalls die vorrangige Geltung des nationalen Rechts vor.

Abwägung

Die Wertung des Hamburger Finanzgerichts gilt nur vorläufig und es kann erwartet werden, dass der Gesetzgeber die bestehende Gesetzeslücke beseitigen wird. Trotzdem: Die Vollstreckung von Strafzetteln aus dem Ausland dürfte in Deutschland zunächst äußerst schwierig bleiben. Dennoch kann ein Parkverstoß im Ausland Folgen haben, wenn man das Knöllchen nicht bezahlt. Denn will man wieder in das betroffene Land einreisen, ist Ärger vorprogrammiert. Dann kann ein Knöllchen richtig teuer werden. Im Optimalfall gilt: Wer sein Auto ordnungsgemäß parkt, der muss kein Knöllchen fürchten, ob nun hierzulande oder anderswo. Der Beschluss des Finanzgerichts Hamburg (Beschluss v. 16.03.2010, Az.: 1 V 289/09) beweist, dass im Falle eines Falles fachkundiger Rechtsrat durchaus empfehlenswert ist. Denn ein spezialisierter Anwalt, der sich mit dem deutschen und auch mit dem ausländischen Recht auskennt, kann mit professioneller Hilfe zur Seite stehen. Das gilt für unliebsame Knöllchen und erst recht bei gravierenden Verkehrsverstößen oder, wenn sich ein Unfall ereignet hat.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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